
Entweder ständig müde, antriebslos und depressiv – oder andauernd nervös, mit Herzrasen und voller Unruhe: Die Bandbreite der Beschwerden, die von der Schilddrüse kommen können, ist groß. Knoten oder Autoimmunerkrankungen können die Funktion des kleinen Organs stören. Doch wie und was genau? Im Bereich medizinischer Themen ist "Schilddrüse" laut den Statistiken der am häufigsten gegoogelte Begriff. Unsicherheit und Informationsbedarf sind also groß. Richtig ist, dass die Schilddrüse eine zentrale Rolle bei der Überwachung und Steuerung von Stoffwechsel, Stimmung, Hormone und Bewusstseins spielt. Professor Dr. Martin Fassnacht, Leiter der Endokrinologie und Diabetologie am Universitätsklinikum Würzburg, erklärt wie.
Prof. Martin Fassnacht: Viele Menschen glauben, sie hätten ein Schilddrüsenproblem. Das liegt vermutlich an den vielen Symptomen, die von der Schilddrüse herrühren können: Gewichtszunahme, Gewichtsabnahme, Müdigkeit, Haarausfall, trockene Haut, Erschöpfung und vieles andere. Ob wirklich ein Schilddrüsenproblem vorliegt, muss von einem Arzt diagnostiziert werden.
Fassnacht: Wahrscheinlich hat die Hälfte aller Menschen in irgendeiner Form etwas mit der Schilddrüse. Aber diese Menschen leiden nicht alle, und sie sind auch nicht alle krank. Am häufigsten haben die Menschen Knoten in der Schilddrüse, aber die sind meist völlig harmlos. Nur ein kleiner Bruchteil der Menschen ist richtig krank.

Fassnacht: Von einer Über- oder Unterfunktion spricht man, wenn sie zu viele beziehungsweise zu wenige Hormone produziert. Das hat Auswirkungen auf die von der Schilddrüse gesteuerten Körperfunktionen. Die Symptome sind vielfältig: Eine Schilddrüsenüberfunktion kann sich beispielsweise in Nervosität, Konzentrationsschwäche, Schlafstörungen oder vermehrtem Schwitzen äußern. Symptome der Unterfunktion können Kälteempfindlichkeit, Gewichtszunahme, Antriebslosigkeit oder depressive Verstimmungen sein.
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Fassnacht: Östrogene, die weiblichen Hormone, beeinflussen die Schilddrüse. Außerdem haben Frauen öfter die passenden Symptome wie häufiges Frieren. Sie werden daher viel öfter auf eine Schilddrüsenunterfunktion getestet als Männern. Wenn man viel testet, findet man auch mehr.
Fassnacht: Üblicherweise bestimmt der Arzt zur Orientierung den sogenannten TSH-Wert. TSH ist ein Hormon, das in der Hirnanhangsdrüse entsteht. Es steuert die Hormonproduktion der Schilddrüse. Als "normal" gilt ein TSH-Wert, der sich in einem Normbereich von 0,3 bis 4 bewegt. Für die Schilddrüsenhormone T3 (Triiodthyronin) und T4 (Thyroxin) dagegen gibt es unterschiedliche Einheiten, so dass man hier auf die Normwerte des jeweiligen Labors schauen muss. Aber nicht jeder Mensch, der Werte außerhalb des Normbereichs hat, ist automatisch krank. Im Alter steigt zum Beispiel das TSH auch bei Gesunden an und liegt damit "normalerweise" oberhalb des "Normbereichs".
Fassnacht: Schilddrüsenhormone sind das am dritthäufigsten verordnete Medikamente in Deutschland. Neueste Studien zeigen, dass der Einsatz eines Schilddrüsenmedikaments nicht immer nötig ist. Denn: Der TSH-Wert kann schwanken. Wir empfehlen daher immer, wenn der Wert nicht extrem hoch ist, eine erneute Kontrolle des Wertes nach etwa acht Wochen. Denn ein Großteil der behandelten Patienten hat gar kein Schilddrüsenproblem.
Fassnacht: Ja genau. Der TSH-Wert kann vorübergehend erhöht sein, beispielsweise nach körperlicher Anstrengung. Er steigt im Laufe eines Tages an und hat den höchsten Wert um Mitternacht. Fastet jemand oder ist krank, dann sinkt der Wert zunächst ab, um einige Tage danach wieder anzusteigen. Und einige jodhaltige Medikamente unterdrücken die Schilddrüsenfunktion, weshalb der TSH-Wert ebenfalls ansteigt. Auch Psychopharmaka und Cortisonpräparate beeinflussen ihn. Der TSH–Wert ist keine starre Größe und kann sich innerhalb kurzer Zeit ändern. Und er ist altersabhängig. Bei Kindern und älteren Menschen ist er höher. Bei der Interpretation der Werte kann es daher leicht zu Fehlern kommen.
Fassnacht: Ja, davon bin ich überzeugt.
