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Würzburg
"Senza Limiti": Ein Würzburger Café gegen gesellschaftliche Missstände
Das Café "Senza Limiti" eröffnete, vorerst nur provisorisch, in der Würzburger Augustinerstraße. Warum es sich als inklusiv bezeichnet, der Chef diesen Titel aber gleichzeitig kritisiert.
Seit Anfang Dezember hat das Inklusions-Café 'Senza Limiti' in der Würzburger Augustinerstraße provisorisch bis Ende Dezember geöffnet. Eine endgültige Eröffnung ist für April 2022 geplant. Das Team freut sich, nach einem Jahr Planung endlich loslegen zu dürfen.
Foto: Ulises Ruiz | Seit Anfang Dezember hat das Inklusions-Café "Senza Limiti" in der Würzburger Augustinerstraße provisorisch bis Ende Dezember geöffnet. Eine endgültige Eröffnung ist für April 2022 geplant.
Moritz Hanl
 |  aktualisiert: 15.07.2024 09:58 Uhr

Während der Arbeit auf einem therapeutischen Hof in Sizilien, lernte der Sozialpädagoge Steven Henze die Zusammenarbeit mit Menschen mit Behinderung kennen und außerdem italienische Cafés zu lieben. Etwa ein Jahr später ist er Geschäftsführer des Cafés "Senza Limiti" in der Würzburger Augustinerstraße, welches mit Menschen mit Behinderung zusammenarbeitet. Das Café öffnet bis Ende Dezember provisorisch, um dann bis April 2022 endgültig "sizilianisch" eingerichtet zu werden. Im Zusammenhang mit dem Café fällt häufig der Begriff "inklusiv". Warum Inklusion dem Geschäftsführer eine Herzensangelegenheit ist und er sie trotzdem überflüssig machen möchte, und wie das Café ankommt. 

Ein Café von allen, für alle

Die Erfahrungen aus der Zeit in Sizilien ließen Henze nicht los. Er wollte irgendwie die Zusammenarbeit mit Menschen mit Behinderung und seinen Traum von einem italienischen Café verbinden. Also startete er vor etwa einem Jahr ein sogenanntes Crowdfounding. Das heißt, Anlegerinnen und Anleger gaben Geld für das Projekt. Während dieser Zeit sammelte Henze Erfahrungen in verschiedenen Cafés in Würzburg. "Ich merkte immer mehr, wie wohl ich mich vor der Kaffeemaschine fühle, ich gehöre dahin", sagt er mit einem Lächeln. 

Sein Traum wäre nicht umsetzbar gewesen, wenn es nicht so viel Unterstützung gegeben hätte, sagt Henze. "Die Hilfe so vieler Menschen machten das Projekt überhaupt erst möglich", sagt er und nennt während des Interviews unzählige Namen und Einrichtungen, denen er dankbar sei.

"Mir ist wichtig, dass das Café transparent und gemeinnützig agiert", erklärt er weiter. Deshalb habe er als Firma die Form einer GmbH gewählt, in der die Geschäftsführung keine Gewinnausschüttung erhält, sondern höchstens ein festes Gehalt. "Also irgendwann dann hoffentlich", muss der Sozialpädagoge lachen. Bisher würden die Umsätze dafür nicht reichen. Gemeinsam mit Kevin Völker und Elias Elahad, den weiteren Geschäftsführern, möchte er auch die Finanzen der Firma möglichst transparent darlegen.

Reaktionen auf das Café

Fabian Dinsing ist 25 Jahre jung und stolz darauf, Mitarbeiter des Cafés zu sein. "All die Menschen, die Arbeit mit dem Café-Team und die Musik sind einfach wundervoll", sagt er. Vorher habe er bei den Mainfränkischen Werkstätten gearbeitet. "Das war auch nicht schlecht, aber hier ist einfach alles interaktiver und macht mehr Spaß", erklärt Dinsing. Es gefalle im so gut, dass er das Café sogar als Ort für seine Hochzeit wählen möchte.

Evi Gerhard und Michael Berger sind jetzt schon Stammgäste des Cafés. Beide setzen sich für die Rechte und Belange von Menschen mit Behinderungen ein.
Foto: Ulises Ruiz | Evi Gerhard und Michael Berger sind jetzt schon Stammgäste des Cafés. Beide setzen sich für die Rechte und Belange von Menschen mit Behinderungen ein.

Evi Gerhard und Michael Berger sehen sich jetzt schon als Stammgäste. Sie kannten Henze bereits seit einem gemeinsamen Projekt, und als sie von dem Café erfuhren, suchten sie gleich Wege es zu unterstützen. "Ein barrierefreies und inklusives Café mitten in der Würzburger Innenstadt- das gab es so noch nie", freut sich Gerhard, "damit kann das Leben von Menschen mit Behinderungen endlich auch mitten in der Würzburger Gesellschaft stattfinden." 

Warum das Ziel von Inklusion deren Überflüssigkeit ist

Das Paar setzt sich für die Rechte und Belange von Menschen mit Behinderungen ein. Berger ist dafür neben seiner Tätigkeit als Betriebskaufmann bei der Daimler AG zusätzlich politisch aktiv. Gerhard klärt auf ihrem Instagram-Account "aktiv.mit.rolli" als "Inkluencerin" auf. Die Gesellschaft müsse sich laut ihnen endlich mehr mit dem Thema Behinderungen auseinandersetzen. "Dann wird schnell klar, dass wir ganz normale Menschen sind", sagt die Würzburgerin, "eben im Rollstuhl, aber der sagt nichts weiter über uns aus, als dass wir im Rollstuhl sitzen." 

"Inklusion ist dann gelungen, wenn das Wort nicht mehr gebraucht wird!"
Evi Gerhard, klärt auf Instagram als "Inkluencerin" auf, gemeinsam mit Steven Henze, Geschäftsführer "Senza Limiti"

Sie sind sich mit dem Geschäftsführer des Cafés einig: "Inklusion ist dann gelungen, wenn das Wort nicht mehr gebraucht wird." Um das zu erreichen, müsse das "Fehldenken überholt werden, dass Inklusion nur Einzelnen Helfen würde, denn wenn alle ihre Fähigkeiten sinnvoll einsetzen können, ist auch allen geholfen." Dafür zitiert Berger noch den ehemaligen Beauftragten der Bundesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderungen Jürgen Dusel: "Barrierefreiheit und Inklusion muss Qualitätsstandard sein!"

Öffnungszeiten des provisorischen Cafés und mehr über die endgültige Eröffnung  des "Senza Limiti" im April ist unter www.senza-limiti.org/wir zu finden. 

 
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  • stahl01@t-online.de
    Ich finde die Idee klasse - vor allem zentrumsnah und nicht irgendwo außerhalb. So haben die Leute in der Innenstadt die Chance problemlos hinzukommen.
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