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WÜRZBURG
Schlusslicht Bayern: Mehr Professorinnen braucht das Land
Das Studium wird weiblicher, doch bei den Professuren dominieren Männer. An der FHWS will Frauenbeauftragte Christina Völkl-Wolf gegensteuern. Mit Hilfe der Studentinnen.
Schlusslicht Bayern: Mehr Professorinnen braucht das Land       -  Anfang Oktober: FHWS-Präsident Prof. Robert Grebner begrüßt in Würzburg die Erstsemester-Studierenden. Mehr junge Frauen als Männer nehmen ein Studium auf. Die Professorenstellen sind aber zu 84 Prozent in Männerhand.
Foto: FHWS / Vanessa Schmitt | Anfang Oktober: FHWS-Präsident Prof. Robert Grebner begrüßt in Würzburg die Erstsemester-Studierenden. Mehr junge Frauen als Männer nehmen ein Studium auf. Die Professorenstellen sind aber zu 84 Prozent in Männerhand.
Andreas Jungbauer
 |  aktualisiert: 27.04.2023 07:39 Uhr

Bayern gibt in Bildungsfragen, ob Abitur oder Pisa-Test, gerne den Musterschüler. Im akademischen Betrieb aber ist Glanz verloren gegangen, zuletzt erst verblasst im schwachen Abschneiden bei der Exzellenzstrategie. Gar deutschlandweites Schlusslicht ist Bayern, wenn es um Frauen auf Professorenstellen geht. Nur knapp ein Fünftel von ihnen sind weiblich besetzt, obwohl mittlerweile mehr junge Frauen ein Studium aufnehmen als Männer.

In Würzburg und Schweinfurt ist die Situation nicht besser. An der Universität haben Frauen aktuell nur 20,5 Prozent der Professuren inne, an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Würzburg-Schweinfurt (FHWS) knapp 16 Prozent. Eine Herausforderung für die Frauenbeauftragte der FHWS Prof. Christina  Völkl-Wolf. Und nicht nur für sie.

"Mit zwei Kindern können Sie nicht mal schnell zum Fachkongress nach Australien."
Prof. Christina Völkl-Wolf, FHWS-Frauenbeauftragte 

Völkl-Wolf, Professorin für Online-Marketing und E-Commerce an der FHWS, weiß, wovon sie spricht. Die 43-Jährige hat selbst alle Hürden genommen, die Voraussetzung sind für eine FH-Professur: Hochschulabschluss, Promotion, fünf Jahre praktische Arbeit (mindestens drei davon außerhalb der Hochschule). Sie hat es geschafft trotz und mit der Familie, ist verheiratet, hat zwei Söhne (fünf und zwölf Jahre). Gewiss: Nur aus eigener Kraft wäre dies schwierig gewesen. "Mit zwei Kindern können Sie nicht mal schnell zum Fachkongress nach Australien." Aber mit einem Partner an der Seite, der in Elternzeit ging und vorübergehend in Teilzeit arbeitete, dazu unterstützende Großeltern: "Mit solchen Säulen", sagt Völkl-Wolf im Gespräch offen, "fällt es leichter."

Professorin zu sein, ist für sie "ein Traumberuf". Er biete viele Möglichkeiten, auch ein großes Maß an freier Zeiteinteilung, was gerade Familienmenschen entgegenkommt. Und doch haben die allermeisten Studentinnen eine Perspektive als Professorin nicht auf dem Schirm. Völkl-Wolf will das ändern, gemeinsam mit der Hochschulleitung. "Mehr Frauen!" heißt auch dort die Devise.

Große Lücke zwischen Doktorandinnen und Professorinnen

Dabei ist die Situation an den zehn Fakultäten recht unterschiedlich, wie das sogenannte Kaskadenmodell zeigt. Es vergleicht den Anteil von  Frauen an den Professuren der FHWS mit ihrem bundesweiten Promotionsanteil. Nur in der Informatik/Wirtschaftsinformatik mit 28 Prozent und in den angewandten Sozialwissenschaften mit 40 Prozent ist der weibliche Anteil im selbst gesetzten Soll. In allen anderen Fachgebieten ist der "Frauenschwund" auf dem Weg zur Professur teils erheblich. Während zum Beispiel Frauen im Bereich Architektur und Bauingenieurwesen fast ein Drittel aller Promotionen schreiben, stellen sie an der FHWS nur eine einzige Professorin – gegenüber 17 männlichen Kollegen.

Schlusslicht Bayern: Mehr Professorinnen braucht das Land       -  Im Gespräch: FHWS-Frauenbeauftragte Prof. Christina Völkl-Wolf.
Foto: Thomas Obermeier | Im Gespräch: FHWS-Frauenbeauftragte Prof. Christina Völkl-Wolf.

