
Graue Regenwolken hängen am Himmel über Kürnach (Lkr. Würzburg), der Wind lässt die weißen Rosen am Hochzeitsauto in der Hauseinfahrt zittern. Auch das noch. Marion und Daniel Stein scheinen mit ihrer Hochzeitsfeier kein Glück zu haben. Erst Corona, nun das Wetter.
Doch die frisch getrauten Eheleute lassen sich die Laune nicht verderben und genießen den Tag - mit ihren Kindern, Familie und Trauzeugen. Schließlich haben sie viel dafür getan, um in Pandemie-Zeiten überhaupt feiern zu können.
Hygieneregeln zur Begrüßung
Bereits am Eingang zum Garten werden die Gäste durch ein riesiges Plakat begrüßt und mit den Hygieneregeln vertraut gemacht. "Wir haben gehofft und gewartet, dass Lockerungen kommen, aber es ist nichts passiert", erzählt Marion Stein, die bis Montagmittag noch mit Nachnamen Fröhlich hieß.
Schweren Herzens verschob das Kürnacher Brautpaar die große Feier auf nächstes Jahr. Aber alles wollten sich die Steins nicht von Corona verderben lassen - und so hielten sie an ihrem Hochzeitswunschtermin, dem Jahrestag des ersten Treffens am 15. Juni, fest. Und weil ihr Sohn im September zur Welt kommen wird, wollten die beiden wenigstens aufs Standesamt - im Beisein von Familie und engsten Freunden. Um danach im heimischen Garten zusammen feiern zu können, beantragten sie eine Ausnahmegenehmigung beim Würzburger Landratsamt.

Hygienestandards sind beiden nicht fremd. Marion Stein ist gelernte Köchin und arbeitet als Fachoberlehrerin für Ernährung und Versorgung an der Würzburger Klara-Oppenheimer-Schule. Daniel Stein ist Notfallsanitäter bei den Johannitern und war zu Hoch-Zeiten der Pandemie Berater in der Führungsgruppe Katastrophenschutz der Stadt Würzburg.
"Wie eine Gaststätte das auch machen muss, haben wir ein Konzept erstellt", sagt der 39-Jährige. Sechs Seiten reichten sie beim zuständigen Ordnungsamt ein: den eigens entwickelten Hygieneplan, eine detaillierte Darstellung der geplanten Feier, die Gästeliste sowie Steins Zeugnis zum staatlich geprüften Desinfektor.
Im Landratsamt Würzburg hatte es in den vergangenen Wochen "verstärkt Anfragen wegen Sondergenehmigungen für Veranstaltungen" gegeben: für Vereinsversammlungen, Familienfeiern oder Ferienprogramme. Seit Mitte Mai, so die Pressestelle, seien vermehrt Anfragen zu Hochzeiten darunter gewesen. "Der Fachbereich Sicherheit und Ordnung prüft und bearbeitet die Anträge in Zusammenarbeit mit einem Mediziner", so das Landratsamt. Die Ausnahmegenehmigungen und Auflagen bezögen sich auf die jeweils gültige Bayerische Infektionsschutzmaßnahmenverordnung.
Fehlt die Genehmigung, kann schnell die Polizei vor der Tür stehen. In den vergangenen vier Wochen habe es in Stadt und Landkreis Würzburg acht Einsätze wegen Personenansammlungen gegeben, sagt Enrico Ball vom Polizeipräsidium Unterfranken. "Daraus resultierten 70 Anzeigen", so der Polizeisprecher. Die entsprechenden Bußgeldbescheide kommen dann aus dem Rathaus oder dem Landratsamt. Für eine nicht genehmigte private Feier muss der Hausherr als Veranstalter 250 Euro Bußgeld zahlen, jeder Teilnehmer 150 Euro.
Eine Genehmigung und 14 Auflagen
Neun Tage dauert es, dann haben die Steins die Antwort vom Landratsamt im Postfach. Und die macht sie erst einmal sprachlos. Zwar darf die Feier in ihrem Garten wie geplant von 15 bis 17 Uhr mit den angemeldeten 17 Gästen stattfinden. Doch das Amt schickt 14 weitere Vorgaben mit, an die sich die Hochzeitsgesellschaft zu halten habe. "Wir haben schallend darüber gelacht", sagt die 41-jährige Braut rückblickend: "Wir haben mit einer Zu- oder Absage gerechnet, aber nicht mit solchen Auflagen."

"Wir wollten trotzdem feiern und waren einfach glücklich, dass es genehmigt wurde", sagt Daniel Stein. So ist am Montagnachmittag dann der Garten für die kleine Hochzeitsgesellschaft liebevoll dekoriert: Herzchen-Girlanden und weiße Rosen schmücken Zaun und Bäume, an vier Tischen finden je zwei Haushalte Platz. Nur ihre Plätze dürfen die Gäste nicht wechseln - die Kontaktbeschränkung ist eine der Auflagen des Landratsamtes.
Während zehn der Gäste im Trausaal in Volkach (Lkr. Kitzingen) bei der standesamtlichen Trauung zusammen sein dürfen, müssen sie im Kürnacher Garten strikt getrennt voneinander Kaffee trinken. Verstehen und nachvollziehen können die Brautleute das nicht: "Es sind ja nur unsere Mütter, Geschwister und besten Freunde eingeladen. Mit diesen haben wir ständig Kontakt."
Mindestabstand beim Fotografieren und Rauchen
Viele der Auflagen beziehen sich auf den einzuhaltenden Abstand bei der Feier. Das Brautpaar darf nicht umarmt werden, beim Fotografieren gilt der Mindestabstand von 1,5 Metern, beim Rauchen sind es sogar zwei Meter. Auch auf der Toilette müssen die Gäste über die Hygienemaßnahmen unterrichtet werden. Und getanzt werden darf nicht, sagt die Behörde - "da hier immer die Gefahr besteht, dass sich die einzelnen Paare zu nahe kommen".

