
Mittwochnachmittag halb fünf im Würzburger Stadtteil Grombühl. Viele Bewohnerinnen und Bewohner sind noch bei der Arbeit oder im Hörsaal. Keine einfache Zeit für den Haustürwahlkampf. Aber was ist schon einfach für die Bayern-SPD kurz vor dieser Landtagswahl, für die die Umfrageinstitute kein gutes Ergebnis vorhersagen. Da tut Unterstützung aus Berlin ganz gut. Generalsekretär Kevin Kühnert ist gekommen, um den Würzburger Direktkandidaten Alexander Kolbow zu begleiten.
Kühnert mag diesen Wahlkampf von Angesicht zu Angesicht, das direkte Gespräch mit den Bürgerinnen und Bürgern. "Fast egal, ob sie uns am Ende wählen oder nicht", sagt der 34-Jährige. 50.000 Klingeln hätten er und sein Team im Bundeswahlkampf 2021 in seinem Berliner Wahlkreis gedrückt. Dass er das Direktmandat am Ende mit zwei Prozent Vorsprung gewann "lag vor allem am Haustürwahlkampf", ist der frühere Juso-Chef sicher.
Alexander Kolbow staunt nicht schlecht. Mit Kühnerts Zahlen kann er nicht mithalten. "1000 bis 1500 Mal" habe er in den letzten Wochen an Haustüren geklingelt und immerhin "bis zu 400 Gespräche geführt", sagt der 44-Jährige. "Als Politiker einfach mal nicht reden, sondern zuhören. Das erdet ungemein", erklärt er seine Sympathien für den Haustürwahlkampf.
Wenn niemand öffnet, gibt's einen Flyer an die Tür
Also, auf in die Petrinistraße. Geschosswohnungsbau, viele Häuser aus den 50er und 60er Jahren, das ehemalige Eisenbahner-Viertel ist heute durchmischt von jungen Familien, die sich kein Eigenheim im Grünen leisten können, Rentnerinnen und Rentnern und vielen Studierenden-WGs.
Aufs erste Klingeln öffnet niemand. Im fünften Anlauf meldet sich jemand an der Sprechanlage. "Wir sind von der SPD und wollen an die Wahl am Sonntag erinnern. Können Sie die Tür öffnen?" Immerhin, Kühnert, Kolbow und Eva-Maria Weimann, die Kitzinger Kandidatin, die heute mit auf Tour ist, sind drin im Hausflur. An den Türen indes rührt sich nichts. Mehr als einen Werbeflyer an die Klinken zu hängen, bleibt da nicht.
Ein Haus weiter sieht es für die Genossin und die Genossen besser aus. Im vierten Stock öffnet Benedikt Geiger. Der 55-Jährige überlegt kurz, dann hat er Kühnert erkannt. "Ich habe schon per Brief gewählt", sagt er. "Sehr gut", freut sich Kolbow. Die Frage, wen er gewählt hat, lässt der Kandidat lieber. Immerhin lässt der kaufmännische Angestellte durchblicken, wo er sein Kreuz nicht gemacht hat: nicht bei der AfD ("geht gar nicht") und nicht bei den Grünen ("zu viel Bevormundung, ein rotes Tuch").
Politikerinnen und Politiker sollen raus aus dem Elfenbeinturm
Man kommt ins Plaudern. Die meisten Politikerinnen und Politiker agierten "abgehoben im Elfenbeinturm". Sie wüssten zu wenig "von den Sorgen und Nöten der normalen Leute", sagt Geiger und erwähnt die Inflation, die ungeregelte Zuwanderung. Dass da Protest gewählt wird, könne er einerseits schon nachvollziehen, "da darf man hinterher nicht uns Wähler beschimpfen". Andererseits sieht er seine Mitbürgerinnen und Mitbürger auch gefordert, sich politisch zu informieren, Nachrichten zu schauen und zu lesen: "Politik bedeutet eben, Kompromisse zu verhandeln". Nein, tauschen wolle er mit Kühnert und Kolbow nicht, sagt Geiger noch.

Das SPD-Trio zieht weiter. Viele Türen bleiben zu an diesem Nachmittag. Manch einer öffnet nur kurz, nimmt Stoffbeutel, Kugelschreiber und Tempotaschentücher mit SPD-Logo entgegen. Ohne sich auf ein Gespräch einzulassen. Eine vertane Chance? "Auf keinen Fall", versichert Kühnert. Selbst so ein Kurzkontakt bleibe vielen Leuten im Gedächtnis: "Und dann wird am Abendbrottisch über Politik geredet." Plakate oder selbst Infostände hätten diesen Effekt nicht, würden zahlreiche Studien belegen.
Für wen Kevin Kühnert nicht gehalten werden will
Eine Ecke weiter ist Nils Zahn gerade heimgekommen. Der Fachinformatiker-Azubi hat keine Lust auf große Gespräche, findet es aber "ganz cool", dass ihn die Genossen an den Wahlsonntag erinnern. Kevin Kühnert hat er nicht erkannt. "Nein, der sagt mir nichts." Der SPD-Generalsekretär nimmt's mit Humor: "Mal hält mich jemand für den ehemaligen Schulkameraden seines Kindes, mal für den Trainer seiner Herzsportgruppe. Solange keiner sagt, er kenne mich aus dem Dschungelcamp, ist alles gut." Wichtig beim Häuserwahlkampf sei, dass man mit dem Infomaterial auch Kontaktdaten übergebe: "Ich möchte ansprechbar sein."

Studentin Vivien Sawani merkt auch erst auf den zweiten Blick, welch prominenter Politiker da gerade an ihrer Haustür geklingelt hat. Deshalb läuft sie den drei Genossen in den nächsten Hinterhof hinterher. "Darf ich eine Frage stellen?" Ihr bereite die wachsende Fremdenfeindlichkeit Sorgen, sagt sie. "Was tut die Politik dagegen?" Gute Gelegenheit für Kühnert, die Bemühungen von SPD-Kanzler Olaf Scholz zu schildern, die Migration zu begrenzen, aber dennoch Humanität zu wahren.
Auch sein Spezialthema, die Wohnungspolitik, bringt der SPD-General an: "Deutschland braucht mehr sozialen Wohnungsbau, die Ampel wird die Mieterrechte weiter stärken, etwa durch Verlängerung der Mietpreisbremse." All das helfe gegen soziale Spannungen, unter denen nicht zuletzt auch Migranten litten. Kandidat Kolbow ergänzt Lokales: "In Würzburg hat die Stadtbau, die städtische Wohnungsbaugesellschaft, beschlossen, bei Neubauten muss die Hälfte der Wohnungen unter die Sozialbindung fallen."
Versöhnlicher Abschluss des Nachmittags
Auf dem Rückweg zum Wagnerplatz stürmt Michael McMath auf Kühnert zu. "Schön, dass sie in Grombühl sind", freut sich der junge Mann. Zuletzt habe er FDP gewählt, aber die Liberalen hätten ihn enttäuscht. Diesmal könne er sich vorstellen, sein Kreuz bei der SPD zu machen, sagt McMath.
Ein versöhnlicher Abschluss des Nachmittags. Kevin Kühnert verabschiedet sich zum nächsten Wahlkampftermin in Ansbach. "Feiert schön am Sonntag", ruft er den unterfränkischen Genossinnen und Genossen noch nach, "egal, wie's ausgeht."