"Ich habe selbst schon einige Nächte in einer Zelle verbracht", sagt Maja Winkelmann am Ende ihres Vortrags und berichtet von den Ängsten, die sie in dieser Situation hatte, aber auch von dem guten Gefühl, das Richtige zu tun. Das ist für die 23-Jährige: "Ziviler Widerstand gegen ein System und dessen Kurs zu leisten, der in die Katastrophe führt."
Winkelmann gehört der Gruppe "Letzte Generation" an. Hunderte Straßen in Deutschland hatten Klimaaktivisten vergangenes Jahr blockiert. Dafür klebten sie auch ihre Hände an den Asphalt. Sie verlangten von der Regierung, die Verbrennung von Öl und Kohle schneller zu beenden, als vorgesehen. Mit neuen Aktionen will die "Letzte Generation" die angedachte Erdöl-Förderung in der Nordsee stoppen.
"Wenn wir nicht jetzt die Verantwortlichen wachrütteln und dem Klima-Notfall entsprechend handeln, erreichen wir unumkehrbare Kipppunkte, die uns auf direktem Wege in weltweite Dürren, Hungerkatastrophen und Kriege um Essen und Wasser führen", erklärt Winkelmann im Würzburger Umsonstladen "Freiraum" in der Maiergasse die Motivation ihrer Gruppe. Bei 39 Grad Celsius Außentemperatur zählt sie Fakten für ihre Haltung auf: "Es ist wissenschaftlich unstrittig, dass wir die Erwärmung der Atmosphäre auf 1,5 Grad beschränken müssen, um die Klimakatastrophe noch abwenden zu können." Wissenschaftlich unstrittig ist auch, dass dafür der CO2-Ausstoß der Menschheit sofort deutlich sinken müsste.
"Mit den momentanen Maßnahmen erreichen wir das nicht, sondern steuern unaufhaltsam auf die Vernichtung zu", sagt Winkelmann. Sachlich schildert sie den Stand der Wissenschaft: Wenn Kipppunkte wie das Abschmelzen der Arktis erreicht sind, werde die Erwärmung immer schneller vorangehen. Weil CO2 Jahrtausende in der Atmosphäre bleibe, würden die Folgen dieser Erhitzung schwerwiegende Folgen für das Leben auf der Erde haben. Sie zitiert den ehemaligen Klimaberater der britischen Regierung Sir David King: "Ich glaube, was wir in den nächsten drei bis vier Jahren tun, wird über die Zukunft der Menschheit entscheiden."
Die Nürnbergerin, die ein Design-Studium und eine Ausbildung zur veganen Ernährungsberaterin abgeschlossen hat, hebt weder die Stimme, noch die Faust, wenn sie von den Details der Klimakatastrophe und ihren Widerstandsaktionen spricht. "Wir tun das friedlich und höflich und lassen selbstverständlich Rettungsgassen frei", schildert Winkelmann, die selbst schon Straßen blockiert hat, das Vorgehen. "Natürlich ist der Frust der davon betroffenen Menschen verständlich. Dafür entschuldigen wir uns auch."
Was die "Letzte Generation", der aktuell rund 200 Mitstreiter angehören, mit Hungerstreiks und Blockaden bewirken will, erklärt die Aktivistin so: "Wir müssen Bilder kreieren, die von den Medien transportiert werden und gesellschaftliche Spannung erzeugen." Die steigende Aufmerksamkeit würde die Bewegung weiter stärken und zu gesellschaftlichen Diskussionen über die Notwendigkeit von Klimaschutz führen.
Das Ziel: Aus einer schweigenden Mehrheit soll eine breitere Bürgerbewegung werden, die Druck auf die Politik macht. Winkelmann schlägt in ihrem Vortrag den Bogen zu den Veränderungen der Bürgerrechtsbewegung gegen Rassismus in den USA der 60er Jahre und der friedlichen Revolution der DDR in den 80er Jahren.
"Wir laden Euch ein, mindestens einmal mit auf die Straße zu gehen und Widerstand zu leisten", sagt Winkelmann in die Runde. Im Oktober seien neue Aktionen geplant. Wer mitmachen will, werde durch ein Trainingsprogramm vorbereitet.
Ob die Aktionen "Letzte Generation" tatsächlich Bürgerinnen und Bürger, die Klimaschutz bislang nicht für wichtig halten, zum Umdenken bringt, oder diese sogar eher in ihrer Haltung bestärkt, ist umstritten. Der Nürnberger Jesuitenparter Jörg Alt begrüßt zum Beispiel Autobahnblockaden, weil sie deutlich machten, dass "uns das ungebremste Weiter so irgendwann an die Wand fahren lässt". Dagegen hält der Grüne Landwirtschaftsminister Cem Özdemir von diesem Mittel wenig. Auch wenn die Ziele der "Letzten Generation" richtig seien, würden Straßenblockaden diesen eher schaden. CSU-Politiker hatten mehrfach härtere Strafen für blockierende Demonstranten gefordert.