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Würzburg
Straßenblockaden fürs Klima: Wie soll der Rechtsstaat mit den Aktivisten umgehen und darf ich mich zur Not wehren?
Die Form des Protests ist umstritten, die Klima-Aktionen fordern Polizei, Justiz und Politik heraus. Wie, das erklärt Jura-Professor Kyrill-Alexander Schwarz.
Klimaprotest in der Hauptstadt: Aktivisten der Gruppierung 'Letzte Generation' blockierten am vergangenen Donnerstag eine Kreuzung in Berlin.
Foto: Paul Zinken, dpa | Klimaprotest in der Hauptstadt: Aktivisten der Gruppierung "Letzte Generation" blockierten am vergangenen Donnerstag eine Kreuzung in Berlin.
Andreas Jungbauer
 |  aktualisiert: 15.07.2024 12:39 Uhr

Sie fordern schnelle und entschlossene Maßnahmen zum Klimaschutz, doch ihre Protestaktionen sind umstritten: Aktivisten der so genannten "Letzten Generation" kleben sich auf Straßen fest und blockieren den Verkehr. Wie sollte der Rechtsstaat darauf reagieren? Und dürfen Autofahrer selbst eingreifen?

Im Interview erklärt Prof. Kyrill-Alexander Schwarz, Professor für Öffentliches Recht an der Universität Würzburg, warum er Straßenblockaden für rechtswidrige Nötigung hält und wann Notwehr gerechtfertigt ist. Der 54-jährige Jurist diskutiert am 11. Mai auch beim nächsten "Kellergespräch" von Main-Post und Juristen-Alumni der Uni Würzburg. 

Herr Schwarz, wie würden Sie reagieren, wenn sich vor Ihrem Auto ein Klima-Aktivist auf die Straße klebt?

Prof. Kyrill-Alexander Schwarz: Warten, aussteigen, wahrscheinlich diskutieren – aber letzten Endes darauf warten, dass diejenigen, die für die Durchsetzung geltenden Rechts verantwortlich sind, geeignete Maßnahmen ergreifen. Sprich: Ich werde auf die Polizei warten.

Sie dürften die Person aber auch von der Straße wegziehen, oder?

Schwarz: Ob ich in einem solchen Fall ein Notwehrrecht hätte, ist in hohem Maße umstritten. Natürlich kann man sagen, dass die Demonstranten auf der Straße rechtswidrig handeln. Und gegen rechtswidrige Maßnahmen kann ich mich zur Wehr setzen. Aber wie ich das mache, ob ich sie zum Beispiel von der Straße losreiße und Verletzungen riskiere – das ist eine Frage der Verhältnismäßigkeit, und da hätte ich Bedenken. Ich könnte niemandem dazu raten, jemanden eigenhändig von der Straße zu ziehen.

Staatsrechtler Kyrill-Alexander Schwarz befürwortet ein entschiedenes Vorgehen des Staates gegen illegale Klima-Aktionen. Aber auch betroffene Autofahrer müssten sich an Recht und Gesetz halten.
Foto: Daniel Peter | Staatsrechtler Kyrill-Alexander Schwarz befürwortet ein entschiedenes Vorgehen des Staates gegen illegale Klima-Aktionen. Aber auch betroffene Autofahrer müssten sich an Recht und Gesetz halten.
Ist denn jede Straßenblockade rechtswidrig als Nötigung einzustufen?

Schwarz: Ja, in meinen Augen ist das unstreitig. Auch wenn es einige Stimmen gibt, die das anders sehen. Bei der Nötigung ist nicht entscheidend, dass man jemanden zu einem bestimmten Verhalten oder Unterlassen zwingt. Maßgeblich ist die Frage: Ist die Aktion verwerflich oder nicht. Bisher ist die überwiegende Meinung unter Juristen, dass es sich in diesen Fällen um eine strafbare Nötigung handelt. Entsprechend sind ja Urteile gefällt worden.

Eine Nötigung kann Notwehr rechtfertigen – aber wie weit darf diese gehen? Teilweise treten Autofahrer auf Aktivisten ein.

