Eigentlich müsste der Fahrer eines Müllautos mehr als zwei Augen haben. Manövieren in engen Altstadtgassen und verkehrsreichen Siedlungsstraßen gehört zur täglichen Routine. Dass es dabei hin und wieder auch zu brenzligen Begegnungen mit anderen Verkehrsteilnehmern kommt, ist kein Wunder. Menschen kamen dabei im Landkreis Würzburg zum Glück bislang nicht zu Schaden. Damit das so bleibt, investiert der Müllabfuhrbetrieb des Landkreises Team Orange jetzt kräftig in seine Sicherheitsausrüstung.
Der ständige Stop-and-go-Verkehr, rückwärts rangieren, vorbei an parkenden Autos oder solchen, die sich am Müllauto vorbeizwängen, Fußgänger und Radfahrer, die seinen Weg kreuzen. "Und dann haben wir oft auch noch Zuschauer" sagt Team-Orange-Betriebsleiter Alexander Pfenning. Vor allem viele Kinder seien faszinierte von der Technik, mit der der Inhalt der Tonnen in den Schlund des Fahrzeugs bugsiert wird. Nicht nur die Fahrer, sondern auch die Mülllader müssen ständig auf der Hut sein, damit niemand in Gefahr gerät.
Freiwillige Nachrüstung
Dass die Müllfahrer gewissermaßen auch hinten Augen haben - Rückfahrkameras, die ihr Bild ins Cockpit übertragen - ist deshalb längst schon Standard. Doch was ist mit Radfahrern, die sich im toten Winkel neben dem Fahrzeug aufhalten? Schwere, mitunter tödliche Unfälle haben eine Diskussion über Gesetzesänderungen entfacht. Bevor Abbiegeassistenten zur Pflicht werden, rüstet Team Orange seine 27 Lkw freiwillig mit Sicherheitstechnik auf. Wie sie funktioniert, erklärt stellvertretender Werkstattleiter Matthias Lautz.
Neben einer zusätzlichen Kamera, die die rechte Fahrzeugseite im Auge behält, zählen Näherungssensoren zu den wichtigsten Accessoires. Mehrere davon sind rund um das Fahrzeug angeordnet. Per Ultraschall und Radar stellen sie fest, wenn sich eine Person oder ein anderes Hindernis im Gefahrenbereich aufhält. Beim Blick in die Außenspiegel hat der Fahrer auch den Monitor im Visier, der das Kamerabild überträgt. Hinzu kommen optische und akustische Warnsignale.
Rund 1500 bis 2000 Euro kostet der Abbiegeassistent pro Fahrzeug, sagt Matthias Lautz. Weil es noch keine einheitlichen Vorschriften gibt, sind verschiedene Systeme im Einsatz, mit denen man Erfahrung sammeln will. Es ist die Standardausrüstung, wie sie auch für normale Lastwagen diskutiert wird. Doch die Ansprüche von Team Orange gehen weiter. "Wir wollen alles für die Sicherheit tun, was sinnvoll und wirtschaftlich möglich ist", so Betriebsleiter Pfenning.
Rückfahrkamera und Bremsassistent
Die Lösung ist ein Sicherheitspaket, das auch einen Rückfahrassistenten mit einschließt. Beim Einlegen des Rückwärtsgangs zeigt die Kamera im Cockpit abhängig vom Lenkeinschlag durch farbige Einblendungen genau den Weg an, den das Müllauto zurücklegen würde. Sollte der Fahrer ein Hindernis übersehen, wird das Fahrzeug kurz vor der Kollision automatisch gebremst.
"Es ist schwierig, das System in ein bestehendes Fahrzeug einzubauen", sagt Lkw-Meister Matthias Lautz. Die Kosten pro Fahrzeug liegen zwischen 15 000 und 20 000 Euro. In sechs der Müllfahrzeuge ist die Technik bereits installiert. Weitere 16 folgen in den kommenden Monaten. Die übrigen werden demnächst durch neue ersetzt, die dann bereits ab Werk mit dem Sicherheitssystem ausgerüstet sind.
50 237 Restmülltonnen, 54 060 Biotonnen und 47 041 Papiertonnen leeren die Mitarbeiter von Team Orange im wöchentlichen Wechsel, berichtet Betriebsleiter Alexander Pfenning. Neben den Pressmüllfahrzeugen zählen zur Flotte auch die Laster für den Containertransport an den Wertstoffhöfen. Zwischen 80 und 150 Kilometer ist ein Müllauto an einem normalen Werktag unterwegs. Übers Jahr kommt dabei eine Gesamtstrecke aller 27 Fahrzeuge von 700 000 Kilometern zusammen.
Rund zehn Jahre lang sind die Müllautos im Einsatz, bevor sie ausgemustert werden. Mit einer Laufleistung von 200 000 Kilometern sind sie dann noch weit von der Strecke entfernt, die ein normales Laster im Fernverkehr während seiner Lebensdauer zurücklegt. Aber die Müllabfuhr lasse sich eben nicht mit dem normalen Güterverkehr vergleichen: "Das Fahrwerk eines Müllautos ist nach zehn Jahren Stop-and-go-Verkehr ziemlich ausgelutscht", sagt Matthias Lautz.