
Paul und Christian sind seit acht Jahren ein Paar. Sex hat in ihrer Beziehung einen hohen Stellenwert. Nicht selten, sagen die beiden Würzburger, hätten sie auch gemeinsam Sex mit anderen Personen oder Paaren. "Schwule sind da wesentlich offener unterwegs." Die beiden sagen aber auch: "Wenn wir etwas mit anderen haben, dann wollen wir auf Nummer sicher gehen." Aus Schutz vor einer HIV-Infektion nehmen sie deshalb die "Prep".
Seit September 2019 ist die "Prep", die Präexpositionsprophylaxe, in Deutschland erhältlich und wird für bestimmte Risikogruppen von den gesetzlichen Krankenkassen bezahlt. "Die Prep ist Teil eines umfassenden Präventionspaketes zur Verhinderung einer HIV-Neuinfektion", sagt Dr. Susanne Wiebecke, die nach ihrer Kenntnis die einzige niedergelassene Ärztin in der Region Würzburg, die das Prophylaxe-Medikament verschreibt.

Die Wirkstoffe verhindern in den Schleimhäuten, dass es beim Geschlechtsverkehr mit einer HIV-positiven Person zu einer Ansteckung kommt und sich das Virus im Körper verbreitet. Doch nur die strikte und regelmäßige Einnahme der Tablette, nach einem genau vorgeschriebenen Schema, biete einen "hohen Schutz vor einer Infektion mit dem HI-Virus", sagt die Würzburger Ärztin.
Sexuell übertragbare Krankheiten bleiben weiterhin ein Risiko
Für sie sei die Einnahme der "Prep" inzwischen zu einem richtigen Ritual geworden, sagen Christian und Paul, die eigentlich anders heißen. "Wir haben ein ganz spießiges Pillendöschen, das stellen wir zum Abendessen immer auf den Tisch." Nachdem ihre Beziehung auf der Kippe gestanden hatte, hätten sie vor drei Jahren beschlossen, "auf Nummer sicher zu gehen".
Sicherheit ist bis heute eines der bestimmenden Themen unter vor allem homosexuellen Männern. Bis vor ein paar Jahren sei die Angst vor der HIV-Infektion auch für ihn immer im Hinterkopf gewesen, sagt Christian. "Durch die "Prep" hat sich da viel verändert. Ob ich deshalb von einem sexuellen Befreiungsschlag sprechen würde, weiß ich aber nicht."
Ihr Sexleben hätte die blaue Pille aber dennoch verändert, meint der Würzburger. "Ich war immer sehr vorsichtig bei allem, was mit Körperflüssigkeiten zu tun hat. Sobald irgendwo Sperma im Spiel war, ging bei mir der Puls hoch." Diese Angst sei weggefallen, auch Berührungsängste zwischen einander seien nun weniger Thema als vorher.
Nur aufgrund des Medikaments sollte man sich indes nicht in falscher Sicherheit wiegen, warnt und betont Ärztin Susanne Wiebecke: "Die Prep reduziert das Risiko einer HIV-Übertragung, nicht jedoch das anderer sexuell übertragbarer Infektionen." Sie empfiehlt, unbedingt auf zusätzliche Schutzmaßnahmen vor Geschlechtskrankheiten zu setzen, wie Kondome.
HIV und AIDS betrifft nicht nur homosexuelle Männer
Doch HIV betrifft nicht ausschließlich homosexuelle Männer. Zur Risikogruppe gehören alle Personen, die regelmäßig wechselnde Sexualpartnerinnen und Sexualpartner haben. Laut Robert Koch-Instituts (RKI) lebten in Deutschland Ende 2021 rund 82.100 Menschen mit einer HIV-Diagnose. Lediglich 49.600 von ihnen hatten sich laut RKI bei gleichgeschlechtlichem Sex mit anderen Männern infiziert. Deshalb halte Susanne Wiebecke die "Prep" auch geeignet für Personen, die nach eigener Einschätzung zur Gruppe mit erhöhtem HIV-Risiko gehören. Ob diese am Ende tatsächlich die "Prep" verschrieben bekommen, lasse sich nur bei einem Beratungstermin feststellen.

Doch bekannt ist die blaue Pille vor allem in Schwulen-Kreisen. Diesen Eindruck haben auch Christian und Paul. Viele ihrer heterosexuellen Freundinnen und Freunde wüssten nichts von dem Medikament. "Wir binden jetzt aber auch nicht jedem auf die Nase, dass wir auf Prep sind." Das könne falsche Schlussfolgerungen in den Köpfen auslösen: "Manche hören das und denken direkt, dass wir keine Kondome benutzen." Er könne sich vorstellen, dass gerade für die Berufsgruppe der Sexarbeitenden oder bei medizinischem Fachpersonal die "Prep" für Sicherheit sorgen könnte, sagt Paul.