Schwarz: Ein Grundsatz lautet: Wer eine Lage herbeiführt, in der ein anderer sich auf Notwehr beruft, muss selbst erstmal die Konsequenzen seines Handelns tragen. Trotzdem muss auch die Ausübung von Notwehr verhältnismäßig sein. Ich darf also nicht alles, kann zum Beispiel nicht einfach Leute überfahren. Auch Gewalt in Form von Tritten ist mit Sicherheit nicht gedeckt.

Und wenn die Polizei in der Nähe ist, sind ihr alle Gegenmaßnahmen zu überlassen?

Schwarz: Dahinter steht ja eine zentrale Frage: Wer übt das staatliche Gewaltmonopol aus? Wenn ich gegenüber jedem, der sich auf der Straße festklebt, selber Gewalt ausübe und ihn im schlimmsten Fall mit Hautverletzungen wegreiße – dann kündige ich den Grundkonsens der Gesellschaft auf, dass die Ordnungskräfte beziehungsweise die Polizei für die Durchsetzung des staatlichen Gewaltmonopols und die Herstellung des Rechts zuständig sind.

Mit Gewalt gehen Autofahrer teilweise gegen Aktivisten vor, die mit Sitzblockaden lange Staus verursachen. Hier ein Beispiel aus Berlin vor wenigen Wochen.
Foto: Paul Zinken, dpa | Mit Gewalt gehen Autofahrer teilweise gegen Aktivisten vor, die mit Sitzblockaden lange Staus verursachen. Hier ein Beispiel aus Berlin vor wenigen Wochen.
Sie meinen, der Rechtsstaat sollte konsequent gegen Klima-Aktivisten durchgreifen?

Schwarz: In jedem Fall. Ich halte das auch für ein zutiefst undemokratisches Vorgehen. Bei allem Verständnis für die "Letzte Generation" und das drängende Anliegen des Klimaschutzes: Was mich an der gesamten Vorgehensweise stört – egal ob man sich auf die Straße setzt oder an Kunstwerke festklebt –, ist der Anspruch, selbst eine höhere Legitimität zu haben als alle anderen und damit die Maßnahmen zu rechtfertigen. Das kündigt den demokratischen Grundkonsens auf, wie Entscheidungen in dieser Gesellschaft getroffen werden. Das könnte demnächst jeder für die Durchsetzung seiner, vermeintlich höherwertigen Ziele beanspruchen.

Sie sprechen von "Selbstgerechtigkeit" und "moralischer Überhöhung", obwohl es um die Lebensgrundlagen von uns allen geht...

Schwarz: Ja, das gilt auch dann. Der zentrale Ort für die Behandlung solch drängender Fragen für die Gesellschaft kann nur das Parlament sein. 

Anzeige für den Anbieter YouTube über den Consent-Anbieter verweigert
Und wenn sich Aktivisten auf einen Notstand, hier den Klimanotstand berufen?

Schwarz: Bis auf einen Fall haben die Gerichte das bisher abgelehnt. Denn der Notstand muss eine Situation sein, in der keine andere Abhilfemöglichkeit mehr besteht. Und auch hier ist die Frage: Wird damit nicht einfach der parlamentarische Diskurs ausgeschaltet? Eine legitime Maßnahme gegen einen Notstand setzt voraus, dass sie diesen auch beseitigen kann. Wer sich auf die Straße setzt, trägt nicht unmittelbar zur Beseitigung der Gefahrenlage bei. Deswegen ist eine Notstandsberufung meiner Meinung nach ausgeschlossen.

Das Grundgesetz schützt die Versammlungsfreiheit, wenn sie "friedlich und ohne Waffen" genutzt wird. Das trifft auf Sitzblockaden zu.

Schwarz: Auch die Versammlungsfreiheit wird nicht absolut gesetzt, sie ist beschränkbar. Unter freiem Himmel noch viel mehr als in geschlossenen Räumen. Versammlungen können aufgelöst werden können, wenn sie die Begehung strafbarer Handlungen mit sich bringen. Dann endet der Schutz der Versammlungsfreiheit, sie ist kein Freibrief. Das hat der Gesetzgeber klar geregelt. 

Handelt es sich bei den Straßenblockaden um zivilen Ungehorsam?

Schwarz: Wenn man darunter einen bewussten Rechtsbruch aus Überzeugung versteht – dann würde ich sagen, es handelt sich um eine typische Form der Gewissenstat. Für die Konsequenzen müssen die Täter dann auch einstehen.

