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SOMMERHAUSEN
Der Tradition verpflichtet
Schloss Sommerhausen: Icho Graf von Rechteren-Limpurg Speckfeld hat den Stammsitz seiner Vorfahren gekauft und zieht mit seiner Familie wieder im Schloss ein.
Mitte des 16. Jahrhunderts wurde das Schloss in Sommerhausen erbaut. Der „Gelbe Bau“ rechts daneben ist Teil eines Winzerhofes, der 100 Jahre früher entstand.
Foto: Gerhard Meissner | Mitte des 16. Jahrhunderts wurde das Schloss in Sommerhausen erbaut. Der „Gelbe Bau“ rechts daneben ist Teil eines Winzerhofes, der 100 Jahre früher entstand.
Gerhard Meißner
 |  aktualisiert: 03.12.2019 09:03 Uhr

Für Icho Graf von Rechteren Limpurg Speckfeld ist es ein sehr emotionaler Moment. Der Spross einer alten fränkischen Adelsfamilie sitzt zum Pressegespräch im Weinkeller des Schlosses, das seine Ahnen vor fast 500 Jahren als ihren Stammsitz errichtet haben. Bald wird er mit seiner Familie wieder hier einziehen, fast 50 Jahre nachdem das Schloss in fremde Hände kam. In einer Geschichte, die vor mehr als 600 Jahren begonnen hat, wird damit ein neues Kapitel aufgeschlagen.

Fremde Hände waren es genau genommen nicht, die das Schloss im Jahr 1968 gekauft haben. Die Familie des Winzers und Rebzüchters Kaspar Steinmann ist eng mit dem herrschaftlichen Anwesen verbunden. Seit 1797 standen die Steinmanns in den Diensten der Grafen und bewirtschafteten bis in die Gegenwart die zum Schloss gehörenden Weinberge.

„Das ist ein Geschenk, wie man es nur einmal im Leben bekommt.“
Icho Graf von Rechteren Schlossbesitzer

Als sich deren Besitzer, wohl auch unter der Last des teuren Bauunterhalts, zum Verkauf entschlossen hatten, sah Kaspar Steinmann die Chance gekommen, das eigene Weingut auf eine solidere Basis zu stellen.

„Es ging meinem Vater vor allem um die Weinberge, wir hatten zuvor kaum eigene Flächen“, sagt Martin Steinmann über das Weingut, das inzwischen unter dem Namen „Weingut Schloss Sommerhausen“ zu den besten Frankens zählt. „Es war ein Glücksfall für uns“, so Steinmann.

Der Winzer machte sich das Schloss zunutze. In der historischen Kelterhalle werden noch heute die Trauben gepresst. Im Keller aus dem 15. Jahrhundert reift der Sekt und im Hauptgebäude hat Martin Steinmann Büro, Verkauf und Probierstuben eingerichtet. Das marode Dach wurde bereits vor Jahren umfassend saniert. Trotzdem blieben die meisten der übrigen Räume ungenutzt. Zwar habe es über die Jahre hinweg verschiedene Überlegungen gegeben – vom Hotel bis zum Museum, sagt Martin Steinmann. „Aber alles wäre ein Kompromiss zu Lasten der Substanz gewesen.“ So war es wohl erneut ein Glücksfall, dass sich Icho von Rechteren des Schlosses seiner Ahnen besonnen hat. Er kennt den stattlichen Bau aus Kindertagen als dort noch seine Großtanten und Großonkel wohnten. Er selbst war im Schloss in Markt Einersheim aufgewachsen. Eines Tages durfte er sich in Sommerhausen an einem Baum voller reifer Kirschen nach Herzenslust den Bauch vollschlagen – mit schmerzhaften Folgen, aber: „Das Bauchweh ging vorbei, die Erinnerung ist geblieben.“

Den Kontakt zu Sommerhausen hat Icho von Rechteren auch später nie abreißen lassen. Das Medizinstudium und der Beruf als Orthopäde führten ihn ins Schwäbische. Er ließ sich mit seiner Familie in Stuttgart nieder und eröffnete dort eine Praxis. Aus der hat er sich vor wenigen Tagen erst in den Ruhestand verabschiedet.

Der Wunsch, nach Franken zurückzukehren, habe ihn zeitlebens nicht losgelassen, erzählt er. Verschiedene alte Gebäude in der Region habe er sich gemeinsam mit seiner Frau Hiltrud schon angeschaut. Dass sich im vergangenen Sommer der Kontakt zu Martin Steinmann ergab und die Gelegenheit, Teile des alten Schlosses zurückzukaufen, sei für ihn „ein Geschenk, wie man es nur einmal im Leben bekommt“. Hinzu kommt, dass auch sein Sohn Friedrich sofort von den Plänen des Vaters begeistert gewesen sei und mit seiner Familie ebenfalls einziehen will.