Noch viel größer wäre das Gefälle, würde man nicht die Promotions-, sondern die Studierendenzahlen zugrunde legen. Für Frauenbeauftragte Völkl-Wolf ist eine männlich-weibliche Parität das Fernziel. Unterstützt wird sie dabei von ihrer Referentin Sonja Ehrenfels. Sie ist erste Anlaufstelle für spezielle Fragen von Studentinnen und verfolgt die Entwicklung seit Jahren. Die Einrichtung einer Frauenbeauftragten für das wissenschaftliche Personal gibt es immerhin seit drei Jahrzehnten. Und ja, sagt Ehrenfels, die Frauenquote bei den Professuren habe sich verbessert – "aber nicht in dem gewünschten Maß".

Mehr Professorinnen: Hochschulleitungen müssen liefern

Über 80 Prozent Männer in den Professuren: Auch der Landeskonferenz der Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten an bayerischen Hochschulen reicht es. Am Montag appellierte das Gremium an die neugewählte Staatsregierung: "Diese Stagnation ist nicht hinzunehmen!" Man verweist auf das Innovationsbündnis "Hochschule 4.0", das im Juli vom Ministerpräsidenten und den bayerischen Hochschulleitungen unterzeichnet wurde. Danach sollen die Hochschulen bis Ende März verpflichtende Zielvereinbarungen mit dem Wissenschaftsministerium zur Erhöhung der Professorinnenzahl treffen. Ein finanzielles Anreizsystem nach dem Prinzip "mehr Frauen – mehr Geld aus dem Innovationsfonds" soll dabei helfen.

Sind Frauen schon viel zu schlecht vertreten, werden sie als Professorinnen real auch noch schlechter bezahlt als ihre männlichen Kollegen. Nach einer aktuellen Erhebung des Deutschen Hochschulverbandeszur tatsächlichen Entlohnung beträgt der Unterschied bei den durchschnittlichen Bruttogehältern bundesweit bis zu 650 Euro. Wie also junge Akademikerinnen zur Professorenlaufbahn bewegen?

Familie und Professorenberuf müssen besser vereinbar werden

Christina Völkl-Wolf versucht es mit Aufklärung über das Berufsbild, mit einem eigenen Kanal im sozialen Netzwerk Instagram– und mit Maßnahmen, die für Professorinnen Beruf und Familie besser vereinbar machen. So werden an allen FHWS-Standorten Ruhe- und Rückzugsräume für Schwangere eingerichtet, ebenso Eltern-Kind-Zimmer. Nur das allein wird nicht genügen. Es geht auch um die Einstellungspolitik.

Schlusslicht Bayern: Mehr Professorinnen braucht das Land       -  Erste Anlaufstelle für Studentinnen: Sonja Ehrenfeld ist Referentin der FHWS-Frauenbeauftragten.
Foto: Thomas Obermeier | Erste Anlaufstelle für Studentinnen: Sonja Ehrenfeld ist Referentin der FHWS-Frauenbeauftragten.

Die "Kinderlücke" im akademischen Lebenslauf dürfe Frauen nicht zum Nachteil bei einer Berufung werden, fordert Völkl-Wolf. Hier seien die Kriterien anzupassen. Und auch die Befristung von Arbeitsverhältnissen und die Unsicherheit im akademischen Betrieb halte von einer wissenschaftlichen Karriere ab. Die Frauenbeauftragte, seit gut einem Jahr im Amt, ist aber überzeugt: Wenn sich künftig mehr junge Frauen bewerben, werden auch mehr von ihnen auf Professorenstellen landen.

Werbung für den Professorenberuf macht Christina Völkl-Wolf an diesem Mittwochabend ab 18 Uhr in der Hochschule in Würzburg (Münzstraße). "Frauen in die Wissenschaft!" lautet die Veranstaltung anlässlich 100 Jahre Frauenwahlrecht, bei der neben dem Vortrag auch Sketche zum Thema gezeigt werden.

 
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Kommentare
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  • G. L.
    Was ein sinnvoller Kommentar. Und wie wollen sie den Fachkräftemangel z. B. im MINT Bereich bekämpfen (Die Welt wird komplexer nicht einfacher)? Was wir nicht brauchen sind weniger Studenten sondern mehr Kinder, damit wir solchen Leuchten wie ihnen die Rente finanzieren können.
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  • H. S.
    Wir brauchen nicht mehr Professoren und Professorinnen, wir brauchen weniger Studenten.
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