Regelmäßige Kontrollen, um Gesundheitsrisiko auszuschließen
Ein Wundermittel ist das Medikament aber nicht, weiß das Paar. Auch bei der "Prep" muss wie bei jedem Medikament mit Nebenwirkungen gerechnet werden. Zwar seien "schwere Nebenwirkungen bislang nicht bekannt", sagt Ärztin Susanne Wiebecke. Es kann in seltenen Fällen zur verstärkten Belastung der Nieren kommen. Im Internet berichten Nutzerinnen und Nutzer von Begleiterscheinungen wie Übelkeit, Durchfall, Magenschmerzen oder Schlafstörungen. Auch aus diesem Grund müssen Paul und Christian alle drei Monate zur routinemäßigen Kontrolle.
Nur wenn ihre Blutwerte untersucht, die Nierenwerte überprüft und HIV- und Syphilis-Tests gemacht sind, können sie für die nächsten drei Monate wieder die "Prep" verschrieben bekommen. Denn auch wenn das Medikament vor einer HIV-Ansteckung schützt, bleibt die Einnahme nicht ohne Risiken.
Sich über den Lebenswandel und die sexuellen Präferenzen derjenigen, die in diesem Artikel beschrieben werden, zu mokieren, finde ich für die heutige Zeit in Deutschland ziemlich übel!
Ich dachte, wie wären da schon deutlich weiter...
Was das Bezahlen angeht, gibt es für beide Seiten gewichtige Argumente:
Die Krankenkasse hat möglicherweise durchaus ein berechtigtes Interesse, die Ausbreitung von HIV und AIDS einzudämmen. Mit diesem Medikament scheint das möglich, was die viel höheren Folgekosten für die Kassen (und damit für alle Arbeitnehmer) reduziert.
Wer diese Pille aber mit einem "Verhütungsmittel" gleichsetzt, und daher verlangt dass das jeder selbst bezahlen muss hat bei unserem derzeitigen System durchaus auch einen Punkt.
Doch da hinken wir heute sowieso schon hinterher: In fast allen europäischen Ländern sind Verhütungsmittel längst kostenfrei.
Und bei den Sexarbeiter.innen sollte diese Pille sogar kostenlos Pflicht sein...
Sehe ich zwar ähnlich, trotzdem gilt z. B. bei Sportunfällen das Solidaritätsprinzip, wenn ich mir beim Skifahren den Haxn breche, mir beim Fußball den Meniskus ruiniere oder beim Bergwandern mit FlipFlops stürze- die Behandlungskosten werden von der Kasse getragen.
Das Schwule und Lesben in der Partnerschaft gleich wie anderen Lebensformen zu behandeln sind, ist auch für mich unumstritten und darf nie mehr in der Gesellschaft verändert werden!
Jedoch ist es für mich nicht nachvollziehbar und gerecht, dass diese Medikamente von der Kasse gezahlt werden, welches der Sicherheit bei der persönlichen Lust dient, nur um sich über die Partnerschaft hinaus austoben zu können!
Nur zwei Beispiele von vielen: Meinem Kind wurde in der Klinik verweigert einen blutigen Verband auszuwechseln weil es das Gesundheitssystem nicht hergibt, ich zahle ein wichtiges MRT für den Urologen selbst weil es die Kassen nicht übernimmt und hier werden Kassengelder für die persönliche Lust verschwendet! Ist die Gerecht?
Das kann nicht sein und wir schießen wieder über das Ziel ganz weit hinaus und die Schwulen-Community tut sich damit auch keinen Gefallen!
Sie meinen ungeschützten Sex mit wechselnden Partnern?
Die Zahlen zeigen deutlich, dass nicht nur schwule Männer das Virus verbreitet haben, sondern das es auch im hetero Leben eine große Rolle spielt. Nur wird dort nicht darüber geredet.
Den Kommentar über mir kann ich nicht verstehen. Schwule und Lesben sind einem großen Teil der heterosexuellen Bevölkerung etwas voraus, sie reden darüber. Sagen offen, das sie sich öfter nicht auf einen Partner beschränken. Bordelle finanzieren sich nicht ohne Kundschaft, hier passiert aber viel anonym und die Partnerin oder der Partner sind ahnungslos daheim. Hier sollte die Aufklärungsquote viel höher sein.
Frau Dr. Wiebecke ist eine Vorzeige Ärztin. Sie kümmert sich um jeden ihrer Patienten, als würden sie zum internen Familienkreis gehören. Erwähnen sollte man aber auch ihre Mitarbeiter, vielen Dank!!!!
L.G. Martin Dobat
Vielleicht kommt auch mal die Corona-Tablette für Risikogruppen die vor Ansteckung schützt und auch positive Nebenwirkungen hat?
vielleicht hilft Ihnen folgender ergänzende Hinweis dabei, Ihre Meinung noch einmal zu überdenken. Tatsächlich liegen die Kosten für eine Therapie von Personen, die sich mit dem HI-Virus infiziert haben, weit über den Kosten für die "PrEP". Was Sie als "Sodom und Gomorra" bezeichnen, halte ich für eine sehr verantwortungsvolle Art, einer Krankheit, die tödlich enden kann, vorzubeugen.
Viele Grüße
Gina Thiel
(Redakteurin Lokalredaktion Würzburg)
Darum geht es.