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Greußenheim
Sprengungen im Steinbruch: Hat die Gewerbeaufsicht einen Fehler gemacht?
In Roßbrunn wird gesprengt, in Greußenheim wackelt die Siedlung, sagen Betroffene. Eine Beschwerde hat das Gewerbeaufsichtsamt überprüft. Wie glaubhaft sind die Ergebnisse?
Im Steinbruch der Firma Benkert bei Roßbrunn wird Muschelkalk abgebaut und Gesteinsschichten immer wieder gesprengt. Sind die Detonationen so stark, dass sie im benachbarten Greußenheim Schäden verursachen können?
Foto: Thomas Fritz | Im Steinbruch der Firma Benkert bei Roßbrunn wird Muschelkalk abgebaut und Gesteinsschichten immer wieder gesprengt. Sind die Detonationen so stark, dass sie im benachbarten Greußenheim Schäden verursachen können?
Thomas Fritz
 |  aktualisiert: 08.02.2024 12:31 Uhr

Hat das Gewerbeaufsichtsamt bei der Überprüfung der Sprengungen im Roßbrunner Benkert-Steinbruch ein Auge zugedrückt? Nach der Beschwerde von Friedrich Hetzer aus Greußenheim über eine gewaltige Detonation im Steinbruch, die so stark gewesen sein soll, dass die Glasscheibe in seiner Wohnzimmervitrine gesprungen ist, haben Angestellte des Gewerbeaufsichtsamtes die Erschütterungen gemessen. Aber nicht am Fundament des Wohnhauses von Friedrich Hetzer in der Jägerstraße, wie es eine DIN-Norm eigentlich vorsieht. Sondern an der Wanderer-Hütte zwischen Greußenheim und Hettstadt, gut 450 Meter von der Jägerstraße entfernt.

Die Hetzers und ihre Nachbarn im Wohngebiet leben schon mehr als vier Jahrzehnte mit dem Steinbruch. Dass dort gesprengt wird, störe sie nicht, betonen sie. Auch hätten sie nichts gegen den Steinbruch. Aber manche Sprengungen seien derart heftig, dass Kinder Angst bekämen. Sie erzählen von Rissen in den Wänden, klirrenden Gläsern oder klappernden Tellern. "Wenn in Roßbrunn gesprengt wird, wackelt in Greußenheim die Siedlung", treibt es Friedrich Hetzer auf die Spitze. Er hat sich beim Landratsamt beschwert. 

Warum wurden die Erschütterungen nicht am betroffenen Wohnhaus gemessen?

Die Behörde hat reagiert und die Gewerbeaufsicht, die der Regierung von Unterfranken angegliedert ist, hat die Erschütterungen gemessen. Das Ergebnis ernüchtert Friedrich Hetzer. Sein Gefühl, die Detonationen seien derart stark gewesen, dass sie sogar die Glasscheibe zu spüren bekam, bestätigten die Ergebnisse nicht. Im Gegenteil: Die Schwinggeschwindigkeiten der Messungen erreichten gerade einmal 10,6 Prozent und 7,8 Prozent des zulässigen Wertes. Damit seien sie so geringfügig gewesen, dass die geschilderten Glas- und Gebäudeschäden nicht durch die Sprengerschütterungen verursacht worden sein können, teilt das Landratsamt mit. 

Sprengungen im Steinbruch: Hat die Gewerbeaufsicht einen Fehler gemacht?

Friedrich Hetzer will sich damit nicht zufrieden geben. Die Mess-Stelle an der Wanderer-Hütte sei ihm gar nicht bekannt, schreibt er ans Landratsamt. Der Greußenheimer meint auch, dass sein Wohnhaus und viele andere im Wohngebiet Eselsweg sich auf der gleichen Meereshöhe wie der Steinbruch befänden. "Die von uns angesprochenen Erschütterungen durch die Sprengungen der Firma Benkert können somit unter Umständen zu einer ganz anderen Veränderung in der Bodenstruktur führen, als an der von Ihnen angesprochenen Messstation", teilt er dem Amt mit.