Die Union fordert härtere Strafen, Haft ohne Bewährung. Braucht es eine Verschärfung?

Schwarz: Nein, das glaube ich nicht. Die bestehenden Strafrahmen sind für die gemeinschaftlich begangene Nötigung ausreichend. Mit dem gegebenen Spielraum – zwischen Geldstrafe und mehrjähriger Haft – kann man alle diese Fälle hinreichend einfangen. Dieser Antrag war wohl eher ein Akt symbolischer Gesetzgebung.

Ist es verhältnismäßig, wenn in Bayern Aktivisten wochenlang in Präventivhaft oder "Unterbindungsgewahrsam" genommen werden?

Schwarz: Das ist eine Bewährungsprobe für den Rechtsstaat. Es braucht hier Maß und Mitte. Wenn man jemanden für eine Ankündigung, sich erneut festzukleben, gleich für vier Wochen in Gewahrsam nimmt, scheint mir das unverhältnismäßig. Aber das Mittel als solches hat seinen Sinn. Wird, wie zuletzt in Berlin, ein offenkundiger Rechtsbruch angekündigt, kann eine Woche Gewahrsam eine angemessene und zulässige Reaktion sein. Man muss immer den Einzelfall anschauen.

"Kellergespräch" am 11. Mai: Wie weit dürfen Proteste gehen?

Straßenblockaden und andere Klima-Aktionen sind Thema beim nächsten "Kellergespräch" von Main-Post und Juristen-Alumni der Universität Würzburg: Es um die rechtlichen Folgen von illegalen Klimaprotesten, die Entwicklung der letzten Monate, die Herausforderungen für den Rechtsstaat und die Motivation der Aktivistinnen und Aktivisten.
Die Podiumsveranstaltung findet statt am Donnerstag, 11. Mai, um 19 Uhr in der Alten Universität, Domerschulstraße 16, in Würzburg. Aus technischen Gründen wird das Gespräch vom Max-Stern-Keller in den Hörsaal 1 verlegt. Neben Jura-Professor Kyrill-Alexander Schwarz diskutieren Rechtsanwalt Dr. Eric Weiser-Saulin, Johanna Sing und Jörg Peter als Vertreter der "Letzten Generation" und Gastgeber Prof. Eric Hilgendorf (Juristen-Alumni). Es moderiert Main-Post-Redakteur Andreas Jungbauer, der Eintritt ist frei.
aj
 
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  • A. S.
    Die Mitglieder der nächsten Degeneration möchten doch nur in die aktuellen Medien kommen, um nationale Bekanntheit zu erringen.
    Man sollte ihnen entgegen kommen und bei ihrer Inhaftierung einige Fotos machen.
    Die Kosten der Räumaktionen sollten nach dem Verursacherprinzip den Klebern verrechnet werden. So hätten die Mitglieder der Endzeit-Sekte das Gefühl , einen wichtigen und visionären Beitrag für ihr Anliegen geleistet zu haben. Und der Rest der Bevölkerung müsste sich nicht mehr über substanzlose Nötigungen ärgern.
    Also eine klare WIN - WIN Situation für beide Parteien.
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  • M. S.
    Die Tage war Carla Hinrichs von der Letzten Generation mit Philipp Amthor (CDU) bei der Maischberger. Das Thema - klar - die Proteste.

    Der Amthor meinte zur Hinrichs, ihn fasziniere es, wie radikal der Protest der LGG sei, aber dazu im krassen Widerspruch gering deren Forderungen. Anstelle dieser geringen Forderungen hätten sie mal dafür protestieren sollen, die Atomkraftwerke weiter zu betreiben, das würde viel mehr CO2 einsparen als das, was die LGG aktuell fordert. Die Hinrichs saß nur da mit offener Kinnlade und brachte kein sinnvolles Wert mehr heraus!
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  • A. F.
    Die Klima-Sektierer wollen sich weiterhin auf der Straße festkleben!?

    Bitte sehr!

    Sollen sie doch!

