"Zum Überleben reichte uns ein Zimmer, zum Leben benötigen wir mehr Platz." Dieser Satz einer Frau, die Gewalt durch den Partner erfahren hat und einige Zeit mit ihren Kindern im Frauenhaus gelebt hat, sagt alles und zeigt, wie groß die Not, aber auch der Wunsch nach einem geregelten Leben ohne Angst ist.
Erstmals waren in Deutschland im vergangenen Jahr über eine Viertelmillion Menschen von Häuslicher Gewalt betroffen, genauer 256.276, wie aus dem "Bundeslagebild Häusliche Gewalt" hervorging. Damit stieg die Zahl der Opfer Häuslicher Gewalt im Vergleich zum Vorjahr um 6,5 Prozent. Über 70 Prozent der Betroffenen sind Frauen.
Laut eines aktuellen Lageberichts des Bundeskriminalamts "Geschlechtsspezifisch gegen Frauen gerichtete Straftaten", den Bundesinnenministerin Nancy Faeser erst vor einigen Tagen vorgestellt hat, werden Frauen und Mädchen auf vielfältige Weise Opfer von Straftaten und Gewalt. In fast allen Bereichen gab es Anstiege – darunter häusliche Gewalt, Sexualdelikte und Femizid.
Schutz für die betroffenen Frauen und Kinder
"Unsere Aufgabe ist es", fasst die Leiterin des SkF-Frauenhauses, Theresa Jörg, zusammen, "dass die Frauen und Kinder nach den traumatischen Erlebnissen zunächst mal geschützt werden und zur Ruhe kommen können". Aber: "Natürlich ist es auch unser Ziel, dass die Frauen - nachdem eine akute Gefährdung durch den Partner weitestgehend ausgeschlossen werden kann - wieder zurück in einen geregelten Alltag finden und ihr Leben meistern lernen", so Jörg.
So startete der Sozialdienst katholischer Frauen e.V. Würzburg (SkF) im Januar 2024 mit dem Projekt "Second Stage", das vom Bayerischen Staatsministerium für Familie, Arbeit und Soziales gefördert wird. Ziel sei es, Frauen - nach dem Verlassen des Frauenhauses - bei der Wohnungssuche zu unterstützen. "Wir wollen sie und ihre Kinder bei ihrem Neustart und bei der Anbindung an ihre neue Wohnumgebung begleiten und sie auf dem Weg in ein gewaltfreies Leben unterstützen", erklärt die Frauenhausleiterin.
Wohnraum für Frauen mit Kindern gesucht
Als Beispiel erzählt Jörg von Frau O. (Anmerkung der Redaktion: Name zum Schutz verkürzt), die im Januar 2023 im Frauenhaus des (SkF) in Würzburg Schutz vor häuslicher Gewalt suchte. Mit dabei waren ihre drei Kinder, zwei Jungs im Alter von sechs und acht und ein Mädchen im Alter von zwölf Jahren. "Im Frauenhaus fanden sie den geschützten Raum, aber lebten beengt zu viert in einem Zimmer auf 20 Quadratmetern."
Zudem kommt, erklärt Theresa Jörg: "Um die Anonymität des Frauenhauses zu wahren, darf die Familie niemandem ihren aktuellen Wohnort verraten und auch keinen Besuch empfangen." Gerade für die Kinder sei dies nicht leicht, da sie gerne einmal Freunde aus der Schule einladen würden.
Als sich die Situation mit dem Ex-Partner von Frau O. stabilisiert hatte, so Jörg, habe sie beschlossen, den nächsten Schritt zu gehen und eine Wohnung zu suchen. "Doch der Wohnungsmarkt in Würzburg ist leider sehr angespannt und Antworten auf Bewerbungen oder Einladungen zur Besichtigung gibt es oft selten bis gar nicht", schildert die Frauenhausleiterin. Frau O. sei bis zum heutigen Tag im Frauenhaus, "und das, obwohl sie sich sehr um eine bezahlbare Wohnung bemühte".
Verweildauer im Frauenhaus ist von 2022 auf 2023 um 80 Prozent gestiegen
Dass es keinen bezahlbaren Wohnraum gibt, sei einer der Gründe für den gewaltigen Anstieg der Verweildauer im Frauenhaus. Wie die Frauenhausleiterin berichtet, hatte sich die durchschnittliche Verweildauer von 2022 auf 2023 mit 80 Prozent deutlich mehr als verdoppelt. Während eine Frau (mit ihren Kindern) im Jahr 2022 noch 64 Tage im Würzburger Frauenhaus lebte, waren es im Jahr 2023 bis zu 115 Tage. "Eine längere Verweildauer bringt natürlich Schwierigkeiten mit sich, weil das eventuell dazu führt, dass akut schutzsuchende Frauen keinen Platz bei uns finden", so Jörg.
Aktuell sucht das SkF-Frauenhaus deshalb für ihr Projekt Second Stage eine 3- und eine 4-Zimmer Wohnung. Die große Bitte: "Wer über Wohnraum verfügt oder jemanden kennt, der eine Wohnung vermieten möchte, der soll sich gerne melden." Die zwei Wohnungen, die derzeit zur Verfügung stünden, seien zu wenig.
Wie Jörg erläutert, werden die Frauen und ihre Kinder durch Beratung und Begleitung in der neuen Wohnung weiter unterstützt, "bis sie sich in ihrem neuen Lebensumfeld gut eingelebt haben". Dazu gehört auch die Zusammenarbeit mit anderen Fachstellen und Behörden, sei es das Jobcenter oder das Jugendamt sowie die Koordination stadtteilbezogener Hilfestellungen.
Treffen immer donnerstags
Bei Bedarf wird auch weitere Hilfe geboten, so wird für Mütter mit Kindern beispielsweise der Kontakt zur Erziehungsberatungsstelle oder zum Kinderschutzbund sowie zu Ärztinnen und Ärzten geknüpft. Und: "Immer donnerstags haben wir ein gemeinsames Treffen, bei dem sich die Frauen austauschen und wir Hilfestellung leisten", erzählt Jörg. Auch Ausflüge werden gemeinsam unternommen, um den Zusammenhalt zu stärken.
Froh erzählt die Frauenhausleiterin von einer ihrer Frauen, die es in eine neue Wohnung und somit ein Stück weit in ein neues Leben geschafft hat. Diese habe rückgemeldet, dass die Unterstützung für sie sehr hilfreich war. "Auch, dass mir erklärt wurde, wie ich mich alleine auf Wohnungen bewerben kann und alles mit einer Mitarbeiterin besprechen konnte, die auch viele Bewerbungen übernommen hat. Vor allem auch während des Umzuges war sie viel für mich da", schreibt die betroffene Frau. Sie freue sich nun, dass sie immer zum Nachmittagstreff eingeladen werde.
Ein positives Beispiel, das Theresa Jörg sich für viele Frauen wünscht. Deshalb kämpft sie weiter dafür, dass Second Stage zum Erfolgs-Projekt wird.