Das Stück mag vor einem Jahrhundert in Deutschland ein Sensationserfolg gewesen sein und den Namen Max Mohr über Nacht bekannt gemacht haben – aber ist seine Komödie "Improvisationen im Juni" nicht völlig veraltet? Warum sollte man sie heute der Vergessenheit entreißen? Das mag sich mancher gefragt haben, der am Samstag auf dem Rasen hinter der Umweltstation am Nigglweg zur szenischen Lesung des Stücks im Rahmen der Aktion "Würzburg liest ein Buch" gekommen war.
Am Ende, nach 70 bewegenden Minuten, stellte sich wohl keiner mehr diese Frage. Denn Mohrs "Improvisationen" drehen sich, wie die Dramaturgie von Susanne Bettels klar herausarbeitet, um zeitlose Themen, die heute mindestens so aktuell sind wie kurz nach dem Ersten Weltkrieg: In welchem Verhältnis stehen Reichtum und Glück? Welchen Preis haben Selbstbestimmung, Freiheit und Erfolg?
Dreiakter handelt von einem amerikanischen Milliardärssohn
Mohrs Dreiakter, den damals unter anderem der legendäre Regisseur Max Reinhardt mit Heinrich George in Berlin inszenierte und der auch im Würzburger Stadttheater zu sehen war, handelt von einem amerikanischen Milliardärssohn, den der Glaube seines Vaters, alles sei käuflich, abstößt, und der in Melancholie verfällt. In einem Juni geben ihm die Tochter eines "Improvisators" (heute würde man ihn Impro-Schauspieler nennen) und ein Tierwärter den Glauben an die Menschheit zurück – weil beide nicht käuflich sind.
Dieser Sohn, der nicht will, dass sein Herz "in Banknoten eingewickelt" bleibt, steht in krassem Gegensatz zum Vater, dem drittreichsten Mann der Welt, einem skrupellosen Börsenspekulanten. Wenn dieser sagt "Not gibt es nicht, sie ist eine Erfindung der europäischen Presse" so sind spätestens hier die Parallelen zur Gegenwart, etwa zu den Realitätsverdrehungen Donald Trumps, mit Händen greifbar.
Mit leichter Hand vorgebrachte Gesellschaftskritik
Auch das absurde Spektakel, dass drei Milliardäre (Jeff Bezos, Elon Musk und Richard Branson) sich derzeit ein Wettrennen um den ersten Flug ins All bieten, kommt in den Sinn. Alles ist käuflich, auch eine Reise zu den Sternen, selbst wenn die Gesellschaft zuhause, der man so viele Steuern wie möglich vorenthält, zugrunde geht.
Mohrs mit leichter Hand vorgebrachter Gesellschaftskritik hauchten zwei Schauspielerinnen und vier Schauspieler des Mainfranken Theaters Leben ein, obwohl sie nur hinter Tischen und Mikrophonen saßen: Edith Abels, Jojo Rösler, Martin Liema, Hannes Berg, Georg Zeies und Anselm Müllerschön. Ihre oft von ausdrucksvollen Gesten unterstrichene Lesung war von Vogelgezwitscher und gelegentlichen Lachern des Publikums begleitet und endete mit lautem, völlig berechtigtem Applaus.
"Die Poesie des Positiven" erblühe in Mohrs Komödie
Als "Improvisationen im Juni" am 11. Dezember 1923 im Würzburger Stadttheater aufgeführt wurde, war der Rezensent des Würzburger General-Anzeigers begeistert. Es wehe ein "frischer Wind durch das wunderliche Gerank des Stückes", schrieb er. "Die Poesie des Positiven" erblühe in Mohrs Komödie "aus dem Sieg der Sehnsucht nach selbst zu erkämpfender Freiheit".
Der Autor des Artikels beklagte gleichzeitig, dass der Kreis jener klein sei, die sich für Mohr interessierten, der in Würzburg geboren wurde und aufwuchs. Mit der Aktion "Würzburg liest ein Buch", bei der vor allem Max Mohrs 1933 erschienener Roman "Frau ohne Reue" im Mittelpunkt steht, dürfte sich das endgültig ändern.