Fassnacht: Nein, davon würde ich abraten. Wenn der höchste je gemessene TSH-Wert kleiner als 10 war und die Schilddrüse im Ultraschall unauffällig aussieht, raten wir unseren Patienten durchaus, das Medikament – unter ärztlicher Kontrolle – abzusetzen und nach etwa acht Wochen eine Laborkontrolle zu machen. Bei acht von zehn Patienten funktioniert das sehr gut, sie können ohne die Hormongabe gut weiterleben. Das ist für viele eine große Erleichterung. Denn manche Menschen fühlen sich erst durch die Medikamentengabe richtig krank. Lag der TSH allerdings zu einem früheren Zeitpunkt über 10, liegt meist eine richtige Schilddrüsenunterfunktion vor und ich würde das Absetzen nicht empfehlen.
Fassnacht: Bis vor 20 Jahren bestand in Deutschland tatsächlich ein Jodmangel und es gibt ein eindeutiges Nord-Süd-Gefälle. Im Norden wird und wurde immer schon mehr Fisch gegessen als im Süden. Jodmangel führt zu einer Vergrößerung der Schilddrüse. Bei den heute 70-Jährigen hat etwa die Hälfte eine vergrößerte und teils knotige Schilddrüse. Jod und Selen sind wichtig für ein funktionierendes Organ. Fehlt es an diesen Spurenelementen, kann es nicht richtig arbeiten. Allerdings kommt ein gravierender Jod- oder Selenmangel, der zu einem Hormonmangel führt, in Deutschland eigentlich nicht vor.

Fassnacht: Hashimoto ist die mit Abstand häufigste Form aller Erkrankungen bei Schilddrüsen-Unterfunktion. Bei Hashimoto wird die Schilddrüse vom körpereigenen Abwehrsystem angegriffen, daher spricht man von einer Autoimmunerkrankung. Im Blut kann man bestimmte Antikörper gegen Eiweiße der Schilddrüse erhöht nachweisen. Weiße Blutkörperchen sammeln sich an der Schilddrüse und zerstören das Gewebe. Im Endstadium ist das Organ deutlich verkleinert und produziert kaum noch oder deutlich weniger Hormone. Allerdings kommt es lange nicht bei allen Patienten zu einer echten Unterfunktion. Deshalb ist es auch bei Hashimoto wichtig, den TSH-Wert vor einer dauerhaften Hormontherapie mindestens zweimal zu überprüfen.
Fassnacht: Deutschland gilt als Schilddrüsenoperations-Weltmeister. Bei uns werden etwa 70 000 Patienten an der Schilddrüse pro Jahr operiert. Das sind genauso viele wie in den USA, obwohl dort viermal so viele Menschen leben. Ein Großteil der Knoten wird operiert, weil man Sorge hat, diese könnten bösartig sein. Doch Knoten in der Schilddrüse sind in den allermeisten Fällen gutartig. Deshalb kommt es oft zu unnötigen Operationen. Und dabei kann es natürlich auch zu Komplikationen kommen.
Fassnacht: Das hat sich mittlerweile geändert. In speziellen Schilddrüsen-Zentren wird der Tumor noch während der Operation untersucht. Ist die Veränderung gutartig, wird ein Teil der Schilddrüse im Körper gelassen. Nur wenn der Tumor bösartig ist, wird sie komplett entfernt.
Buchtipps der Redaktion:
"Der Aufstand der Hormone" von Dr. Aviva Romm, Beltz Verlag, 19,95 Euro. Die Ärztin vertritt einen ganzheitlichen Ansatz. Ihre These: Dauerstress, falsche Ernährung, Darmprobleme, Umweltgifte und versteckte Infektionen schädigen Nebennieren und Schilddrüse, deren Hormone eine Schlüsselrolle für die Gesundheit von Frauen spielen. Ursache für die Stressoren ist laut Romm unser Lebensstil. Sie erklärt, warum der Stoffwechsel verrückt spielt, wenn Schilddrüse und Nebennieren nicht gesund sind.
"Power für die Schilddrüse - Alles für einen gesunden Hormonhaushalt" von Prof. Dr. Michaela Axt-Gadermann, Südwest Verlag, 17 Euro. Mit Praxistipps bei Überfunktion, Unterfunktion und Hashimoto. Die Ärztin und Professorin für Gesundheitsförderung an der Hochschule Coburg beschreibt, wie man mit Lebensstil, Ernährung und mentaler Einstellung die Schilddrüse beeinflussen kann.
Ich war mit deutlichen Symptomen bei der Vertretung von meinem Hausarzt. Der fand das alles nicht schlimm und die Dosis des L-Thyroxin zu hoch. Das ist bestimmt was anderes. Obwohl er sogar den Bericht des Spezialisten gelesen hat der in der Krankenakte ist.
Also war ich doch wieder beim Spezialisten und der hat direkt festgestellt das die Dosis deutlich zu niedrig ist und die Schilddrüse noch kleiner geworden ist. Seitdem geht es mir wieder deutlich besser.
Und so wie mir geht es vielen die ich kenne.