Im Februar überraschte das Hamburger Wochenblatt „Die Zeit“ die Würzburger mit der Nachricht, der hiesige öffentliche Personennahverkehr (ÖPNV) sei so gut wie kaum anderswo in der Republik. Stolz präsentierten WVV-Geschäftsführer Thomas Schäfer und Stadtkämmerer die Nachricht der Öffentlichkeit.
Die Überraschung war groß, weil die Zahl der Würzburger Bus- und Straßenbahnpassagiere in den vergangenen 15 Jahren um 20 Prozent gesunken ist, während sie bundesweit im gleichen Zeitraum um 30 Prozent stieg.
Studie: „Nur zwei Städte besser“
Grundlage der „Zeit“-Geschichte war eine Erhebung des Berliner Beratungsunternehmens Civity. Das teilt mit, es habe „alle angebotenen Haltestellenabfahrten“ in einer Stadt ermittelt und auf die Einwohnerzahl umgerechnet. In Würzburg habe das 35 Abfahrten pro 100 Einwohner ergeben. Nur zwei der 55 untersuchten Städte seien besser, Bonn und Dresden.
Der Arbeitskreis Mobilität der Lokalen Agenda 21 hält von der Studie ebenso wenig die Filiale Mainfranken-Rhön des Verkehrsclub Deutschland (VCD). Entscheidend finden beide, ob die Bevölkerung umsteigt vom Auto auf Bus und Straßenbahn. Die WSB aber hat in den Jahren 2000 bis 2015 insgesamt 41 Millionen Fahrgäste verloren. Im Jahr 2016 stieg die Zahl der Passagiere um zwei Prozent, auf rund 30 Millionen.
VCD und Lokale Agenda halten die Zahl der Abfahrten nicht für ein Qualitätskriterium. Städte mit vielen und ineffektiven Buslinien kämen besser weg als Städte mit mehr Schienenverkehr, obwohl die umweltfreundlichen Straßenbahnen, S- und U-Bahnen mit weniger Fahrten mehr Passagiere transportieren.
Drastisches Beispiel ist Köln, das der Civity-Studie zufolge halb auf Busse, halb auf Schiene setzt und mit einem Schnitt von 17 Abfahrten pro 100 Bürger am schlechtesten abschneidet. Städte mit stetig wachsenden Zahlen von ÖPNV-Fahrgästen wie Freiburg und Augsburg landen nur im Mittelfeld.
Der bundesweit renommierte Verkehrsplaner Thomas Naumann, Sprecher des Arbeitskreises Mobilität der Lokalen Agenda, kritisiert die Studie als Schlamperei und Zahlenklauberei.
Civity hat die Zahl der Erstwohnsitze – rund 125000 - als Berechnungsgrundlage genommen. Naumann zufolge aber haben sich in Würzburg etwa 28000 der rund 40000 Studierenden - Intensiv-Nutzer von Bus und Straba - nur mit einem Nebenwohnsitz angemeldet. Er beruft sich auf Erhebungen innerhalb der Universität.
Weil das städtische Einwohnermeldeamt Berufe nicht erfasst, kann die Stadt Naumanns Zahlen weder bestätigen noch dementieren. Dem Rathaus zufolge sind in Würzburg auf jeden Fall rund 15 000 Zweitwohnsitze gemeldet.
Stimmen die Zahlen, dann wohnen viele Tausend Studierende im Umland. In der Studie kommen sie nicht vor. Wären sie eingerechnet, meint Naumann, landete Würzburg im unteren Mittelfeld der Studie.
Ungewiss scheint die Richtigkeit des Civitiy-Zahlenwerks auch wegen der Zahl der Haltestellen. Civity-Sprecher Stefan Weigele gibt an, das Unternehmen habe 310 Haltestellen erfasst. Aber der WSB zufolge gibt es in Würzburg 89 Straba- und rund 500 Bushaltestellen. Unsere Redaktion kam beim Nachzählen auf knapp 460 Bushaltestellen. Naumann geht davon aus, dass Civity in Würzburg und anderswo bei der Datenerfassung „geschlampt“ hat.
Weigele besteht auf die Korrektheit seiner Zahlen. Die WSB habe nicht die Zahl der Haltestellen, sondern die Zahl der Haltepunkte genannt. Von einer Haltestelle gehe der Verkehr in zwei Richtungen ab, von einem Haltepunkt - wie bei der Straßenbahn in Grombühl - nur in eine Richtung. Eine Haltestelle bestehe also aus ein oder zwei Haltepunkten.
Der VCD vermutet, die WSB wolle mit der Studie „von eigenen Versäumnissen ablenken“. Naumann schreibt: „Civity hat mit großem Pulverdampf ein Papier vorgelegt, das mit keinerlei verwertbaren und aussagekräftigen Ergebnissen aufwarten kann.“