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Eibelstadt
Steuerklassen 3/5 oder 4/4? Was Steuerexpertin Monique Reis Ehepaaren rät und was sie am Splitting stört
Wenn Ehepartner unterschiedlich viel verdienen, wählen sie meist die Steuerklassen 3 und 5. Professorin Monique Reis warnt: Für einen von beiden hat das gravierende Folgen.
Prof. Dr. Monique Reis aus Eibelstadt (Lkr. Würzburg) ist Steuerberaterin und Professorin für Betriebswirtschaft mit Schwerpunkt Rechnungswesen an der Hochschule Fulda.
Foto: Nicole Dietzel | Prof. Dr. Monique Reis aus Eibelstadt (Lkr. Würzburg) ist Steuerberaterin und Professorin für Betriebswirtschaft mit Schwerpunkt Rechnungswesen an der Hochschule Fulda.
Andreas Jungbauer
 |  aktualisiert: 31.03.2024 03:42 Uhr

Bei vielen berufstätigen Ehepaaren sorgt die Frage für wiederkehrende Diskussionen: Lohnsteuerklassen 3 und 5 – oder doch beide die Steuerklasse 4? Die Ampelkoalition hatte sich vorgenommen, für verheiratete Angestellte die oft steuergünstige Aufteilung in die Klassen 3 und 5 abzuschaffen. Prof. Monique Reis befürwortet dies. Die 58-Jährige aus Eibelstadt (Lkr. Würzburg) ist Steuerberaterin und Professorin für Betriebswirtschaft mit Schwerpunkt Rechnungswesen an der Hochschule Fulda. Im Interview erklärt sie Vor- und Nachteile des Systems.

Frage: Steuerklasse 3 für den Besserverdienenden, die Steuerklasse 5 für den Ehepartner mit geringerem Lohn. Ist da was falsch dran? 

Prof. Monique Reis: Liegen die Einkünfte der Ehepartner entsprechend weit auseinander, ist dies aus ihrer Sicht mit Sicherheit sinnvoll – wenn sie einen Liquiditäts- oder Zinsvorteil unter dem Jahr erzielen wollen.

Das heißt, als Paar hat man dann zusammen zunächst mal mehr Netto vom Brutto.

Reis: Dies ist zutreffend. Bei den Steuerklassen 3 und 5 bleibt ihnen in Summe unter dem Strich während des Jahres mehr übrig, als wenn beide die Steuerklasse 4 wählen.

Trotzdem halten Sie die 3/5-Aufteilung für problematisch. Warum?

Reis: Es gibt Gründe, die gegen die Wahl von 3 und 5 sprechen. Der besserverdienende Ehepartner bekommt durch die Steuerentlastung verhältnismäßig zu viel Netto, der geringverdienende Ehepartner durch die Steuerbelastung zu wenig Netto.

Das kann man ja untereinander ausgleichen, oder?

Reis: Ein Ausgleich unter den Ehepartnern wäre eine Lösung. Der besserverdienende Ehepartner überweist den Differenzbetrag monatlich an seinen Ehepartner. Denkbar wäre auch eine Einzahlung zur Altersversorgung des Ehepartners, falls dies finanziell möglich ist. Ich kenne Paare, die das machen. Viele machen es nicht. 

Und wenn man sich als Paar darüber nicht verständigt, hat der Geringverdiener das Nachsehen?

Reis: Sie müssen auch den psychologischen Effekt bedenken. Wenn jemand nur so wenig Netto von seinem Bruttolohn behält, ist das alles andere als motivierend. Er oder sie entscheidet sich dann vielleicht, die Arbeitszeit noch weiter zu reduzieren oder ganz aufzuhören, weil sich das Arbeiten "gefühlt" nicht lohnt. Und das hat dann später gravierende Folgen für die Rentenansprüche. Meistens trifft das die Frauen. Die monatliche Durchschnittsrente einer Frau in Deutschland liegt bei 800 Euro, das ist einfach zu wenig. Auch ein Platz im Pflegeheim lässt sich damit nicht finanzieren. In Folge müssen diese Kosten in der Regel von den Steuerzahlern getragen werden.

Bei einer wachsenden Zahl an Rentnerinnen und Renter bräuchten wir möglichst viele Menschen in Arbeit...

Reis: Natürlich. Alle, die aktuell in die Kassen einzahlen, sichern über das Umlageverfahren die heutigen Renten. Aber auch der Krankenversicherung gehen wertvolle Beiträge verloren, wenn sich Menschen aus dem Arbeitsleben zurückziehen. Derzeit unterbricht der Fachkräftemangel die Wertschöpfungskette der Unternehmen. Der Wohlstand sinkt.

Kann die Wahl der Steuerklassen 3 und 5 auch konkrete finanzielle Nachteile bringen?

Reis: Ja, insbesondere in den Fällen, in denen staatliche Transferleistungen, wie zum Beispiel das Elterngeld, sich am letzten Nettoverdienst orientieren.

