Gendergerechte Sprache ist ein Thema, das in der Öffentlichkeit immer häufiger diskutiert wird – oft kontrovers und emotionsgeladen. Auch unterfränkische Unternehmen machen sich Gedanken darüber, ob und wie sie gendergerecht kommunizieren.
Die Rückmeldungen einiger Firmen auf eine Anfrage dieser Redaktion zeigen, dass das Thema schwierig ist: Einige geben bereitwillig Einblick in ihren Umgang mit gendergerechter Sprache, andere entwickeln gerade ein Konzept und manche wollen sich zu diesem Thema lieber nicht äußern. Doch was müssen oder sollten Unternehmen bezüglich gendergerechter Kommunikation beachten? Ein Überblick.
Männlich, weiblich, divers
Der englische Begriff "gender" bezeichnet das soziale Geschlecht eines Menschen. Dabei geht es darum, wie sich ein Mensch selbst wahrnimmt, unabhängig vom biologischen Geschlecht. Eine gendergerechte Sprache soll sicherstellen, dass sich alle angesprochen und integriert fühlen und jegliche Geschlechter in Wort und Schrift gleichgestellt sind. Das Ziel: die Gleichbehandlung aller, indem stereotypische Klischees, die Bezeichnungen wie Putzfrau oder Ingenieur hervorrufen, aufgebrochen werden.
Bei Stellenausschreibungen darf niemand benachteiligt oder diskriminiert werden. Das besagt das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz, das 2006 in Kraft getreten ist. In den meisten Anzeigen steht daher "(m/w/d)" hinter der in der Regel männlichen Bezeichnung der Stelle, also "Sachbearbeiter (m/w/d)" oder "Teamleiter (m/w/d)". Damit sind dann trotz männlicher Schreibweise alle Geschlechter gemeint – männlich, weiblich, divers.
Rechtlich liegen Unternehmen mit "(m/w/d)" auf der sicheren Seite. Doch die eingehenden Bewerbungen werden dadurch nicht zwangsläufig diverser. Kathrin Schirmer ist seit über 15 Jahren als Kommunikationsexpertin für Unternehmen und Agenturen tätig. Sie sagt: "Wenn ein Unternehmen Frauen und diverse Personen für traditionell männlich geprägte Jobs gewinnen will, muss es sich mehr einfallen lassen als mwd."
Ein Tipp der Expertin: Eigenschaften umformulieren
Dies betreffe einerseits die Bezeichnung der Stelle, die man neutral formulieren könne. Also: Teamleitung statt Teamleiter, Verwaltungskraft statt Sachbearbeiter. Andererseits sei auch der Fließtext der Ausschreibung wichtig. "Frauen identifizieren sich unbewusst mit anderen Begriffen als Männer", sagt Schirmer. Sie fühlten sich eher angesprochen, wenn Eigenschaften – vor allem typisch männliche – als Verhaltensweisen beschrieben würden: Zum Beispiel "Ziele mit Ausdauer verfolgen" statt "hartnäckig" oder "Ziele klar im Blick haben" statt "ehrgeizig".
Dass die Sprache in Stellenanzeigen bedeutsam ist, weiß auch Dagmar Ringel. Sie leitet den Bereich Unternehmenskommunikation und Marketing beim Würzburger Druckmaschinenhersteller Koenig & Bauer. "In Stellenausschreibungen ist es besonders wichtig, auch die weibliche Form zu verwenden", sagt Ringel. Aus Erfahrung weiß sie, dass sich mehr Frauen bewerben, wenn die Stellenbezeichnung explizit beide Geschlechter anspricht.
In Stellenausschreibungen ist gendergerechte Sprache ein Stück weit vorgeschrieben. In anderen Bereichen, in denen Unternehmen Sprache nutzen, jedoch nicht. Dabei gibt es auch dort einige Aspekte zu beachten: Wie sollten Firmen ihre Kunden (und Kundinnen), wie ihre Mitarbeitenden ansprechen? Soll der Sekretär beim Erstellen von Präsentationen auf eine gendergerechte Sprache achten? Wenn ja, wie? Kurzum: Sollen Unternehmen gendern oder nicht? Die Antwort: Es kommt darauf an.
Ob ein Unternehmen gendergerecht kommuniziert, hängt auch von der Zielgruppe ab
Kommunikationsexpertin Schirmer sagt: "Ob ein Unternehmen gendern sollte, hängt davon ab, in welcher Branche und in welchem Umfeld es sich bewegt, wer seine Zielgruppe ist und wie diese Menschen angesprochen werden möchten." Habe ein Unternehmen eine junge, urbane, gebildete und progressive Zielgruppe, so sei es sinnvoll, gendergerecht zu kommunizieren. Sei die Zielgruppe einer Firma dagegen eher älter, traditionell ausgerichtet und mit nicht-gegenderter Sprache aufgewachsen, stoße das Unternehmen seine Kunden mit geschlechtergerechter Kommunikation eventuell eher ab.
"Unternehmen sollten sich mit dem Thema auseinandersetzen und eine bewusste Entscheidung treffen, die sie in regelmäßigen Abständen überprüfen", sagt Schirmer. Egal wie sich eine Firma entscheide, wichtig sei eine konsistente Kommunikation. "Die Art und Weise, wie ich als Unternehmen mit Menschen umgehe – und dazu gehört die Sprache –, ist ein Teil der Unternehmenskultur", sagt Schirmer. Wer gendere, sollte dies sowohl nach innen als auch nach außen hin tun. Aber wie?
Vom Binnen-I zum Doppelpunkt: Was gängig ist
Um geschlechtergerecht zu kommunizieren, gibt es verschiedene Möglichkeiten - von Doppelpunkt und Genderstern bis zu Binnen-I und Doppelnennungen (siehe Infokasten). Der Rat für deutsche Rechtschreibung empfiehlt die meisten dieser Formen aus orthografischen und grammatikalischen Gründen bisher nicht.
Bei Koenig & Bauer gibt es laut Ringel seit kurzem die Vorgabe, den Doppelpunkt zu nutzen ("Kolleg:innen"). Denn nur der Doppelpunkt werde von Sprachausgabeprogrammen beim maschinellen Lesen von Texten als Pause erkannt und entsprechend nicht vorgelesen. "Da Sprache aber mit Ästhetik zu tun hat, versuchen wir – wo möglich – auch den Doppelpunkt zu vermeiden und sprechen beispielsweise von Beschäftigten", schreibt Ringel.
Doreen Neuendorf leitet die Global Communications Abteilung von Kneipp in Würzburg. Sie teilt auf Nachfrage mit, dass die genutzte Sprache zum Unternehmen, zum Empfänger und zum Thema passen müsse. Bei Kneipp seien verschiedene Formen in Gebrauch, von der Doppelnennung über den Genderstern bis zum Schrägstrich. Denn: "Wir sehen gendergerechte Sprache als Prozess. Als etwas, das bereits in Teilen gelebt wird, sich aber auch entwickeln muss."