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Sommerhausen
Sommerhausen: Wie aus einem Leerstand ein Weinbistro wurde
Das Ehepaar Flohr hat einen alten Bauernhof renoviert und ein Weinbistro eingerichtet. Und das, obwohl beide keine gastronomische Erfahrung hatten. Wie funktioniert so etwas?
Familie Flohr hat einen alten Bauernhof in Sommerhausen renoviert und dort ein Weinbistro eingerichtet. Stefan und Angelika Flohr (Mitte) haben dabei Hilfe von ihren Söhnen Matthäus (links) und Stefan.
Foto: Daniel Peter | Familie Flohr hat einen alten Bauernhof in Sommerhausen renoviert und dort ein Weinbistro eingerichtet. Stefan und Angelika Flohr (Mitte) haben dabei Hilfe von ihren Söhnen Matthäus (links) und Stefan.
Claudia Schuhmann
 |  aktualisiert: 17.11.2021 02:23 Uhr

"Waren Sie schon auf dem Klo?" Als Gast im neuen Weinbistro der Familie Flohr muss man mit dieser Frage von Chefin Angelika Flohr rechnen. Es gibt kaum einen Bereich in dem Anwesen, von dem die 50-Jährige nicht spürbar begeistert ist. Wie eben auch vom Klo. Das ist mit Liebe zum Detail ausgestattet. Unterschiedliche, wild gemusterte Fliesen in jedem Bereich. Türen aus den Brettern des ehemaligen Pferdestalls. Hölzerne Hinweistafeln mit Figürchen, die dringend mal müssen. Zu jedem Gegenstand, zu jeder Design-Idee kann das Ehepaar eine Geschichte erzählen. Mit dem Umbau des alten Bauernhofs am Rande des Sommerhäuser Altortes zu einem gastronomischen Betrieb haben sich die beiden einen Traum erfüllt. Schlicht und ergreifend "Flohr's" heißt das Anwesen jetzt.

Angelika Flohr und ihr Mann Stefan sind in Sommerhausen seit vielen Jahren unter anderem durch ihre Tätigkeit für die Absatzgenossenschaft der Obstbauern bekannt. Neben dem Obstbau haben sie aber auch noch andere Leidenschaften, und dazu gehören alte Häuser. Ihr Vater hatte Angelika Flohr auf den Bauernhof in der Gartenstraße aufmerksam gemacht. Das Anwesen aus dem Jahr 1935 stand leer, nachdem der Eigentümer gestorben war, die Erben wollten verkaufen. "Wir konnten uns sofort vorstellen, was man daraus machen könnte", erzählt Angelika Flohr. Nämlich einen Gastronomiebetrieb.

"Wir konnten uns sofort vorstellen, was man daraus machen könnte."
Angelika Flohr, Inhaberin

Mit welchem Aufwand ein solches Projekt verbunden sein würde, überstieg jedoch die Vorstellungskraft des Ehepaars. Das wissen sie erst jetzt, zwei Jahre nach dem Kauf des Anwesens und nach der Eröffnung ihres Bistros, die still und leise im August erfolgte. Keine Ankündigung, keine bombastische Eröffnungsfeier. Die Familie wollte sich ohne schlagartig einsetzenden Besucheransturm lieber nach und nach in ihr neues Metier einarbeiten. Denn weder Stefan Flohr noch seine Frau hatten bislang beruflich etwas mit Gastronomie zu tun.

Das Anwesen mit dem Eingang zum Bistro nach dem Umbau.
Foto: Daniel Peter | Das Anwesen mit dem Eingang zum Bistro nach dem Umbau.

Ein gewagter Schritt? "Wir haben uns natürlich vorher erkundigt, ob es für das, was wir vorhatten, in Sommerhausen einen Bedarf gibt", sagt Stefan Flohr. Der Tourismusverein habe bestätigt, dass dergleichen nicht schaden könne. "Etwas, wo man nicht unbedingt etwas essen muss, sondern auch einfach mal nur ein Glas Wein trinken kann", sagt Angelika Flohr. Abgesehen vom Weinausschank im Schloss gebe es in Sommerhausen überwiegend traditionelle Speisegaststätten.