    Dann aber sollte die Ordnungskräfte in Zukunft anders vorgehen:

    Wenn diese Klima-Sektierer z. B. alle Fahrspuren einer 4 spurigen Straße durch Festkleben blockieren, dann sollte die Polizei 2 Fahrspuren räumen, dass der Verkehr, wenn auch eingeschränkt, wieder rollen kann und die restlichen Klima-Sektierer einfach an Ort und Stelle kleben lassen, mal so ein paar Tage.

    Aber bitte sehr so, dass diese in keinster Weise Unterstützung von Außen bekommen!

    Wirklich in keinster Weise!

    Mal sehen, wie lange diese Klima-Sektierer dann noch weitermachen ...
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  • K. F.
    ich finde es schlicht weg so langsam unverschämt was sich diese "letzte Generation" alles erlaubt. Mit Klimaschutz hat dies schon lange nichts mehr zu tun, nur das "Ego" zählt. Es grenzt schon zum großen Teil an Randalismus.
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  • A. G.
    Ach ja für das Klima auf die Straße kleben und dann mit dem Handy spielen, wo bitte bleibt da der Klimaschutz ( zu sehen auf einem der Bilder) ? Können sie sich das Ladekabel zum aufladen in den Hintern oder in die Nase stecken oder brauchen sie doch die Steckdose (Strom) dafür?
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  • M. Z.
    Der Stromverbrauch der Handys ist da gar nicht so schlimm. Die sind auf niedrigen Verbrauch optimiert.
    Man sollte aber die Handy-Infrastruktur, "das Internet" und "die Cloud" nicht vergessen.
    Weil man heutzutage ja immer und überall ein einwandfreies Netz "braucht" und es immer schneller gehen muß, werden jede Menge Rohstoffe und Energie für immer mehr Feststationen gerbaucht und diese bald wieder gegen neuere ausgetauscht.
    Speziell um die ganzen Filme in immer größerer Auflösung durch die Gegend zu schicken und zu speichern braucht es jede Menge Rohstoffe, Seltene Erden & Co. und Energie.
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  • M. Z.
    Ja, die Letzten könnten mit gutem Beispiel vorangehen und zumindest dauerhaft auf Video-Streaming, besser insgesamt auf Streaming, noch besser ganz auf Smartphones verzichten. Dadurch würden sie Umwelt und Klima wirklich was Gutes tun.
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  • A. F.
    Hoffen wir doch mal, dass der Strom klimaneutral produziert worden ist, mit denen diese Klima-Sektierer ihre Smartphones laden ...

    Wäre ja unerhört, wenn der Strom mit Braunkohle produziert worden ist ...
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  • M. E.
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  • G. L.
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  • P. P.
    Wer sich gegen geltendes Recht vergeht,
    sollte auch die Härte des Gesetzes spüren.
    Einige wenige tanzen der restlichen Gesellschaft
    auf dem Kopf herum.
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  • G. S.
    Und wieder das übliche Greenwashing bzw. Framing durch die MP bereits in der Überschrift.

    Das sind keine Aktivisten sondern schlicht und einfach Straftäter.
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  • G. W.
    Dann stell doch mal die allgemeinen Verbrechen gegen die natürlichen Lebensgrundlagen in Relation, schnauf tief durch und denk drüber nach...
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  • L. S.
    Whataboutismus in Reinkultur. Auch Vergehen gegen Umweltgesetze werden in Deutschland geahndet .
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  • D. P.
    Klimaschutz hat mit Umweltschutz nichts zu tun. Oft stehen sie sich konträr gegenüber.
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  • G. W.
    About what?
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  • H. K.
    Es ist ein Verbrechen der Jugend derartig Angst zu machen und sie so um eine unbeschwerte Kindheit und Jugend zu bringen. Die gleichen Clowns haben uns vor 40 Jahren erklärt eine Eiszeit stünde bevor, gottlob hat sie damals keiner ernst genommen.
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  • G. W.
    Schlaf ' einfach weiter...
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  • H. K.
    Sicher nicht, diese Kleber sind ein Sinnbild für die grüne Tyrannei, das Maß ist langsam voll.
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  • D. P.
    Diese Kleber sind ein Symptom einer gescheiterten Klimapolitik. Der Erhalt unserer Lebensgrundlagen ist kein Parteiprogramm, sondern rechtlich bindend für alle Parteien.
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