Die Ausgaben seien schlicht zu hoch, sagt der Bund der Steuerzahler zum geplanten Umzug des Staatsarchivs Würzburg nach Kitzingen und hat die Behördenverlagerung ins jährliche Schwarzbuch Bayern aufgenommen. Wie sieht der Archivdirektor, Dr. Klaus Rupprecht, den Vorwurf der Steuerverschwendung?
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Frage: Die Verlagerung des Staatsarchivs sei Steuerverschwendung, sagt der Steuerzahlerbund. Finden Sie das auch?
Klaus Rupprecht: Das Staatsarchiv Würzburg hat nur mehr für zwei oder drei Jahre die Möglichkeit, archivwürdiges Schriftgut aus den staatlichen Behörden in Unterfranken aufzunehmen - eine unserer Kernaufgaben. Dann sind unsere räumlichen Kapazitäten erschöpft. Dies bedeutet, dass wir in jedem Fall einen Erweiterungsbau oder Neubau benötigen. Mit Blick auf eine konservatorisch sichere und klimatisch optimale Lagerung ist das auch erstrebenswert. Etwas anderes ist die Frage des Standorts. Die Entscheidung für Kitzingen war eine strukturpolitische. Sie wurde ohne archivfachlichen Rat getroffen. Als staatliche Archivverwaltung müssen wir mit ihr umgehen und das Beste daraus machen.
Und der Vorwurf der Steuerverschwendung?
Rupprecht: Erste tatsächlich belastbare Berechnungen des Staatlichen Bauamts Würzburg für einen Neubau in Kitzingen auf dem ausgewählten Grundstück gehen von Gesamtkosten von etwa 63,5 Millionen Euro aus. Das Argument der Kostensteigerung kann ich nicht nachvollziehen. Die Behauptung, diese Summe für nur 20 Arbeitsplätze sei unverhältnismäßig, ist strukturpolitisch sicherlich bedenkenswert. Für denselben Betrag könnte man wohl einen Neubau für eine personell viel größere Behörde bewerkstelligen. Wer allerdings ein Staatsarchiv verlegt, muss wissen, dass es in erster Linie um die konservatorisch und vor jeder Art von Schaden sichere Verwahrung von Kulturgut geht, in unserem Fall immerhin nach aktuellen Planungen für Kitzingen über 40.000 Laufmeter an Schriftdokumenten. Darüber hinaus streben wir eine allen modernen Ansprüchen genügende Zugänglichmachung unseres Archivguts an.
Was spricht für Würzburg?
Rupprecht: Hauptargument ist der eine zentrale Forschungs- und Behördenstandort in Unterfranken. Nachteile entstehen vor allem für unsere zahlreichen Nutzer, die weitere Wege hinnehmen werden müssen. Viele genießen den Umstand, dass sie an einem Tag bequem sowohl bei uns wie auch etwa im Stadtarchiv oder im Diözesanarchiv forschen können. Wir fürchten Verluste an Forschern, etwa Studenten, die sich künftig möglicherweise Themen für ihre wissenschaftlichen Qualifikationsarbeiten suchen, die sie mit Hilfe anderer Archive in Würzburg bearbeiten können.
Könnte es künftig Komplikationen in der Zusammenarbeit mit den anderen Einrichtungen geben?
Rupprecht: Natürlich entstehen auch für unsere konkrete Arbeit Nachteile, insbesondere bei den aktuell relativ einfach möglichen Registratur- und Aussonderungskontakten mit den vielen Behörden in Würzburg, zum Beispiel der Regierung von Unterfranken. Wir sind auch eng vernetzt mit der Universität, die zum Teil Kurse bei uns abhält, und mit den anderen großen Archiven in Würzburg. Ich erinnere nur an die gemeinsame Ausstellung mit dem Stadtarchiv zur Revolution 1918/19 oder aktuelle Verhandlungen zur Gründung eines Notfallverbundes.
Wie ist die Stimmung unter Ihren Mitarbeitern?
Rupprecht: Die ist natürlich belastet, bedrückt. Kaum jemand verlässt den zentrumsnahen und äußerst repräsentativen Arbeitsplatz in Würzburg gerne. Zudem sind durch die Verlagerungs- und Umzugsplanungen schon jetzt viele neue Aufgaben entstanden, die den Arbeitsalltag zusätzlich belasten. Mit großem Respekt stelle ich fest, dass dennoch alle mit viel Motivation und Fachkenntnis ihre Aufgaben erledigen und der Zusammenhalt sehr groß ist. Nur so können wir diese schwierige Situation überstehen. Das wird von uns auch erwartet.
Welche Herausforderungen bringt die geplante Verlagerung mit sich?
Rupprecht: Die Verlagerungspläne haben schon jetzt starke Auswirkungen auf den Arbeitsalltag. Wir haben Strategien entwickelt, wie wir das Archivgut, aktuell rund 8,5 Millionen Einheiten, konservatorisch bestmöglichst verpacken, so dass es gut umgezogen und am Zielstandort aufgestellt werden kann. Unsere zum Teil noch analogen, also handschriftlichen oder maschinenschriftlichen Findmittel zu den Beständen müssen in Datenbanken eingegeben werden, als Voraussetzung dafür, dass sie auch online zur Verfügung gestellt werden können. Das sind Arbeiten, mit welchen wir auch sonst beschäftigt sind; jetzt kommt aber der Zeitdruck dazu. Wir haben dafür jedoch zusätzliche, zeitlich befristet eingestellte Beschäftigte bekommen, die unseren Personalstamm von 15 Mitarbeitern ergänzen.
Steht eine Digitalisierung des Archivguts an?
Rupprecht: Die Digitalisierung von Archivgut, so dass Findmittel und Originale online einsehbar sind, ist natürlich eine weitere Option. Mit Blick auf die Menge des vorhandenen Schriftguts, die rechtlichen Probleme, etwa bei personenbezogenen Schutzfristen, und die vorhandenen finanziellen und personellen Ressourcen haben wir hier eine langfristige Mammutaufgabe vor uns.
Welches Archivgut wird nicht digitalisiert?
Rupprecht: Bei Aktenübernahmen von den Behörden ist es für uns keine Option, die papierenen Akten zu digitalisieren und das Original dann zu vernichten. Dies wäre auf die Dauer viel teurer. Und es würde für den forschenden Historiker auch viele Probleme gerade in Bezug auf die Authentizität der Unterlagen mit sich bringen. Unsere zukunftsweisende Strategie ist einerseits Papierakten als solche zu archivieren und andererseits bereits von Beginn an digital geführte Akten in unser digitales Archiv zu übernehmen.