
Sehr geehrte Damen und Herren der Lufthansa, erlauben Sie diese altmodische Anrede. Wenn Ihnen dabei arg zu unwohl ist . . . bitte. Dann eben schlicht: Hallo Lufthansa.
In dieser Woche haben Sie wieder mal ein klein wenig Schlagzeilen gemacht. Nicht, weil das EU-Gericht gerade entschieden hat, dass die Corona-Beihilfe für Ihre österreichische Tochter AUA rechtens waren. Oder weil Sie mitteilten, dass Sie im Sommer, im zunehmenden Reiseverkehr, mit längeren Bearbeitungszeiten beim Check-In rechnen. Auch nicht wegen der kurzzeitigen Computerprobleme am Freitag.
Nein, liebe Lufthansa, die Aufmerksamkeit war Ihnen sicher, als es hieß: Lufthansa verzichtet auf "Sehr geehrte Damen und Herren". Lufthansa will "alle berücksichtigen" und verwendet nun genderneutrale Sprache. Begrüßt also künftig mit einem "Guten Tag" oder einem "Herzlich willkommen an Bord" – ohne Adressaten.
Turbulenzen in den sozialen Netzwerken
Aber hallo! Gleich gingen ein paar Turbulenzen in den sozialen Netzwerken los! Aufwind von hier, stürmische Böen von da. Man könnte sich jetzt lange darüber auslassen, dass dies eine völlig richtige und überfällige Entscheidung ist. Weil es mit "Damen" und mit "Herren" auf der Kurz- oder Langstrecke, auf Charterflügen oder Linie nicht weit her ist. Passagiere, die sich in Gängen drängeln, das Handgepäck frei von Rücksicht auf Umstehende erst in die Ablage wuchten und später den Sitzenden von oben in den Schoß fallen lassen . . . die ihren Sitz dem Hintermann und der Hinterfrau ohne Vorwarnung gegen den Kopf donnern, auf dass die Sternchen sehen. Und die, kaum sind die Anschnallzeichen erloschen, gen Ausgang spurten. Sie wissen schon.
Fliegerei heißt: Hunderte Passagiere und Bedienstete auf längere Zeit zusammengedrängt. Und wenn man sich mit Fremden Armlehnen teilen muss, geht Höflichkeit schon mal verloren.
Und Sie verzichten jetzt auch auf ein überkommenes Stückchen Höflichkeit und wollen keine "sehr geehrten Damen und Herren" mehr begrüßen? Dass damit auch das "Ladies and Gentlemen" wegfallen soll ist wirklich schade. "Ladies and Gentlemen" zum obligatorischen Tomatensaft und dem vegetarischen Menü, das immer "Pasta" ist . . . da fühlt man sich als Gast doch sofort weltmännisch-weltfräulich polyglott.
Aber jetzt – geschlechtsneutrale Formulierungen an Bord also, damit sich zwischen Reihe 1 und 30 niemand ausgeschlossen fühlt. Die Crews seien gehalten, "eine Ansprache zu wählen, die alle Passagiere anspricht", teilen Sie mit. Entscheiden könne das der Chef, die Chefin der Kabine. Guten Tag, guten Abend, herzlich willkommen. Aber bitte keine direkte Anrede mehr.
Ist die alte Begrüßungsformel die neue Flugscham?
"Sehr geehrte Damen und Herren" – ist diese vielleicht etwas biedere, aber bewährte und ja irgendwie sympathisch höfliche Begrüßungsformel ein . . . Problem? Die neue Flugscham?
Jedenfalls ist gendergerechte Sprache zu einem Thema geworden, das auch Unternehmen umtreibt. Die BILD hat dann in dieser Woche wie im Flug herausgefunden, dass es die Deutsche Bahn Ihnen gleichtun will. Im ICE nach München werden keine Damen und Herren mehr begrüßt. Sondern: Gäste.
Wobei das mit den Gästen ja so eine Sache ist, wenn man eine Bahnfahrkarte oder ein Flugticket erworben hat. Willkommen Kunden oder Hallo Zahlende wäre vielleicht ehrlicher.
Politisch korrekt und zeitgemäß - was ist das?
Zurück zur Sache, der politisch korrekten und zeitgemäßen Ansprache an Bord. Ihre Ankündigung hat ziemliche Luftwirbel in den sozialen Netzwerken ausgelöst, Gender-Kritiker und Sternchen-Hasser drohten gar mit Flugboykott. Schnell erklärten Sie, dass die Damen-Herren-Ansage ja nicht verboten sei und niemand aus dem Flugzeug geworfen wird, wenn er sie nutzt.