Das Hauptgebäude aus dem Jahr 1546 und den bereits 1435 erbauten „Gelben Bau“ hat Icho von Rechteren nun gekauft. Das Weingut „Schloss Sommerhausen“ bleibt davon unberührt. Sektkeller und Kelterhalle werden weiter genutzt und auch der Verkaufsraum im Schlossparterre darf bleiben. „Es ist eine gute Symbiose, dass wir hier weiter wirtschaften“, sagt Martin Steinmann.

Zwei bis drei Jahre will sich Icho von Rechteren Zeit geben, um das Schloss zu sanieren und die Räume zeitgemäßen Wohnstandards anzupassen. Dass ihn das Leben in einem historischen Gemäuer doch zu manchen Kompromissen zwingt, schreckt ihn dabei nicht. „Ich bin in einem Schloss aufgewachsen, in dem es ständig kalt war und zog“, erzählt er, „den Komfort, den wir heute als selbstverständlich erachten, habe ich als Kind nicht gekannt.“

Beinahe wichtiger noch als ein bequemes Zuhause ist dem neuen Schlossherrn die Tradition, die dadurch eine Fortsetzung findet. „Wir fühlen uns dieser großen Tradition verpflichtet und ich bin glücklich, dass mein Sohn ebenso denkt“, sagt Icho von Rechteren.

In der Tat ist das Geschlecht eng mit der fränkisch-deutschen Geschichte verbunden. Das Amt des Erbschenken war dem Oberhaupt der Familie von Limpurg zur Zeit der Staufer verliehen worden. Als kaiserliche Mundschenken war es ihre Aufgabe, dem Kaiser bei dessen Krönung und bei Reichstagen den Wein zu reichen. Martin Steinmann glaubt fest daran, dass dieser Wein, nachdem sich die Familie 1413 in Sommerhausen niedergelassen hatte, auch von dort stammte. Anfang des 18. Jahrhunderts erst erlosch die Würde, weil es keinen männlichen Nachfolger gab.

Das Geschlecht gehörte dem Hochadel an, brachte Beamte am kaiserlichen Hof, Fürstbischöfe und Domherren in Würzburg und Bamberg hervor, bevor Schenk Carol von Limpurg 1555 die Reformation einführte. Zur Grafschaft gehörten damals unter anderem die Gemeinden Sommerhausen, Winterhausen, Lindelbach, Gollhofen und Einersheim, die damals das lutherische Bekenntnis ihres Landesherren annahmen.

„Jetzt kommt wieder zusammen, was schon immer zusammengehört hat.“
Martin Steinmann Weingutsbesitzer

1435 entstand an der Stelle des Schlosses das gräfliche Weingut, von dem heute noch der „Gelbe Bau“ und der Weinkeller zeugen. 1546 begann der Bau des heutigen Schlosses. Seit 1537 ist auch die Winzertradition der Familie Steinmann in Sommerhausen urkundlich bezeugt.

Die Steinmanns standen auch fest an der Seite ihrer Herren, als die sich 1803 widersetzten, gemeinsam mit dem Fürstbistum Würzburg dem Kurfürstentum Bayern eingegliedert zu werden. Bayerische Truppen brachen den Widerstand und nahmen das Dorf ein. Als „Sommerhäuser Krieg“ findet sich die Episode in den Chroniken wieder.

„Es ist schon etwas Besonderes in unserer schnelllebigen Zeit, mit einem solchen Bewusstsein leben zu können“, sagt Icho von Rechteren, „und es ist schon ein gutes Gefühl zu sehen, dass sich der Kreis jetzt wieder schließt.“ Martin Steinmann spricht von einer gewachsenen Beziehung zwischen der Adelsfamilie und dem Weingut: „Jetzt kommt wieder zusammen, was schon immer zusammen gehört hat.“

Neue und alte Schlossherrn (von links): Kaspar Steinmann, der das Sommerhäuser Schloss 1968 gekauft hatte, daneben Friedrich Graf von Rechteren-Limpurg-Speckfeld mit seiner Frau Cosima und seiner Tochter Florentina und seinen Eltern Hiltrud und Icho von Rechteren, Bürgermeister Fritz Steinmann, der die neuen Schlossherrn willkommen hieß, und Martin Steinmann, der das Weingut „Schloss Sommerhausen“ auch künftig wie gewohnt bewirtschaften kann.
Foto: Gabriele Brendel | Neue und alte Schlossherrn (von links): Kaspar Steinmann, der das Sommerhäuser Schloss 1968 gekauft hatte, daneben Friedrich Graf von Rechteren-Limpurg-Speckfeld mit seiner Frau Cosima und seiner Tochter Florentina ...
 
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