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WÜRZBURG
Spektakuläres VW-Urteil ist vom Tisch
Gisela Schmidt
Gisela Schmidt
 |  aktualisiert: 07.04.2020 11:40 Uhr

Es war ein Aufsehen erregendes Urteil: Das Landgericht Würzburg hatte Ende Februar nicht nur VW verurteilt, einen „Tiguan“ Diesel zurück zu nehmen. Es hatte auch dem VW-Vorstand „vorsätzlich sittenwidrige Schädigung“ bescheinigt. Entweder, so die Richter, habe die Konzernleitung von den betrügerischen Manipulationen der Abgaswerte gewusst und sie gebilligt – oder die Vorstände seien ihren Leitungs- und Kontrollaufgaben nicht nachgekommen. Jetzt, vier Wochen später, ist die spektakuläre Entscheidung der Siebten Zivilkammer plötzlich Makulatur.

Urteil stärkte Kunden-Interessen

Das Würzburger Urteil hatte, wie berichtet, die Interessen der geschädigten VW-Kunden gegenüber dem Konzern gestärkt. Nun ist es einfach weg. Michael Schaller, Pressesprecher des Landgerichts, bestätigt auf Anfrage Informationen der Redaktion, nach denen der Kläger, der den „Tiguan Sport“ mit Zwei-Liter-Dieselmotor im Mai 2013 direkt bei VW in Wolfsburg für rund 29.000 Euro gekauft hatte, seine Klage nach der Urteilsverkündung überraschend zurückgenommen hat. So etwas komme „zwar nicht häufig“ vor, sagt Schaller. Laut Zivilprozessordnung sei es aber möglich.

Es sei das Urteils nie gesprochen worden

Mit der Rücknahme seiner Klage hat der Tiguan-Fahrer dafür gesorgt, dass das Urteil des Landgerichts Würzburg, gegen das Berufung zum Oberlandesgericht (OLG) Bamberg möglich gewesen wäre, jetzt so behandelt wird, als sei es nie gesprochen worden. Schaller schließt zwar nicht aus, dass das Gericht die Entscheidung auch künftig „anonymisiert und an Personen mit rechtlichem Interesse herausgeben“ werde. Es sei ja möglich, dass jemand „noch mal so argumentieren“ wolle. Aber „die Wirkung des Urteils“ ist nach den Worten des Pressesprechers „beseitigt“.

Warum der VW-Käufer seine Klage zurück genommen hat, weiß Schaller nicht. Anders der VW-Konzern in Wolfsburg und Alexander Lang aus Rottendorf (Lkr. Würzburg), der den Autofahrer im dem Prozess vertreten hat. Aber weder der Anwalt, noch VW-Pressesprecher Nikolai Laude wollen sich dazu äußern. Beide bescheiden Anfragen der Redaktion mit dem Kommentar: „Keine Stellungnahme.“

Vermutung: Stillschweigen vereinbar

Rechtsanwälte, die schon viele „Diesel-Prozesse“ geführt haben, vermuten, dass VW sich die Klagerücknahme „ordentlich was hat kosten lassen“ und den Kläger mit der Vereinbarung einer hohen Vertragsstrafe zum Stillschweigen verpflichtet hat. Es sei auffällig, dass das Oberlandesgericht Bamberg als Berufungsinstanz bislang über kein dem Würzburger Fall ähnliches Verfahren habe entschieden müssen, sagen sie. Die Erfahrung von Anwälten im ganzen Bundesgebiet: Der VW-Konzern sei „auffällig bemüht, obergerichtliche Urteile oder gar eine höchstrichterliche Entscheidung des Bundesgerichtshofs zu vermeiden“.

Wollte VW die Berufungsinstanz vermeiden?

Im vorliegenden Fall hätte VW in der Berufungsinstanz wohl unter anderem seine Informations- und Dokumentationsstruktur offen legen müssen, um den Vorwurf der „vorsätzlich sittenwidrigen Schädigung“ zu entkräften. Dann, so die Spekulationen, wären möglicherweise Missstände bekannt geworden, die der Vorstand sich hätte zurechnen lassen müssen. Folge: Die Erfolgsaussichten der VW-Aktionäre, denen nach Bekanntwerden des Abgas-Skandals Milliardenverluste entstanden sind und die Schadenersatz vom Konzern fordern, wären deutlich gestiegen.

 
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  • Baetz_Johannes@t-online.de
    Na Hauptsache ist doch , der Kläger ist zufrieden und hat für sich das beste herausgeholt, nach dem Motto - ich ich ich - was scheren mich die andern.
    Genau so unterstützt man die Machenschaften der Großkonzerne.
    Oder frei nach Fredl Fesl :
    "Für Geld da kann man vieles kaufen, auch Leute die dem Ball nachlaufen."
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  • norbert-haas@t-online.de
    Wo bleibt das Recht (Gerechtigkeit und Rechtsprechung), wenn durch spätere Rücknahme der Klage ergangene Urteile einfach „eliminiert“ (evtl. durch Beklagten „zurückgekauft“) werden können? – Wo bleibt der Rechtsstaat (Rechtsverfolgung und Institutionen), wenn dieser nicht die Interessen seiner Bürger (gerade auch gegen mächtige Konzerne) konsequent vertritt und bei derartigen „Skandalen“ von sich aus für den Bürger aktiv eintritt?
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  • lausdeandl@yahoo.de
    Denken Sie mal nach, woher die regierende Politik die Parteispenden herbekommt.

    Vom Bürger, oder von der Großindustrie?

    Da gibt es bereits ein altes deutsches Sprichwort: "Wes Brot ich ess, dess Lied ich sing".
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  • Erding
    Traurig: Gier auf beiden Seiten!
    Der Kläger hätte nur ein bisschen Zivilcourage und Verantwortungsgefühl haben müssen. Auch ihm ging es letzten Endes nur ums eigene Geld auf Kosten anderer. Bestechen und Bestechlichkeit gingen hier wieder Hand in Hand. Der siegreiche Kläger hätte ein wirklicher Held für auch für viele andere Betroffene werden können. So bleibt halt nur der Begriff "korrupt" halt. Traurig. Und er hat auch die Richter im Stich gelassen! Eine "Schande", ein Schlag gegen den Rechtsstaat. Und der gerechtfertigte Schrei nach Sammelklagen.
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  • Die VW-Damager scheinen ja ein sehr reines Gewissen zu haben. zwinkern

    Hoffentlich klagen noch viele andere ehem. Diesel-Käufer nach dem gleichen Muster!
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  • Gerdy
    Typisch!!
    Jedes Übel in dieser "Affäre" im Keim ersticken. Koste es was es wolle. Immer noch besser (billiger) als ein Schuldeingeständniss, bzw Strafzahlung an den deutschen (VW)- Autofahrer.
    Einfach Unglaublich.
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  • Das ist das normale Gebahren um Präzedenzfälle zu vermeiden auf welche dann in ähnlichen Prozessen verwiesen werden kann.

    Der Kläger erhält dann etwas mehr an Erstattung als erwartet und ihm ist es in der Regel egal dass er damit als Hilfe für andere ausfällt.

    Wenn er oder sein Rechtsbeistand dann die Stillschweigevereinbarung bricht, muss er eine Regresszahlung leisten die auch über die Erstattung aus dem Vergleich gehen kann.

    Es ist jedoch sehr schön dass der Rechtsbeistand genannt wurde, denn er kann ja neue Fälle aufnehmen und sein bewiesenes Können wiederholen.
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