Liebe Lufthansa, es ist gut, achtsam mit Sprache umzugehen. Es ist gut, im Bewusstsein ihrer Mächtigkeit und ihrer Fähigkeit, zu verletzen, gerade im Alltag Worte mit Bedacht zu wählen, nicht nur in Sonntagsreden. Bloß, man muss gewohnte Höflichkeit und sprachlichen Respekt ja nicht durch Neutralität ersetzen, die schnell zu Schnodderigkeit oder Flapsigkeit wird. Hallo alle. Oder zu Sprechstörungen führt – siehe gesprochenes Sternchen, der Pause mitten im Wort.
Eine Anrede kann der Komplexität der Geschlechterfrage niemals gerecht werden. Was gerecht werden kann, sind Löhne. Lebensverhältnisse. Rechte.
Sicher und sanft landen - das zählt
Und am Ende zählt ja sowieso, dass die Damen und Herren, die Gäste, Passagiere, Reisenden jedweden Geschlechts mit Ihnen sicher abheben und sanft wieder landen. In Hessen beginnen jetzt die Ferien, an diesem Wochenende erwarten Sie bis zu 76 000 Gäste an Ihrem Frankfurter Drehkreuz.
In diesem Sinne, grüßen Sie alle freundlich.
Hochachtungsvoll,
Alice Natter, Redakteurin
Das wäre aber schade. Denn die digitalen Kund*innen würden ihn gar nicht bekommen und unsere Kritikercommunity wüsste nicht worüber sie sich am Samstag aufregen sollte.
Denn - was ist ein Kund?
Wenn ich korrekt hindern will - dann bitte Kund*inn*en - denn das „en“ am Schluss gehört ja wieder sowohl zur weiblichen als auch zur männlichen Mehrzahl!
Im Gegensatz zu Schreiner*innen - denn die männliche Mehrzahl von Schreiner bleibt Schreiner - bzw Lehrer*innen, Bäcker*innen, Manager*innen
Aber eben nicht bei Professor*inn*en, Polizist*inn*en, Referent*inn*en
Ganz lustig wird es dann bei Sekretär*in - das korrekt in die Mehrzahl gehender wäre: Sekretär*inn*e*n - weil immer nur ein Teil zur weiblichen Mehrzahl bzw zu beiden Mehrzahl-Formen gehört.
Ganz ehrlich - einfach nur noch absurd!
Sehr treffend.
80 Prozent der Substantive im Duden sind geschlechtlich bestimmt.
Der Verwendung dieser Wörter im täglichen Sprachgebrauch ausweichen zu wollen, wann immer ein Bezug zu einem Individuum bestehen könnte (oder eben vielleicht nicht hergestellt werden kann), löst kein einziges der realen Probleme im Kontext der Ungleichbehandlung der Geschlechter.
Im Gegenteil – aus meiner Sicht lenkt diese oberflächliche, künstlich erzwungene Sprachverhunzung von den tatsächlichen Ursachen und Auswirkungen sehr effektiv ab.
Oder glaubt ernsthaft irgendwer, dass eine „Frau Abteilungsleiterin“ nur wegen dieser Anrede plötzlich genauso viel verdient wie ihre männlichen Kollegen?
Gut, das war jetzt sexistisch, einem 100%-Kerl Hysterie zu attestieren.
Hat Spaß gemacht.
Genau die Leute, die hier lautstark zetern, wir hätten doch wohl gewaltigere Probleme, beweisen zeternd, dass sie selbst genau hiermit das allergrößte Problem haben. Sonst zeterten sie nämlich nicht so viel und laut.
PS: Niemandem wird hier irgendetwas vorgeschrieben. Das unbelegt zu behaupten, ist der typische Bullshit in den asozialen Netzwerken.
Aber dass Sie mir mehr oder weniger direkt unterstellen, ich würde zu anderen Themen nicht so viel zetern – das ist eine böswillige Unterstellung.
Offenbar sind Sie neu hier im Forum … 😉
Verstanden hatte ich allerdings schon alles, keine Sorge, ich fürchte nun eher umgekehrt...
Mit der Bemerkung übers Zetern wollte ich eher generell auf den frappanten Widerspruch bei vielen Zeitgenossen hinweisen, etwas ganz furchtbar unwichtig zu finden, sich dann aber wortreich darob mächtig wichtig zu machen. Diesen Widerspruch findet man nämlich als ebenso untaugliche wie lächerliche Widerstandsform auch gegen viele andere in gewissen Kreisen unliebsame Themen. Da dürften Sie sich als alter Zeterhase doch ganz gewiss nicht angesprochen fühlen.
In diesem Sinne noch eine schöne Woche und mannigfaltige Gelegenheiten zu sowohl Zeter als auch Mordio! Ich bin dabei.
Wenn eine Frau in einem Interview sagt, sie habe Schreiner gelernt, scheint sie sich nicht diskriminiert zu fühlen.
Wenn aber eine Akademikerin an meinem Arbeitsplatz sagt, dass schlimmste für sie wäre es, wenn ihr Sohn Handwerker werden wolle, DANN weiß ich, was Diskriminierung ist.
Das Wort „die Gästin“ gibt es nicht im korrekten Deutsch!