Falls es regnet? "Eine Verlagerung in Zelte oder Innenbereich" ist untersagt, lautet eine weitere Auflage des Landratsamtes. Am Hochzeitstag der Steins schüttet es wie aus Eimern, die Gäste werden durch Pavillons vor dem Wetter geschützt. "Ich interpretiere das nicht als Zelt", sagt Daniel Stein, "schließlich sind die Seiten offen." Zur Sicherheit stehen für die Gäste Wärmflaschen und Decken bereit.
Wie in Geschäften und Restaurants gilt auch bei Familie Stein an diesem Tag die "Einbahnstraßenregelung". Mit selbst gedruckten Schildern und Pfeilen an Türen und auf dem Boden werden die Gäste von der Haustür durch den Gang ins Wohnzimmer und durch die Terrassentür wieder hinaus in den Garten gelotst. Das führt dazu, dass sich der jüngste Gast, der vierjährige Miguel, beim Kuchenholen unschlüssig von links nach rechts dreht - und schließlich seinen Papa fragt, in welche Richtung er nun weiter darf.
35 Handtücher in der Gästetoilette
Auch die Toilette im Zuhause der Steins ist dem Hygienekonzept entsprechend vorbereitet worden. "Wir haben 35 Handtücher bereitgelegt, weil sie ja nicht mehrmals benutzt werden dürfen", so der Bräutigam.
Den Auflagen nach müssten am Tisch alle Gäste ihren Mundschutz anziehen, sobald Kaffee nachgeschenkt wird. Marion Steins Lösung: "Weil aber nicht jeder gleichzeitig isst und trinkt, haben wir eine Kuchentheke im Wohnzimmer aufgebaut, bei der eine Freundin bedient." So kann sich jeder Gast selbst Kaffee und Kuchen abholen - natürlich nur, wenn er sich an den Rundgang hält und für jedes Stück Kuchen einen frischen Teller benutzt.


Auf die Nachfrage, warum hier beim privaten Fest andere Standards gelten als in Gaststätten, wo die Gäste ohne Masken an den Tischen sitzen dürfen, gibt das Landratsamt zu: An den Tischen hätte tatsächlich auf "die Mund-Nasen-Bedeckung für die Gäste" verzichtet werden können.
Der Sekt bleibt alkoholfrei
Bier und Sekt zum Anstoßen bleiben bei der Montagnachmittagsfeier übrigens alkoholfrei. Denn auch auf den "Alkoholgenuss" nehmen die Behördenvorgaben Bezug, er ist nur "in geringen Mengen gestattet". Das Landratsamt begründet dies in seiner Antwort mit der"Lebenserfahrung" und "medizinischen Erkenntnissen". Bei "übermäßigem Alkoholgenuss" sei die Gefahr groß, dass sich die Feiernden nicht an die nötigen Hygiene- und Abstandsregeln halten.
Doch trotz all der Auflagen und trotz des Wetters: Brautpaar und Gäste genießen sichtlich die Feier. "Bei schönem Wetter kann jeder heiraten", sagt Trauzeuge Clemens Launer. "Und nach den vergangenen Monaten sind die Hygieneregeln für die meisten Alltag." Zwar findet Trauzeugin Jenny Thieme die Ausrichtung der Hochzeit unter diesen Umständen "einen Wahnsinn". Aber sie ist froh, dass sie mit dem Brautpaar überhaupt feiern darf: "So ist das perfekt!"
Einen Tag nach der Hochzeitsfeier der Steins verkündet Ministerpräsident Markus Söder weitere Lockerungen: Ab dem 22. Juni sind in Bayern bei Hochzeiten im Freien 100 Gäste erlaubt. Zu früh geheiratet und gefeiert? Das Brautpaar sieht es entspannt: "Uns war das Datum wichtig", sagt Daniel Stein. An den Plänen für die nachgeholte große Feier hat sich nichts geändert: "Das werden über 140 Gäste und deshalb haben wir sie auf nächstes Jahr verschoben."
"Sehr schade, dass Corona war. Aber wir haben mit der Sondergenehmigung das Beste daraus gemacht, auch wenn ich das Alkohol- und Tanzverbot für überzogen halte. Aber besser so als gar nicht", sagt der Bräutigam. Ende Juni geht es für die Frischvermählten nun in die Flitterwochen, pandemiebedingt in ein Hotel bei Aschaffenburg. "Aber zumindest haben wir jetzt gute Chancen, dass der Wellnessbereich geöffnet ist", freut sich die schwangere Braut.
Regelung für Veranstaltungen ab 22. Juni

Bravo! Weiter so! 😫
Bei den großen Parteispendern traut sich halt keiner.