Aber ansonsten wird doch über die Einkommenssteuererklärung am Jahresende die korrekte Steuerlast festgestellt und mit Rückerstattung oder Nachzahlung ausgeglichen? 

Reis: Dem Steuerzahler sollte klar sein, dass die Steuerklassen 3 und 5 nur eine Vorauszahlung auf die Jahressteuerschuld sind – vergleichbar mit den Abschlagszahlungen beim Strom. Am Jahresende müssen Sie nachzahlen oder Sie bekommen eine Erstattung. Auf das Jahr bezogen ist die Steuerschuld identisch – unabhängig davon, ob Sie während des Jahres 4/4 oder 3/5 haben.

Und wie ist es mit den Selbstständigen?

Reis: Bei Ehepaaren, die beide selbständig arbeiten, gibt es keine Steuerklassen. Deren Einkommensteuervorauszahlung bemisst sich nach den Einkünften bzw. der Steuerzahlung des Vorjahres. Für Selbständige kommt die Möglichkeit einer Steuerermäßigung nur infrage, wenn ein entsprechender Antrag auf Herabsetzung der Vorauszahlung gestellt wird.

Welche Ideen hätten Sie als Fachfrau für mehr Steuergerechtigkeit?

Reis: Die Steuerklassen 3 und 5 sind aufgrund des Splittingtarifs vorteilhaft. Dieser kann bei Ehepaaren mit stark abweichenden Gehältern zu einer Steuerersparnis von mehreren Tausend Euro im Jahr führen. Das Ehegattensplitting existiert seit Jahrzehnten. Aber die Gesellschaft hat sich verändert. Arbeiten, Kinder und Pflege sowie eine angemessene Altersversorgung müssen bewältigt werden. Der Splittingtarif sollte vollständig abgeschafft werden. Dadurch werden finanzielle Mittel frei. Für Familien mit Kindern, pflegende Angehörige sowie Menschen mit Einschränkungen – unabhängig von einer ehelichen Gemeinschaft.

Auch andere Lebensgemeinschaften sind einzubeziehen, wenn die genannten Kriterien erfüllt sind. Parallel sollte die Politik eine Steuerentlastung in Erwägung ziehen. Die Steuerbelastung ist für den Mittelstand in Deutschland – im Vergleich zu anderen Ländern – zu hoch. Dieser Mittelstand trägt maßgeblich zum Steueraufkommen bei. Die hohe Steuerbelastung hemmt die Motivation, den Arbeitsumfang zu erhöhen bzw. Wertschöpfung zu betreiben.

 
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Kommentare
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  • Gerhard Zwierlein
    Im Falle einer drohenden Arbeitslosigkeit sollte man rechtzeitig vor dem neuen Jahr dem Arbeitslosen die günstigere Steuerklasse geben. Ebenso bei Schwangerschaft - erhöht das Netto und damit das Mutterschaftsgeld. Die Steuerklasse selbst ist letztendlich egal, die falsche Steuer im Abzugsverfahren wird bei der Steuererklärung wieder ausgeglichen. Was viele vergessen: es mag eine "schlechtere" Steuerklasse mit einem zu hohen Steuerabzug während des Jahres geben, aber keine "schlechtere" Steuer. Die Einkommensteuer wird immer zutreffend festgesetzt: war der Lohnsteuerabzug im Vorfeld zu hoch, da eine ungünstige Steuerklasse gewählt wurde, gibts eine höhere Anrechnung.
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  • Ralf Eberhardt
    Diese Perspektive lässt vermuten, dass Frau Professorin nicht verheirate ist. Denn Verheiratete wissen das Splitting zu schätzen.....
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  • Fabian König
    Ihre Perspektive lässt vermuten, dass Sie den Artikel nicht verstanden haben.
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  • Verheiratete wissen das Splitting nur dann zu schätzen, wenn es einen deutlichen Einkommensunterschied gibt. Ansonsten bringt es nämlich nichts.
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  • Stefan Wolz
    So will es doch unsere aktuelle Regierung. Wer was bezahlt ist doch nicht so wichtig. Aber es gibt doch nichts schlimmeres als wenn ein Elternteil zuhause bleibt und sich um die Kindeserziehung kümmert
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  • Stefan Wolz
    Was für ein kaltes und steriles Bild von Ehe.... Da gehen auf Dauer sowieso die Steuerzahlenden aus, weil keine mehr geboren werden. Will man den Menschen jetzt überall reinreden? Wo ist das Problem, wenn man später seine Rente mit Bürgergeld aufbessert? Bürgergeld entwickelt sich doch schon jetzt als feste Einkommenssäule....
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  • Helga Scherendorn
    aber die wo arbeiten, sollen auch schön viel einzahlen, dass es am Ende auch für diejenigen reicht, die nicht arbeiten wollen. Habe ich es so richtig verstanden?
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