Einen Hang zur Kulinarik haben die beiden trotzdem. Einen ziemlich ausgeprägten sogar. Deshalb gibt es in ihrem Weinbistro einige Speisen, die sie selbst zubereiten. "Wir haben die Karte auf das zugeschnitten, was wir können", erklärt die Chefin. Flammkuchen zum Beispiel. Oder Gerupfter. Eintopf. Und Currywurst mit selbst gemachter Soße. "Die ist sehr beliebt", schmunzelt Stefan Flohr. Dass es den Düften aus der Küche möglich ist, in stimulierenden Andeutungen bis in den hohen Gastraum zu wehen, befeuert das Geschäft des Bistros. "Wenn die Leute den Flammkuchen riechen, bestellen sie auch welchen", sagt Angelika Flohr amüsiert.

Mit viel Liebe zum Detail sind auch die Toiletten ausgestattet.
Foto: Daniel Peter | Mit viel Liebe zum Detail sind auch die Toiletten ausgestattet.

Ihr Mann ist gerade dabei, die Gemüsebrühe für den Eintopf anzusetzen. Die macht der 51-Jährige immer selbst, seit er sich einen ziemlich fähigen Aushilfskoch an Land gezogen hat. "Der hat mir meine erste Kürbissuppe gleich weggeschüttet, weil ich eine Instant-Brühe genommen hatte", erinnert sich der Quereinsteiger. Aber der Unterschied zwischen Fertigbrühe und selbst gemacht sei tatsächlich wie Tag und Nacht. Diesem Credo folgt auch seine Frau, die die Kuchen für das Bistro macht. "Manche Gäste kommen extra wegen des Zwetschgenkuchens", verrät sie. Und warten dann auch, bis das neue Blech aus dem Ofen kommt, sollte der Kuchen vergriffen sein. Bei dieser Resonanz, sagt Angelika Flohr, mache die Arbeit Spaß.

Momentan ist im Bistro nicht viel los. "Der November ist überall tot", sagt der Chef. Was der Familie aber gar nicht so ungelegen kommt, denn ein klein wenig Erholung ist nach den beiden strapaziösen Jahren des Umbaus nötig. Der hat nicht nur Geld gekostet, sondern auch Nerven. "Wir bekamen immer gesagt, was alles nicht geht", erinnert sich Stefan Flohr an so manchen Frust. Immerhin steht das Anwesen nicht unter Denkmalschutz - "Gott sei Dank nicht" - , aber bei den baulichen Anforderungen an einen gastronomischen Betrieb kam Familie Flohr aus dem Planen trotzdem kaum noch heraus.

Der Gastraum, früher einmal die Scheune des Anwesens, hat eine enorme Raumhöhe.
Foto: Daniel Peter | Der Gastraum, früher einmal die Scheune des Anwesens, hat eine enorme Raumhöhe.

Fluchtwege, Brandschutz, Stellplatzproblematik, und dazu ihr eigener Anspruch, von der alten Substanz möglichst viel zu erhalten: Das hat die Familie stark gefordert. Beim Umbau wurden alte Komponenten ausgebaut, eingelagert, dann wieder eingebaut - wie eine massive Tür, die nun in einer Wand hoch über den Köpfen der Gäste thront und nirgendwo hinführt. Einige der Handwerker seien selbst von den Projekt begeistert gewesen und hätte immer wieder kreative Vorschläge gemacht, sagt Angelika Flohr.

Jetzt ist der große Gastraum mit 42 Plätzen in der ehemaligen Scheune in Betrieb, die Familie ist ins angrenzende Wohnhaus eingezogen, und aus der früheren Güllegrube in der Mitte des Anwesens ist ein moderner Innenhof geworden. Was noch fehlt, ist der Ausbau der zwei Ferienwohnungen, die im März fertig sein sollen.

Im Hof befand sich früher einmal die Güllegrube.
Foto: Daniel Peter | Im Hof befand sich früher einmal die Güllegrube.

So ruhig, wie es derzeit ist, wird es im "Flohr's" nicht lange bleiben. An den vier Adventswochenenden findet wieder der bekannte Sommerhäuser Weihnachtsmarkt statt. Dann erwarten sich auch die gastronomischen Neulinge aus der Gartenstraße einen größeren Zustrom an Gästen. Eine neue Speisekarte extra für das Ereignis sei schon in Planung, verrät der Chef.

 
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Kommentare
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  • J. R.
    sehr schön - hoffentlich rechnet sich das für die Familie
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  • G. A.
    Kommen sie vorbei mit Familie und Freunden.
    Ein gastronoisches Schmuckstück mit Weitblick.
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