Mit seinen teils schwebenden Bewegungen gehört der langsame Walzer zu den beliebtesten Standard-Tänzen. Grund genug für Tanzlehrer Horst Reinhardt mit diesem die Tanzstunde zu starten. „Eins, zwei,drei. Eins, zwei drei, und ein bisschen in die Knie gehen." Begeistert verfolgen seine Schüler die Schritte und Bewegungen und setzen mit ein. Bei manch einem sieht es noch etwas holprig aus, andere schweben bereits recht sicher über das Tanzparkett. Der Unterschied zu den Tänzern, die sonst in der Tanzschule Hartung in Würzburg unterrichtet werden: Die jungen Männer und Frauen haben alle eine Behinderung, zum Beispiel das Down-Syndrom. So wie Eva Seuffert, die schon seit 25 Jahren hierher zum Tanzen kommt.
"Es macht mir viel Spaß", sagt die 42-Jährige und lacht. Auch ihre Mutter Waltraud Seuffert freut sich, die Tochter so gelöst zu sehen: "Die Bewegung ist gut für sie, und sie kommt immer beschwingt hier raus." Dafür nehme sie gern den Weg von Ochsenfurt nach Würzburg auf sich. Auch dem 26-jährigen Luis Schulz aus Würzburg merkt man die Freude beim Tanzen an. Konzentriert probiert er mit seiner heutigen Tanzpartnerin Carolin die Schritte aus. Da er – wie seine Mutter erzählt – nun zum siebten Mal dabei ist, klappt das sehr gut. Zumal auch Carolin seit 25 Jahren die Tanzschule besucht und gerne die Führung übernimmt.
Um seine Schüler nicht zu überfordern, gibt Reinhard nun eine lockere Runde mit einer kleinen Bewegungsabfolge vor. "Ich versuche immer zwischen den traditionellen Tänzen und Spaßtänzen abzuwechseln", erklärt Reinhardt. Zu den Partytänzen gehören zum Beispiel das Fliegerlied oder der Ententanz, "da kommt immer Stimmung auf".
Schon seit er 1988 nach Würzburg an die Tanzschule Hartung kam, bietet er den Kurs für behinderte Menschen an. Seit 1997 ist er gemeinsam mit Gerlinde und Kristina Hartung Gesellschafter der Tanzschule. Auch zuvor habe es ein ähnliches Angebot schon gegeben, erklärt er.
Glückshormone werden ausgeschüttet
Seine pädagogischen Kenntnisse hat sich Reinhardt als Autodidakt in seiner Zeit als Tanzlehrer in Offenbach angeeignet, "natürlich spielt da die Erfahrung im Umgang mit den behinderten Menschen eine große Rolle". Das Wichtigste aber sei, dass seine Schüler Spaß am Tanzen haben: "Da geht es nicht um Perfektion, sondern darum, dass sie glücklich sind." Durch das Tanzen nämlich schütte der Körper Glückshormone aus.
So bekommen seine Schüler die Grundschritte von Standard und Latein beigebracht, "teilweise in einer vereinfachten Form, so beim Wiener Walzer, beim Samba oder beim ChaChaCha". Bei Letzterem wird der Wiegeschritt nach vorne und hinten ausgetauscht, "da das sonst für viele zu kompliziert wäre". Der Tanzkurs solle ein Erlebnis für die behinderten Tänzer sein, "deswegen reite ich auch nicht auf Details herum".
Veranstalter des Kurses ist der Bereich Urlaub und Freizeit der Lebenshilfe. Dass der Tanzkurs ein nicht inklusiver ist – das heißt, dass hier nur behinderte Menschen zusammenkommen – liege zunächst daran, dass er in dieser Form schon seit Jahrzehnten angeboten wird, heißt es von Seiten der Lebenshilfe. Damals habe es den inklusiven Gedanken noch nicht so stark gegeben. Außerdem habe sich genau dieses Konzept "im geschützen Rahmen" für die Teilnehmer bewährt.
Jeder soll auf seine Kosten kommen
Der Tanzlehrer achtet darauf, dass er verschiedene Bewegungsabfolgen anbietet – auch für diejenigen, die aufgrund einer Gehbehinderung ihre Hände und Arme besser bewegen und koordinieren können als die Beine. "Schließlich soll jeder auf seine Kosten kommen." Lob gibt es dafür von den Eltern seiner Schüler: Er habe einfach ein gutes Einfühlungsvermögen, sagt Luis' Mutter und "man merkt ihm den Spaß an der Sache an", so Seuffert. Auch der Vater von Tänzerin Sandra, Pascuale Pistone, ist angetan: "Es ist immer super, meine Tochter tanzt gern."
- Lesen Sie auch: Arbeiten mit Behinderung – So schwierig ist die Jobsuche
Zudem ist der Tanzkurs eine gute Möglichkeit für die Teilnehmer, Freundschaften zu schließen. Die meisten seiner Schützlinge kennt Reinhardt nun schon seit vielen Jahren. Sie freuen sich jedes Jahr wieder auf den nächsten Tanzkurs, der traditionell am Aschermittwoch in den Räumen in der Peterstraße beginnt und immer acht Einheiten à 50 Minuten umfasst. Vom Lehrinhalt ist jeder Kurs ähnlich aufgebaut, "die Erfolgserlebnisse aber werden von Mal zu Mal für die Schüler größer".
Finale beim Abschlussball
Beim großen Abschlussball wird dann stolz präsentiert, was die Tanzschüler gelernt haben. "Das ist immer eine tolle und festliche Veranstaltung, alle machen sich schick", erzählt Seuffert. Natürlich dürfen dann auch Eltern, Geschwister und alle weiteren Gäste das Tanzbein schwingen. Zudem gebe es in der Tanzschule immer wieder mal gemeinsame Tanzabende, die Anfänger, begeisterte Hobbytänzer und Menschen mit Behinderung zusammenführen, so Reinhardt.
An den Abschlussball denken die Schüler am ersten Kurstag allerdings noch nicht. Viel zu groß ist bei Eva, Carolin, Luis und den anderen die Vorfreude auf die nächsten gemeinsamen Stunden auf dem Tanzparkett.
Noch gibt es bis zu 15 freie Plätze im Tanzkurs für behinderte Menschen in der Tanzschule Hartung, immer mittwochs von 17.30 bis 18.20 Uhr. Anmeldung über die Lebenshilfe unter Tel.: (0931) 78012920