zurück
EUERHAUSEN
Schuss-Attacke überschattet den Wettbewerb der Pferdestärken
Trotz PS-starker Motoren ist beim Traktor-Pulling viel Gefühl erforderlich, um den tonnenschweren Schlitten möglichst weit über das nackte Feld zu ziehen. Das gelang nicht jedem 50 Teilnehmer beim Feuerwehrfest-Wettbewerb in Euerhausen.
Foto: Gerhard Meißner | Trotz PS-starker Motoren ist beim Traktor-Pulling viel Gefühl erforderlich, um den tonnenschweren Schlitten möglichst weit über das nackte Feld zu ziehen.
Gerhard Meißner
 |  aktualisiert: 07.04.2020 11:47 Uhr

Es sollte ein fröhlicher Höhepunkt des Feuerwehrfests in Euerhausen werden. Bis ein entsetzlicher Zwischenfall am Samstag kurz nach 15 Uhr die Stimmung beim Traktor-Pulling-Wettbewerb auf den Nullpunkt brachte. Ein Festbesucher aus dem Nachbardorf Wolkshausen hatte seinem Nachbarn in den Rücken geschossen und war anschließend zunächst zu Fuß, dann mit dem Auto geflohen. Betretene Stimmung lag über dem Festgelände. Die Besucher reagierten besonnen, aber die Lust auf Feiern war ihnen erst einmal vergangen.

Der alarmierte Rettungsdienst kümmerte sich um das Opfer. Der Rettungshubschrauber flog den 55-Jährigen wenig später in ein Krankenhaus, wo er notoperiert wurde. Die Polizei nahm die Ermittlungen auf, sperrte den Tatort ab, befragte Zeugen. Erst als bekannt wurde, dass Beamte der Polizeiinspektion Ochsenfurt den 70-jährigen mutmaßlichen Täter in seinem heimischen Anwesen gestellt und überwältigt hatten, löste sich die Spannung ein wenig. Als schließlich bekannt wurde, dass das Opfer zwar schwer, aber nicht lebensbedrohlich verletzt wurde, entschieden die Veranstalter in Absprache mit dessen Familie, den Wettbewerb fortzusetzen. Schließlich hatte man sich monatelang auf den großen Tag vorbereitet.

Mehrere Tonnen Balllast ziehen

Kevin Krapf moderierte den Traktor-Pulling-Wettbewerb und nahm auch selbst mit seinem Traktor teil.
Foto: Gerhard Meißner | Kevin Krapf moderierte den Traktor-Pulling-Wettbewerb und nahm auch selbst mit seinem Traktor teil.

50 Teilnehmer hatten sich für das Traktor-Pulling angemeldet. Bei dem Wettbewerb, der aus Amerika über den großen Teich herübergeschwappt ist, geht es darum, einen mit mehreren Tonnen Ballast beladenen Schlitten möglichst weit über ein nacktes Feld zu ziehen. 100 Meter ist der Parcour lang, doch die allermeisten Schlepper müssen schon vorher aufgeben, mahlen sich mit ihren Antriebsrädern in den Lößboden ein, bevor der Fahrer seine Aufgabe signalisiert.

Für die Durchführung haben die Euerhäuser die Traktorfreunde aus Sersheim engagiert. Der private Club von Traktorenfans aus der Nähe von Bietigheim hat sich 1989 gegründet und verfügt über die nötige Erfahrung und die erforderlichen Gerätschaften. Fünf bis sechs solcher Wettbewerbe mache der Verein pro Jahr, sagt einer der Mitstreiter.

Wenn sich die Räder eingraben

Tief gruben sich die Antriebsräder der Traktoren in den lockeren Lößboden ein.
Foto: Gerhard Meißner | Tief gruben sich die Antriebsräder der Traktoren in den lockeren Lößboden ein.

Es schaut schon ein bisschen nach Protz-Parade aus, vor allem als die schwerste und stärkste Klasse mit Fahrzeugen von über neun Tonnen Gewicht und einem Leistungsvermögen jenseits der 300-PS-Grenze aufgerufen wird. Doch vor allem kommt es auf die Geschicklichkeit des Fahrers an, sagt Kevin Krapf, der den Wettbewerb moderierte und selbst mit seinem Traktor einen fünften Platz nach Hause fuhr.

Anzeige für den Anbieter Facebook Video über den Consent-Anbieter verweigert

Den Zugschlitten in einer gleichmäßigen Bewegung zu halten, ist dabei die große Kunst. Wenn es ans Ende des Parcours geht, kann jede falsche Berührung von Kupplung und Gas die Zugnummer beenden. Wer es dann noch nicht begriffen hat, dass sein Auftritt zu Ende ist, dessen Antriebsräder graben sich tief in den losen Untergrund ein. „Gib' auf“, rief denn auch ein Zuschauer einem der übermotivierten Fahrer zu, „es geht nicht mehr weiter, nur noch tiefer“.

