
Einmal mehr ist Josef Schuster nach dem Terroranschlag von Hanau als Mahner gefragt. Im Interview mit dieser Redaktion kritisiert der 65-jährige Würzburger, der seit 2014 Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland ist, die Sicherheitsbehörden in Deutschland für eine "Sehschwäche auf dem rechten Auge". Außerdem fordert Schuster eine konsequente Verfolgung rassistischer und antisemitischer Straftäter. Allzu oft würden diese zu milde verurteilt.
Josef Schuster: Es ist unfassbar. Ein einzelner Täter, ein Rechtsterrorist, begibt sich in zwei Schischa-Bars mit dem Ziel, dort Menschen hinzurichten, nur weil sie einen Migrationshintergrund haben. Das ist eine "Qualität" von Terrorismus, wie wir sie im Nachhinein beim NSU gesehen haben, wo auch über Jahre hinweg gezielt Menschen mit Migrationshintergrund getötet wurden.
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Schuster: Eine Verbindung insoweit, dass ich mir vorstellen kann, dass solche Täter und die Taten andere potenzielle Terroristen motivieren, ihnen nachzueifern. Dass dies hier der Fall war, dafür habe ich aktuell aber keine Erkenntnisse.
Schuster: Ja, das ist so. Von Kassel über Halle nach Hanau … Das ist noch nicht das ganze Land. Ich glaube aber, dass sich so eine Tat leider überall im Bundesgebiet wiederholen kann.
Schuster: Ich meine ganz konkret, dass es über Jahre hinweg zumindest eine Sehschwäche auf dem rechten Auge gab. Man wollte nicht sehen, was nicht sein darf. Man hat sich stark auf den Linksterrorismus konzentriert und dabei die Gefahren von rechts gar nicht auf dem Schirm gehabt. Nehmen sie die NSU-Mordserie, da hat es sehr, sehr lange gedauert, bis man dahinter kam, dass diese rechtsextremistisch motiviert war.

Schuster: Die Sicherheitsbehörden müssen mehr Möglichkeiten bekommen, um verdeckt ermitteln und solche Anschläge im Vorfeld verhindern zu können. Die Freiheitsrechte sind ein hohes Gut, aber in dem Moment, in dem es um Menschenleben geht, muss man sich ernsthaft die Frage stellen, inwieweit eine Begrenzung der geheimdienstlichen Tätigkeit sinnvoll ist.
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Schuster: Ja, auch das.
Schuster: Wichtiger ist, dass rassistische, fremdenfeindliche und antisemitische Straftaten, ich rede nicht nur von Mord, generell mit der vollen Härte der bestehenden Gesetze verfolgt werden. Und bei der Strafzumessung nicht immer krampfhaft nach entlastenden Motiven, einer schweren Kindheit etwa oder einer falschen Umgebung geguckt wird. Mitleid mit dem Täter ist bei solchen Taten das falsche Signal. Abschreckung funktioniert so nicht.
Schuster: Aus Worten folgen Taten. Durch die AfD wird ein Klima geschaffen, das solche Straftaten zumindest in Gedanken begünstigt. Wenn ich jetzt Äußerungen von AfD-Vertretern höre, der Täter von Hanau sei kein Rechtsterrorist, sondern ein Irrer, dann macht man es sich sehr leicht. Ein solches Statement verhöhnt die Opfer.
Schuster: Auch wenn die AfD heute immer nur mit dem Finger auf Muslime zeigt, bin ich überzeugt, wenn es passt, sind Muslime und Juden im Sprachgebrauch vieler AfD-Funktionäre identisch.
Schuster: An einem solchen Tag ist das Entsetzen groß, unabhängig davon, ob jemand jüdisch ist oder muslimisch. Das ist keine Frage nur der Solidarität von Juden und Muslimen. Bei einem rechtsextremistischen Anschlag sind Menschen kaltblütig ermordet worden. Da ist die gesamte Gesellschaft gefordert. Wenn SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil vom Aufstand der Anständigen spricht, kann ich das nur begrüßen.
Schuster: Auch wenn die Zeit schnelllebig ist, diese Tat wird nicht innerhalb von 48 oder 96 Stunden vergessen sein und man geht zur Tagesordnung über. Ich bin nicht so der große Faschingsfreak. Aber wenn ich am Wochenende etwas faschingsmäßig geplant hätte, könnte ich daran jetzt nicht mehr teilnehmen.
„Aus Worten folgen Taten. Durch die AfD wird ein Klima geschaffen, das solche Straftaten zumindest in Gedanken begünstigt. Wenn ich jetzt Äußerungen von AfD-Vertretern höre, der Täter von Hanau sei kein Rechtsterrorist, sondern ein Irrer, dann macht man es sich sehr leicht. Ein solches Statement verhöhnt die Opfer.“
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Armselige Gewalttäter führen aus, was rechtsradikale Strategen mit ihrer Propaganda vorbereiten.
Bernd (!) Höcke faselt von einer „Politik der 'wohltemperierten Grausamkeit' “, er fordert ein „groß angelegtes Remigrationsprojekt“ und bedient sich auch sonst zwanglos im Goebbels-Jargon. Gauland jubelt: „Wir werden sie jagen!“
www.zeit.de/politik/deutschland/2019-10/rechtsextremismus-bjoern-hoecke-afd-fluegel-rechte-gewalt-faschismus
Kassel, Halle und Hanau sind Stationen der Blutspur des rechten Terrors, der lange vor dem NSU begann und bis heute anhält.
Irre Mörder kann man nicht stoppen.
Mordstrategen schon.
Es liegt an uns.