Bei vielen berufstätigen Ehepaaren sorgt die Frage für wiederkehrende Diskussionen: Lohnsteuerklassen 3 und 5 – oder doch beide die Steuerklasse 4? Die Ampelkoalition hatte sich vorgenommen, für verheiratete Angestellte die oft steuergünstige Aufteilung in die Klassen 3 und 5 abzuschaffen. Prof. Monique Reis befürwortet dies. Die 58-Jährige aus Eibelstadt (Lkr. Würzburg) ist Steuerberaterin und Professorin für Betriebswirtschaft mit Schwerpunkt Rechnungswesen an der Hochschule Fulda. Im Interview erklärt sie Vor- und Nachteile des Systems.
Prof. Monique Reis: Liegen die Einkünfte der Ehepartner entsprechend weit auseinander, ist dies aus ihrer Sicht mit Sicherheit sinnvoll – wenn sie einen Liquiditäts- oder Zinsvorteil unter dem Jahr erzielen wollen.
Reis: Dies ist zutreffend. Bei den Steuerklassen 3 und 5 bleibt ihnen in Summe unter dem Strich während des Jahres mehr übrig, als wenn beide die Steuerklasse 4 wählen.
Reis: Es gibt Gründe, die gegen die Wahl von 3 und 5 sprechen. Der besserverdienende Ehepartner bekommt durch die Steuerentlastung verhältnismäßig zu viel Netto, der geringverdienende Ehepartner durch die Steuerbelastung zu wenig Netto.
Reis: Ein Ausgleich unter den Ehepartnern wäre eine Lösung. Der besserverdienende Ehepartner überweist den Differenzbetrag monatlich an seinen Ehepartner. Denkbar wäre auch eine Einzahlung zur Altersversorgung des Ehepartners, falls dies finanziell möglich ist. Ich kenne Paare, die das machen. Viele machen es nicht.
Reis: Sie müssen auch den psychologischen Effekt bedenken. Wenn jemand nur so wenig Netto von seinem Bruttolohn behält, ist das alles andere als motivierend. Er oder sie entscheidet sich dann vielleicht, die Arbeitszeit noch weiter zu reduzieren oder ganz aufzuhören, weil sich das Arbeiten "gefühlt" nicht lohnt. Und das hat dann später gravierende Folgen für die Rentenansprüche. Meistens trifft das die Frauen. Die monatliche Durchschnittsrente einer Frau in Deutschland liegt bei 800 Euro, das ist einfach zu wenig. Auch ein Platz im Pflegeheim lässt sich damit nicht finanzieren. In Folge müssen diese Kosten in der Regel von den Steuerzahlern getragen werden.
Reis: Natürlich. Alle, die aktuell in die Kassen einzahlen, sichern über das Umlageverfahren die heutigen Renten. Aber auch der Krankenversicherung gehen wertvolle Beiträge verloren, wenn sich Menschen aus dem Arbeitsleben zurückziehen. Derzeit unterbricht der Fachkräftemangel die Wertschöpfungskette der Unternehmen. Der Wohlstand sinkt.
Reis: Ja, insbesondere in den Fällen, in denen staatliche Transferleistungen, wie zum Beispiel das Elterngeld, sich am letzten Nettoverdienst orientieren.
Reis: Dem Steuerzahler sollte klar sein, dass die Steuerklassen 3 und 5 nur eine Vorauszahlung auf die Jahressteuerschuld sind – vergleichbar mit den Abschlagszahlungen beim Strom. Am Jahresende müssen Sie nachzahlen oder Sie bekommen eine Erstattung. Auf das Jahr bezogen ist die Steuerschuld identisch – unabhängig davon, ob Sie während des Jahres 4/4 oder 3/5 haben.
Reis: Bei Ehepaaren, die beide selbständig arbeiten, gibt es keine Steuerklassen. Deren Einkommensteuervorauszahlung bemisst sich nach den Einkünften bzw. der Steuerzahlung des Vorjahres. Für Selbständige kommt die Möglichkeit einer Steuerermäßigung nur infrage, wenn ein entsprechender Antrag auf Herabsetzung der Vorauszahlung gestellt wird.
Reis: Die Steuerklassen 3 und 5 sind aufgrund des Splittingtarifs vorteilhaft. Dieser kann bei Ehepaaren mit stark abweichenden Gehältern zu einer Steuerersparnis von mehreren Tausend Euro im Jahr führen. Das Ehegattensplitting existiert seit Jahrzehnten. Aber die Gesellschaft hat sich verändert. Arbeiten, Kinder und Pflege sowie eine angemessene Altersversorgung müssen bewältigt werden. Der Splittingtarif sollte vollständig abgeschafft werden. Dadurch werden finanzielle Mittel frei. Für Familien mit Kindern, pflegende Angehörige sowie Menschen mit Einschränkungen – unabhängig von einer ehelichen Gemeinschaft.
Auch andere Lebensgemeinschaften sind einzubeziehen, wenn die genannten Kriterien erfüllt sind. Parallel sollte die Politik eine Steuerentlastung in Erwägung ziehen. Die Steuerbelastung ist für den Mittelstand in Deutschland – im Vergleich zu anderen Ländern – zu hoch. Dieser Mittelstand trägt maßgeblich zum Steueraufkommen bei. Die hohe Steuerbelastung hemmt die Motivation, den Arbeitsumfang zu erhöhen bzw. Wertschöpfung zu betreiben.