WÜRZBURG
Straßenumbenennung: Streit um Bürgerbeteiligung
Der Stadtrat hat mit 27 gegen 20 Stimmen beschlossen, die Helmuth-Zimmerer-Straße in Angermaierstraße umzubenennen. Kein Ratsmitglied plädierte dafür, dass die Straße auch künftig nach Würzburgs Oberbürgermeister von 1956 bis 1968 heißen soll. Umstritten war der künftige Namensgeber.
Auslöser einer Ratsdiskussion mit unklarem Hintergrund war der SPD-Stadtrat Heinrich Jüstel. Er ist es gewesen, der im September 2012 den Antrag gestellt hat zu prüfen, ob die Straße denn einen würdigen Namenspatron habe. Zimmerer hat seinen Doktortitel 1936 mit einer rassistischen, antisemitischen und antidemokratischen Doktorarbeit erworben und sich nie davon distanziert.
Rechtschreibschwächen in der Helmuth-Zimmerer-Straße?
Schon im Oktober 2012 schickte der damalige OB Georg Rosenthal den Anwohnern eine Liste mit Namenskandidaten Namensgebern, unter ihnen der Würzburger Nazi-Gegner Georg Angermaier und der Astronom Nikolaus Kopernikus. Favorit im Rathaus war von Anfang an Angermaier.
Im September 2013 wandte Jüstel sich schriftlich an Rosenthal mit der Nachricht, Anwohner, mit denen er gesprochen habe, lehnten Angermaier ab; sie zögen Kopernikus (1473 bis 1543) vor. Der Name „Dr.-Georg-Angermaier-Straße“ sei „viel zu lang“ und „immer wieder“ müsse die richtige Schreibweise „nachgefragt“ werden.
Der Nazi-Gegner und sein spätmittelalterlicher Konkurrent
Rosenthals Umfrage, eine weitere seines Nachfolgers Christian Schuchardt und eine dritte von Jüstel selbst ergaben große Mehrheiten für Kopernikus. Schuchardt berichtete im Rat, in den städtischen Umfragen hätten 24 von 46 erreichten Haushalten für Kopernikus votiert, zwei für Angermaier.
Jüstel sagt, er habe 76 Anwohner erreicht, von den sich 53 für den Astronomen ausgesprochen hätten und sieben für Angermaier.
Wie kommt es, dass so viele für den Astronomen sind?
Wie die Mehrheiten zusammenkamen, ob die Anwohner über die Verdienste Angermaiers informiert waren, ob für Kopernikus, der keinen Bezug zu Würzburg hat, geworben wurde, ist unklar.
Informationen unserer Redaktion zufolge rührte Jüstel die Trommel für Kopernikus. Er sagt dazu, er habe sich der Meinung von 15 Anwohnern angeschlossen, die sich an ihn gewendet hätten.
Vorwürfe gegen den SPD-Stadtrat Heinrich Jüstel
Vorwürfe, er, ein bekennender Atheist, sei gegen Angermaier gewesen, weil der ein bekennender Katholik war, nennt er „schlicht falsch“. Ihm persönlich sei es „vollkommen wurscht“, nach wem die Straße heißt. Er sei für Kopernikus gewesen, „weil die meisten Leute auch dafür waren“. Zudem sei der Astronom „über allem Verdacht erhaben“, da könne man sicher sein, dass die Straße nicht noch einmal umbenannt wird.
Auskünfte darüber, wer Angermaier ist, habe er den Bewohnern nicht gegeben. Im Gespräch mit der Redaktion sagte er, das sei nicht seine Aufgabe, „die Leute sollen sich selbst informieren“. Ein Porträt unserer Redaktion vom weitgehend unbekannten Nazi-Gegner Angermaiernannte er „Propaganda“.
Keine Debatte über historische Dimensionen
So diskutierten die Stadträte, welche Konsequenzen aus den Bürgerbefragungen zu ziehen sind, von denen nur Jüstel wusste, wie ihr Ergebnis zustande kam.

Gisela Pfannes (SPD) sagte, „entweder ich mache eine Bürgerbeteiligung und nehme sie ernst oder ich lasse sie sein“. Sebastian Roth (Linkspartei) wollte „Angermaier nicht in den Schatten stellen, sondern den Bürgerwillen respektieren“.
Die dreiköpfige WL meldete sich nicht zu Wort.