Ein alter Lanz Bulldog als Attraktion

Ein Radelader beseitigt schließlich die Spuren, während ein Traktor den Zugschlitten auf Rädern an seine Ausgangsposition zurückbringt. Bis zu zwölf Tonnen Ballast lasten in der höchsten von neun Klassen auf diesem Zugschlitten. Doch es geht auch in paar Nummern kleiner. In der kleinsten Klasse bis 1500 Kilogramm gibt es ebenfalls Urkunden und Pokale zu gewinnen. Zur Attraktion des Tages wurde ausgerechnet einer dieser Kleinen. Mit seinem Lanz Bulldog aus den 40er Jahren startete Ernst Merz aus Giebelstadt außer Konkurrenz. Der betagte Klassiker mit seinem hämmernden Zweitakt-Dieselmotor zog den den Schlitten immerhin 40 Meter über den Parcours.

Veranstalter erst einmal geschockt

Einer der Jüngsten war am Ende einer der Größten: Philipp Wittstock aus Vilchband. sicherte sich mit seiner Fahrkunst und seinem 330 PS starken Traktor den Siegerpokal in der größten Klasse.
Foto: Gerhard Meißner | Einer der Jüngsten war am Ende einer der Größten: Philipp Wittstock aus Vilchband. sicherte sich mit seiner Fahrkunst und seinem 330 PS starken Traktor den Siegerpokal in der größten Klasse.

Nach dem Schuss auf einen Festbesucher war lange Zeit ungewiss, ob der Wettbewerb überhaupt beendet werden kann und soll. „Natürlich waren wir alle erst einmal geschockt“, sagt Regina Hombach, die als ehemalige Vorsitzende des Feuerwehrvereins mit an der Spitze des Vorbereitungsteams stand. Erst in Absprache mit der Familie des Opfers habe man sich schließlich für eine Fortsetzung entschieden. „Sie haben uns ausdrücklich gebeten, das Fest nicht durch die gestörte Aktion kaputt machen zu lassen.“

Sieger war einer der jüngsten Teilnehmer

Als mit eineinhalbstündiger Verspätung auch der letzte der PS-Giganten seine Zugkraft in mehreren Durchgängen unter Beweis gestellt hatte, stand fest, dass mit Philipp Wittstock aus Vilchband einer der jüngsten Teilnehmer das beste Gefühl im Gasfuß hatte. 330 Pferdestärken entfesselt sein Fendt, mit dem es der Sieger im entscheidenden Durchgang auf eine Zugstrecke von 64 Metern brachte.

Bis dahin hatte auch das Wetter durchgehalten. Während in den Gemeinden ringsum Gewitterschauer niedergingen, blieb es in Euerhausen trocken. Andernfalls wäre der Contest wohl zu einer Schlammschlacht ausgeartet. So mussten sich die Helfer der Traktorfreunde Sersheim lediglich eine dicke Staubschicht von Gesicht und Schultern wischen. Der aufgewühlte Boden nimmt bei diesem trockenen Wetter keinen nachhaltigen Schaden, versicherte einer der umstehenden Landwirte.

Getrübte Stimmung am Festzelt

Inzwischen hatten sich Hunderte von Feuerwehrleuten aus den Gemeinden der Umgebung in ihren Uniformen zum Einzug ins Festzelt aufgestellt. Die Zeubelrieder Musikanten warteten auf ihren Auftritt. So richtig gelöst war die Stimmung nicht. „Durch eine solche gestörte Aktion liegt natürlich ein Schatten auf dem ganzen Fest“, sagt Regina Hombach, „man kann nicht einfach zur Tagesordnung übergehen.“ Der Zuspruch der Festbesucher habe geholfen. „Kompliment an unsere Gäste, dass sie uns stimmungsmäßig wieder aufgebaut haben“, meint Hombach weiter. Die meisten Gedanken der Feuerwehrleute seien an diesem Abend beim Opfer des Angriffs und seiner Familie gewesen.

 
Themen & Autoren / Autorinnen
Euerhausen
Gerhard Meißner
Nachbarn
Traktoren
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen
Kommentare
Aktuellste
Älteste
Top
  • adrian_boehm@arcor.de
    Toll das sowas noch gemacht wird.
    und schade des die Stimmung durch solch einen Menschen gekippt ist.
    Dem Opfer alles gute zur baldigen genesung
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • al-holler@t-online.de
    Eine längst überholte pubertäre PS-Protzerei, das Ganze; genau so sinnlos wie die Formel 1.
    Ich würde es ja als Quasi Kinderspiel mit einem Lächeln übergehen, wenn diese Landwirte mit ihrem maßlos überzogenen Fuhrpark nicht ständig nach Subventionen und Beihilfen schreien würden - und gleichzeitig mit ihren "modernen" Produktionsformen sehenden Auges den Niedergang von Flora und Fauna in Kauf nehmen würden.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • harryamend@outlook.de
    Genau meine Gedanken. Diese Umwelt verpesteten Veranstaltungen gehören grundsätzlich untersagt
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • Lebenhan1965
    Gute Bemerkung

    und meine absolute Zustimmung zu Ihrem Kommentar.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • schlassenracht
    Das Posting verstößt gegen unsere AGB und wurde daher gesperrt.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten