Die Vergangenheit hat Stefan Lurz eingeholt: Das Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" berichtet in seiner aktuellen Ausgabe über erneute Vorwürfe gegen den Würzburger Schwimmtrainer Stefan Lurz. In einer mehrseitigen Geschichte berichten fünf Schwimmerinnen, die unter Lurz trainiert haben, von sexueller Belästigung und Nötigung. Das Magazin stützt seine Recherchen nach eigenen Angaben zudem auf "zahlreiche weitere Personen aus dem Schwimmsport in Bayern".
Schon einmal war Stefan Lurz mit ähnlichen Vorwürfen konfrontiert gewesen: Im Jahr 2010 war gegen den Schwimmtrainer wegen des Verdachts des sexuellen Übergriffs auf eine 15-jährige Schwimmerin ermittelt worden. Allerdings kamen Zweifel an der Glaubwürdigkeit des mutmaßlichen Opfers auf. Anfang 2011 stellte die Staatsanwaltschaft Würzburg die Ermittlungen gegen den damals 33-Jährigen ein.
Stefan Lurz will "weiteren Imageschaden" vom DSV abwenden
Nun kommen die Vorwürfe von mehreren Schwimmerinnen – und die "Spiegel"-Veröffentlichung führte noch am Freitag zu Konsequenzen. Im Gespräch mit dieser Redaktion bestätigte Stefan Lurz, dass er mit sofortiger Wirkung von seinem Amt als Bundestrainer im Freiwasserschwimmen zurückgetreten ist, "um weiteren Imageschaden vom Deutschen Schwimm-Verband abzuwenden". Er betonte dabei, "dass ich weiterhin alle Schuld von mir weise. Die Entwicklung meiner Athletinnen und Athleten stand und steht bei mir immer im Vordergrund, daher sehe ich mich zu diesem Schritt gezwungen". Die aktuellen Vorwürfe bestritt der 43-Jährige, wollte sich jedoch nicht zu Details äußern.
Beim Deutschen Schwimm-Verband (DSV) hielt man sich zunächst bedeckt. Auf Anfrage dieser Redaktion bestätigte ein Sprecher zwar, dass der DSV einen seiner Trainer aufgrund einer "Spiegel"-Recherche beurlaubt habe. Zu Namen wollte sich der Sprecher aber nicht äußern; auch nicht zu der Frage, ob sich Sportlerinnen mit Vorwürfen gegen Lurz an den Verband gewandt hatten. Der "Spiegel" schreibt, dem Magazin liege eine E-Mail aus dem Jahr 2019 vor, "in der eine Schwimmerin dem DSV ausführlich über mutmaßliche sexuelle Belästigung von Lurz berichtet" habe.
Berührungen, Küsse und Nacktfotos
Am Mittag verschickte der DSV dann eine Pressemitteilung, in der es ohne Namensnennung hieß: "Der/die Verdächtige wurde gemäß unserer Handlungsrichtlinien bei Verdachtsfällen mit sofortiger Wirkung beurlaubt, ohne hiermit eine Vorverurteilung durchzuführen." Zudem würden "intern massive Anstrengungen unternommen, um sich ein Bild über die bisher nachvollziehbaren Vorgänge zu verschaffen". Später bestätigte der Verband den Rücktritt von Lurz.
Die Vorwürfe gegen Stefan Lurz wiegen schwer. So soll der Bundestrainer im Freiwasserschwimmen eine Athletin angefasst, geküsst und zu sexuellen Handlungen gedrängt haben. Einer anderen Schwimmerin soll er unter anderem Nacktfotos geschickt haben. Einige der Schwimmerinnen sollen zum mutmaßlichen Tatzeitpunkt minderjährig gewesen sein.
Keine Funktion mehr beim SV Würzburg 05
Auch gegenüber dem "Spiegel" bestritt Lurz die Vorwürfe. Das Magazin zitiert den Trainer: "Seit – gefühlt – über zehn Jahren sehe ich mich immer wieder denselben Vorwürfen ausgesetzt." Ständiges Wiederholen machten sie nicht begründeter oder wahrer. "Zu meinen privaten Kontakten werde ich keine Auskünfte erteilen."
Stefan Lurz war Bundestrainer und Bundesstützpunktleiter im Freiwasserschwimmen im Deutschen Schwimm-Verband. Der Stützpunkt ist bei Lurz' Heimatverein SV Würzburg 05 beheimatet. Unter der Führung vom einstigen Cheftrainer und SV-05-Sportdirektor Stefan Lurz hatte sich Würzburg zu einer international anerkannten Hochburg im Freiwasserschwimmen entwickelt. Sein Bruder und heutiger SV-05-Präsident Thomas Lurz ist mit zwölf Titeln Rekord-Weltmeister und gewann zwei Medaillen bei Olympischen Spielen.
Thomas Lurz unterstützt den Rücktritt seines Bruders. Im Verein selbst, betont der Präsident, habe Stefan Lurz "seit dem 1. Januar 2019 keine offizielle Funktion mehr". Zwar habe er operative Aufgaben in der Verwaltung des Schwimmvereins übernommen und dafür Rechnungen gestellt, "aber auch das ist beendet". Als Präsident müsse er an die Zukunft des Vereins denken, "und da sind wir gut aufgestellt und nicht von einer Person abhängig".