Von der Ehre, in einer Nazi-Gegner-Straße zu wohnen
OB Schuchardt plädierte für Angermaier. Er zitierte aus der Zusammenfassung eines Angermaier-Symposiums im Jahr 2013. Danach wirkte der Jurist „rastlos gegen das verbrecherische Regime“. Angermaier habe „beträchtliche Teilerfolge“ erzielt, sei vor persönlichen Konsequenzen nicht zurückgeschreckt und als „aufrechter Kämpfer gegen die NS-Diktatur zu bezeichnen“.
Schuchardt sagte, er empfände es als Ehre, in einer Straße zu wohnen, die nach einem Widerstandskämpfer benannt ist, „weil es davon nicht allzu viele gab“.
Die Bürger und die Hoheit des Stadtrats
Von einer Vertagung der Abstimmung hielt er nichts. Die Angelegenheit sei entscheidungsreif, nach einem Bürgergespräch sähe das Ergebnis nicht anders aus.

Ein Zeichen für den Widerstand
Wolfgang Baumann (ZfW) forderte, der Stadtrat müsse „ein Zeichen setzen“ und „für den Widerstandskämpfer eintreten“. Das Votum der Anwohner sei „nicht überzeugend“. Er bedaure zudem, dass Jüstel „nicht die Gelegenheit wahrgenommen hat, bei den Betroffenen für den Widerstandskämpfer zu werben“.
Von den großen Fraktionen stimmte die CSU mit 15 zu eins für die Angermaierstraße, die SPD mit sechs zu zwei dagegen, die Grünen mit sieben zu eins dafür. Weitere Ja-Stimmen kamen von Schuchardt, Alt-Oberbürgermeister Jürgen Weber (WL) und Baumann (ZfW).
Es dauert noch
Nach Auskunft der städtischen Pressestelle wird die Umbenennung „in den nächsten Monaten“ noch nicht vollzogen, weil der Organisationsaufwand recht groß sei.
Themen & Autoren / Autorinnen
Nationalsozialisten. Es gäbe sicher vielfältige Auswahl anderweitig. Alte Flurnamen wären allemal passender.
Unsere Eingabe von vor zwei Wochen blieb bislang von der Stadt völlig unbeantwortet!
Die Unterschriftenliste initiiert unter anderem durch Herrn Jüstel war völlig zwanglos. Wir als Anwohner sahen darin die letzte Chance u.U. doch noch Einfluß auf die Entscheidung des Stadtrates zu nehmen. Leider hat der Stadtrat auch dieses Engagement der betroffenen Bürger ignoriert, die mit überwältigender Mehrheit gegen Angermaierstraße und für Kopernikusstraße sind. Absolut nicht nachvollziehbar!
So schafft man Politikverdrossenheit. Für die, die sich noch engagieren, ist ja zum Glück transparent, wer für Angermeier votiert hat. Die nächste Wahl kommt bestimmt.
Wie ist das dann bei den Anwohnern von der Walther-von-der-Vogelweide-Straße?
übrigens stimmt es bedenklich, wenn ein Stadtrat auf Grund seiner persönlichen Weltanschauung eine derart manipulierte Anwohnerumfrage startet, nur weil ihm
ein Katholik nicht ins persönliche Weltbid passt.
Wie wäre es mit "Prophet-Baumann-Straße"
Hat doch in dieser Stadt immerhin auch "viel" erreicht ...
Der Name von Bürgern einer Stadt, die ehrenwert waren, schmücken eine Straße.
In einer Demokratie bestimmt die Mehrheit und nicht der gerade passende Mainstream.
Solche Straßennamen sind eine Zumutung für die Anwohner!
Noch dazu, wenn man lange genug sucht, wird man bei jeder Person einen schwarzen Fleck finden und dann gibt's wieder Diskussionen, ob man die Straße umbennen muss...
Und dann wischt die Mehrheit im Stadtrat diese Ergebnisse einfach weg und einer erdreistet sich auch noch zu behaupten : "Votum der Anwohner sei „nicht überzeugend“"! Da können wir alle froh sein das RA Baumann nicht gleich eine
omnipräsente Bürgerinitiative aus dem Tunn.. äh Boden gestampft hat.
Insgesamt ein jämmerliches Beispiel gelebter Bürgerbeteiligung.
Die Grünen waren wenigstens so ehrlich offen zuzugeben, das der Bürgerwille ihnen am Ars... vorbeigeht und das man Bürger lieber erst gar nicht fragt.