Das gab es noch nicht allzu oft in der aktuellen deutschen Rechtsprechung: Wegen „vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung“ hat das Landgericht Würzburg den Volkswagen Konzern verurteilt, ein Dieselauto zurückzunehmen. Der Käufer hatte den Wagen angeschafft, bevor er erfahren hatte, dass die Abgaswerte durch eine betrügerische Software manipuliert worden waren.
Es geht um einen „Tiguan Sport“-Neuwagen mit Zwei-Liter-Dieselmotor, den ein Mann aus dem Raum Würzburg im Mai 2013 direkt bei VW in Wolfsburg für 28 769,12 Euro gekauft hatte. Jetzt hat das Landgericht Würzburg entschieden, dass der Konzern das Auto zurücknehmen und dem Käufer 24 342,12 Euro zahlen muss. Der Unterschied von 4427 Euro zwischen Kauf- zum Rücknahmepreis ergibt sich aus der Nutzung des Wagens.
Gericht gibt Käufer recht
Vor Gericht ist der Tiguan-Fahrer gezogen, weil er sich von VW bei Abschluss des Kaufvertrags über die Abgas- und Emissionswerte seines neuen Autos „arglistig getäuscht“ fühlt. Hätte er gewusst, dass die angegebenen Werte manipuliert waren, hätte er sich nicht für den Wagen entschieden, trägt er vor. Für ihn sei das Fahrzeug „mangelhaft“. Eine Ansicht, die VW nicht teilt. Der Kläger nutze das Auto ja, argumentierte der Konzern vor dem Landgericht Würzburg. Es sei technisch sicher und gebrauchstauglich. Und außerdem würden alle Wagen mit diesem Dieselmotor auf Kosten von VW „überarbeitet“.
Die siebte Zivilkammer entscheidet für den Tiguan-Fahrer. Für sie ist der Kaufvertrag „sittenwidrig“. Der VW-Konzern habe den Käufer dadurch getäuscht, dass er ihm weißgemacht habe, die Zulassung seines Wagens zum Straßenverkehr und die Einstufung des Autos in die angegebene Schadstoffklasse sei „gesetzmäßig erfolgt“. In Wahrheit sei aber beides „erschlichen“ gewesen.
Kein technisch einwandfreies Fahrzeug
Laut Landgericht Würzburg geht ein Neuwagen-Käufer grundsätzlich davon aus, dass sein Auto frei von Mängeln ist, den gesetzlichen Vorschriften genügt und ohne „zusätzliche spätere Maßnahmen“ am Verkehr teilnehmen darf. Im vorliegenden Fall habe der Käufer aber nicht bekommen, was ihm laut Kaufvertrag zugestanden habe: Ein technisch einwandfreies, den gesetzlichen Bestimmungen vollständig entsprechendes Fahrzeug.
Anders als viele andere deutsche Gerichte ist das Landgericht Würzburg überzeugt, dass der VW-Vorstand Verantwortung für die Manipulationen trägt: Entweder habe die Konzernleitung selbst von den Machenschaften gewusst und sie gebilligt, oder sie sei ihren Leitungs- und Kontrollaufgaben nicht nachgekommen, urteilen die Richter. Deshalb hafte der Konzern. Dass die VW-Anwälte im Prozess einfach nur „eine Kenntnis von Vorstandsmitgliedern bestritten“ und die Manipulationen als „Maßnahmen von Mitarbeitern abgetan haben“, wertet die Zivilkammer als „auffällig unzureichend“.
Berufung ist möglich
Juristen interpretieren die „Zurückhaltung“ von VW in dieser Frage so: Es sei möglich, dass der Konzern seine Informations- und Dokumentationsstruktur deshalb vor den Gerichten nicht offen lege, weil dann Missstände bekannt werden könnten, die der Vorstand sich zurechnen lassen müsste. Sei das der Fall, könnten die Erfolgsaussichten der Schadenersatzansprüche von VW-Aktionären steigen.
Gegen das Würzburger Urteil ist Berufung zum Oberlandesgericht Bamberg möglich. Dass VW diesen Schritt gehen wird, ist nach den bisherigen Erfahrungen nicht sehr wahrscheinlich. Anwälte, die bereits mehrere „Diesel-Prozesse“ geführt haben, berichten, dass der Konzern „auffällig bemüht“ sei, „obergerichtliche Urteile oder gar ein höchstrichterliches Urteil zu vermeiden“.