Studierende haben es in der Corona-Krise nicht leicht. Unter der Umstellung auf ein reines Digitalsemester leiden direkter Austausch, Diskussion und Hilfestellungen. Richtig hart trifft es aber jene, die für das aktuelle oder kommende Semester auf ein Praktikum angewiesen sind. Denn coronabedingt fehlt es an Plätzen in den Unternehmen.
Groß ist die Verzweiflung vor allem an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Würzburg-Schweinfurt (FHWS). Ihr Name ist Programm, praktische Einheiten haben hier mehr Gewicht als an der grundlagen- und forschungsorientierten Uni. Doch wie das verpflichtende Praxissemester absolvieren, wenn es reihenweise Absagen für ein Praktikum hagelt? So erlebt es in diesen Wochen die 20-jährige Julia.
Die Studentin der Betriebswirtschaft an der FHWS hat schon reihenweise bei Unternehmen in der Region angefragt. Doch immer die gleiche Leier: Wegen Corona keine Praktikanten. Dahinter stecken bei den Unternehmen zum einen hygienische Vorsichtsmaßnahmen: Man will nicht zusätzlich neue Leute in die Firmen holen und damit das Ansteckungsrisiko erhöhen.
Zum anderen herrscht Verunsicherung bei Betrieben, die in Kurzarbeit sind. Sie haben Angst vor Problemen mit der Arbeitsagentur, wenn sie Beschäftigte heimschicken und gleichzeitig Praktikanten an Bord nehmen. Und doch: Ein kategorischer Ausschlussgrund für Praktika ist die Kurzarbeit nicht.
"Es spricht grundsätzlich nichts gegen Praktika", erklärt Wolfgang Albert, Sprecher der Würzburger Arbeitsagentur. Voraussetzung sei allerdings, dass die Praktikanten nur in den Betrieb hineinschnuppern und keine regulären Tätigkeiten übernehmen. Dies müssten die Unternehmen bei einer Prüfung im Einzelfall nachweisen. So will die Arbeitsagentur einem Missbrauch der Kurzarbeit vorbeugen.
Doch viele Unternehmen meiden offenbar jedes Risiko und streichen die Praktika für die Corona-Zeit lieber ganz. Sehr zum Leidwesen von Studierenden wie Julia und vielen anderen. Aktuell einen Praktikumsplatz zu ergattern, sei zwar nicht aussichtslos – "es ist aber deutlich mühsamer als sonst", bestätigt Jürgen Bender vom Praktikantenamt der FHWS. Eigentlich sollten sich die Studierenden im April/Mai bewerben, im Juni/Juli finden normalerweise die Auswahlgespräche in den Unternehmen statt.
Unternehmen können Praktikumsstellen melden
Bender hofft, dass diesmal im Juli noch Praktikaplätze nachgemeldet werden, falls sich die Auftragslage in der Wirtschaft bessert. Angebote nimmt er per Mail entgegen und gibt sie an die Studierenden weiter. Betriebe können freie Plätze auch online in die Jobbörse der FHWS stellen. "Es kommt im Moment weniger herein", stellt Bender fest. Und die sonst gefragte Praktikumsmesse musste wegen Corona ausfallen.
Was aber, wenn Studierende ihr Pflichtpraktikum mangels Platz nicht absolvieren können? Dürfen sie das Praxissemester überspringen und nachholen? Wenn es der Studiengang von der Abfolge her erlaubt, ist das mit einer Ausnahmegenehmigung möglich. Dafür müssen die Studierenden aber mit Absagen dokumentieren, dass sie sich ernsthaft und vergeblich mit einer Reihe von Bewerbungen um einen Praktikumsplatz bemüht haben – "und zwar nicht nur in Unterfranken, sondern überregional". Die Hochschule erwartet Mobilität.
Ohne Praktikumsplatz kann sich das Studium verlängern
Wer trotz allen Suchens keinen Platz findet und dessen Studium blockiert ist, kann auch ein sogenanntes Zwischensemester einlegen. Hier können Prüfungen nachgeholt oder fehlende Punkte gesammelt werden. Nur verlängert sich damit das Studium um ein halbes Jahr. Für Studierende wie Julia ist das keine Option, sie sucht weiter.
Unterdessen appellieren auch Dozenten an Unternehmen, die Studierenden nicht in der Luft hängen zu lassen. "Wir haben Fachkräftemangel, werden diesen auch in Zukunft haben", sagt Michael Müßig, seit über 20 Jahren Professor an der FHWS-Fakultät für Informatik und Wirtschaftsinformatik. Es gelte zu verhindern, dass durch kurzfristige Störungen wie Corona "Studierende und Unternehmen nicht zueinander finden".
Praktikanten seien die Fachkräfte von morgen. Sie könnten für Firmen und Unternehmen eine Bereicherung sein, weil sie "frischen Wind und neue Ideen bei Projektarbeiten mitbringen". Virtuelle Seminare könnte eigene Erfahrungen mit betrieblichen Abläufen nicht ersetzen.
Bei der Industrie- und Handelskammer (IHK) Würzburg-Schweinfurt weiß man um das Problem –und hält die Zurückhaltung der Unternehmen für nachvollziehbar. IHK-Sprecher Radu Ferendino verweist auf Umsatzeinbußen, Kurzarbeit und Homeoffice: "Da ist der Gedanke, neue Personen via Praktikum ins Unternehmen zu holen, nicht der erste. "
Trotzdem hofft man bei der Kammer, dass sich die Unternehmen mit zurückkehrender Sicherheit wieder öffnen. Ferendino: "Ein Praktikum bleibt auch künftig ein sehr guter Weg für ein gegenseitiges Kennenlernen und eine gelungene Berufseinstiegsvorbereitung."
Die Arbeitszeiten und die körperliche Anstrengung sind natürlich deutlich höher als in der Industrie.