Ein Experte vom bayerischen Sprengverein stimmt Hetzer zu. "Freifeldmessungen geben nur an dieser Stelle einen Erschütterungswert wieder", sagt Richard Lankes. Freilich könnte dieser am Wohnhaus von Friedrich Hetzer ganz anders sein als an der Wanderer-Hütte. Deshalb gebe es auch die DIN-Norm 4150. "Verwertbare Messungen sind immer am Gebäude, am Fundament oder auf Deckenebene durchzuführen", so Lankes.  

Regierung will für weitere Messungen kein Geld ausgeben

"Die Mess-Stelle an der Wanderer-Hütte liegt vom Steinbruch Roßbrunn aus in nordwestlicher Richtung zu Greußenheim und damit auch in Richtung des Wohnhauses von Friedrich Hetzer", begründet Johannes Hardenacke, Pressesprecher der Regierung von Unterfranken, das Vorgehen des Gewerbeaufsichtsamtes. Das laut DIN-Norm am Wohnhaus gemessen werden sollte, sei auch der Gewerbeaufsicht bekannt. Aber, warum wurde sie dann nicht angewandt?

Friedrich Hetzer aus Greußenheim steht im Wohnzimmer seines Hauses und zeigt auf den Sprung in der Glasscheibe der Vitrine. Die Ursache führt er auf Sprengungen im Steinbruch Roßbrunn zurück.
Foto: Thomas Fritz | Friedrich Hetzer aus Greußenheim steht im Wohnzimmer seines Hauses und zeigt auf den Sprung in der Glasscheibe der Vitrine. Die Ursache führt er auf Sprengungen im Steinbruch Roßbrunn zurück.

"Um einer Sprengerschütterungsbeschwerde zeitnah nachgehen zu können, bieten sich orientierende Erschütterungsmessungen an. Über diese Messungen lässt sich abschätzen, ob weitergehende Erschütterungsmessungen anhand der Maßgaben der DIN 4150 Teil 3 erforderlich sind", antwortet Hardenacke. Und weiter führt er an, dass der Messaufwand durch ein unabhängiges Messinstitut nicht unerheblich sei.

"Für die Gewerbeaufsicht besteht jedenfalls kein Anlass, am Ergebnis zu zweifeln und weitere (kostenintensive) Gutachten (an anderen Orten) zu veranlassen oder zu fordern", so der Pressesprecher. Messbare Erschütterungen würden auch nicht zwingend bedeuten, dass diese am maßgeblichen Ort geeignet sind, Schäden hervorzurufen. "Insbesondere, wenn die Anhaltswerte der DIN 4150 Teil 3 um ein Vielfaches unterschritten wurden." 

Friedrich Hetzer reicht diese Antwort nicht aus. Er fordert, eine weitere Messstation in der Nähe des Wohngebietes zu installieren. "Dadurch könnten Auswirkungen, wie beispielsweise bereits vorhandene und zukünftige Risse im Mauerwerk oder auch Scheibenbrüche in den betroffenen Häusern genauer analysiert werden und zukünftig solche Konflikte vermieden werden." Gleicher Meinung ist Sprengexperte Lankes. Er empfiehlt auf jeden Fall der Ursache auf den Grund zu gehen. "Das bringt nur Unfrieden, wenn weiter so gearbeitet wird", sagt er. 

 
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  • georg-ries@web.de
    die sind nicht dumm beim GAA Würzburg. Aber manche sind offensichtlich viel gscheiter.
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  • FamilieGoetz
    Es wäre traurig, wenn ein Rechtsweg einzuschlagen wäre, damit die Behörde es "schafft" die Messungen gemäß den anerkannten Regeln der Technik auszuschreiben.
    Ich frage mich, warum die Regierung von Unterfranken sich die Kompetenz zuschreibt hier neue technische Lösungen beweisfest in Eigenregie entwickeln zu können.
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