Krisensitzung im Schwimm-Verband
Im Deutschen Schwimm-Verband lösten die Veröffentlichungen ein Beben aus. Wie Harald Walter, Präsident des Bayerischen Schwimm-Verbandes und DSV-Vize, auf Anfrage dieser Redaktion sagte, mache ihn der Fall "sehr betroffen". Nicht nur als Funktionär, sondern auch als Familienvater und früherer Trainer. "Das ist eine schlimme Situation, die mir nachgeht."
Noch am Freitagabend wollten die Landespräsidenten des Verbandes in einer Videoschalte die Lage analysieren. "Wir müssen uns neu aufstellen", sagt Walter. "Sollten die Vorwürfe zutreffen, müssen wir im Schwimm-Verband ein Klima schaffen, in dem so etwas nicht mehr vorkommen kann. Wenn es so war, muss es künftig verhindert werden." Die DSV-Beauftragte für Prävention sexualisierter Gewalt, Franka Weber, habe bereits mit der Aufarbeitung des Falls begonnen. Sie habe Kontakt zu einem mutmaßlichen Opfer hergestellt und sowohl ein Gesprächsangebot unterbreitet, als auch direkte Hilfe durch den Verband angeboten.
Den Bundesstützpunkt Freiwasserschwimmen in Würzburg sieht Harald Walter nicht gefährdet. "Der Stützpunkt lebt von seinen Athleten und ist nicht von einer Person abhängig." Noch an diesem Samstag wird Walter nach Würzburg reisen, um mit den Athleten, den Trainern und den Vereinsverantwortlichen zu sprechen. "Vor allem für die Schwimmerinnen und Schwimmer, die sich auf Olympia vorbereiten, ist die Situation jetzt sehr schwierig."
Unverständlich ist, mit welcher Leichtigkeit den Hinweisen und bewiesenen Ansatzpunkten (zugegebene sexuelle Kontakte mit einer minderjährigen von ihm sportlich abhängigen Person) nicht nachgegangen wurde. Und das alles trotz der Skandale in anderen Institutionen wie z.B. der Kirche oder in anderen Sportverbänden in denen ein Abhängigkeitsverhältnis herrscht.
Im Artikel des Spiegels wird ebenfalls geschrieben welche Machtfülle der Bundestrainer trotz Hinweisen hatte, wie Eltern ihm zugunsten wider besseren Wissens bei Nachfragen gelogen hatten, wie sich Sportlerinnen machtlos und abhängig fühlten.
Leider liest es sich so, als ob vieles davon was man beweisen könnte, möglicherweise auch alles verjährt ist.
In der Gesamtsumme handelt es sich allerdings um "Sauereien ersten Ranges" wenn das alles oder auch nur zum Teil zutrifft. Es waren eine Menge Sachen im Artikel beschrieben. Und es liegen wohl auch glaubwürdige "Beweise" vor.
Vor allem aber steht im Artikel, dass der Bundestrainer ein Verhältnis zu einer minderjährigen Sportlerin hatte, dies der Verein wusste und darüber genau wei der DSV hinweggesehen hat - dies angesichts der Tatsache, dass es schon seit Jahren Hinweise gab, das etwas "schief" läuft.
Der Mann hätte schon viel eher diskeret ausgebremst werden können, das hätte möglicherweise vielen Sportlerinnen Leid erspart und seinem Ruf weniger geschadet.
so oder so. Auf der einen Seite ein Mann, dessen Familie und der selbst seit Jahrzehnten für den Schwimmsport lebt und jetzt in der vollen Öffentlichkeit mit schlimmen Vorwürfen und intimen Details konfrontiert sieht, seinen Job, seinen Ruf verliert ....auf der anderen schlimm, falls und wenn junge Mädchen und Frauen durch eine Vertrauensperson, sprich ihren Trainer sehr unangenehme Erfahrungen machen oder sogar traumatisiert werden. So oder so, ist das für alle Beteiligten schlimm. Der sportliche Erfolg steht im Gegensatz zum privaten Drama. Und was wann wie, wie genau, ob oder ob nicht, sollte besser durch Juristen als im Spiegel geklärt und bewertet werden.
Aber woran ich mich aber absolut störe ist Ihre Formulierung "sehr unangenehme Erfahrungen machen". Das ist für sexuelle Belästigung oder Nötigung (wie gesagt wenn es stimmt) eine ziemlich verniedlichende Bezeichnung. Ich unterstelle Ihnen persönlich hier nichts böses.
Darüberhinaus ist bei Fällen sexueller Nötigung doch fast immer so gewesen, dass diese erst durch die Presse ans Licht kamen und nicht durch Polizei oder Staatsanwaltschaft oder gar die "betroffenen Institutionen" wie Sportverbände oder katholische Kirche selbt.
Ich bin zwar kein großer Freund des Spiegel, aber dass die sich alles "aus den Fingern saugen" glaube ich auch nicht. Bisher lagen sie fast immer richtig.
Ich hatte Ihnen ja nichts böses unterstellt. Ich störe mich eben an den "unangenehmen Erfahrungen".
Ob etwas an den Vorwürfen dran ist werden die Ermittlungen zeigen.