Ein leichtes Antippen mit dem Zeigefinger genügt und das Edelstahlbein schnellt nach vorn. Kick. Das Bein trifft den Ball. Und Tor! Auf das Schussbein kommt es beim Tipp-Kick-Spielen ganz besonders an. Unter der Hand eines versierten Spielers wird es zum Präzisionsinstrument. So wie bei den Süddeutschen Einzelmeisterschaften in Rottendorf.
"Reaktionsschnelligkeit und ein gutes Auge sind entscheidend", erklärt Organisator Wolfgang Renninger. In den 1970er und 80er Jahren war die Fußballsimulation mit dem ausrollbaren Spielfeld ein Kultspiel. Kaum ein fußballinteressierte Jugendlicher, der damals nicht damit aufwuchs. Für diejenigen, die ihrer Leidenschaft treu geblieben sind, ist das Turnier in der Rottendorfer Erasmus-Neustetter-Halle der erste große Wettbewerb nach der Coronapause.
An den beiden Turniertagen sind 57 Spieler zusammengekommen, um ihren Meister zu küren. In normalen Zeiten sind es bis zu 200 Teilnehmer, erzählt Renninger. Die meisten Spieler hatten längere Anfahrtswege. In der Region Würzburg gibt es derzeit keine eigene Tipp-Kick-Mannschaft. Auch Wolfgang Renninger tritt als "Legionär" an - für den FFB, die Flinken Finger Fürstenfeldbruck. Bis 2003 trat er für die die Eisefüß Würzburg an. Mangels Spielern mussten sie sich auflösen. Der Siegeslauf der Computer-Fußballsimulationen hat ab den 1990er Jahren Tipp-Kick ins Abseits gedrängt.
Renninger hatte das Team gegründet, gemeinsam mit dem wenige Jahre älteren Harald Götz. Bis heute ist er sein Trainingspartner. "Ohne Schusstraining und regelmäßiges Spielen kann man oben nicht mithalten", weiß Renninger. In kurzen Hosen und Sportschuhen, schlank und drahtig wirkt der 54-Jährige wie ein gut trainierter Fußballer. Ein Turniertag besteht aus etwa 25 Spielen. Am Abend sei dies natürlich zu spüren. Bis heute bilden End-Vierziger und Fünfziger die größte Gruppe unter den insgesamt 550 in Vereinen organisierten Spielern. Dennoch gibt es überraschend viele junge Spieler um die 20 und auch Senioren. Nur Frauen fehlen. Tipp-Kick ist zumindest bei dem Turnier in Rottendorf ein reiner Männersport.
Die Gegner stehen sich leicht gebückt gegenüber. Den Kontrahenten im Blick. Die Konzentration ist ihnen ins Gesicht geschrieben. Dazwischen die Turnierplatte und ein Schiedsrichter. Gespielt wird nach den Regeln des Fußballs. Der Spielwart eröffnet das Spiel. Dann geht alles ruck-zuck. Bis auf das Quietschen der Turnschuhe auf dem Hallenboden und vereinzelte O- oder A-Rufe ist wenig zu hören. In nur zweimal fünf Minuten ist eine Partie entschieden. Die Farbe, die auf dem kantigen Ball nach oben zeigt, gibt an, wer auf das gegnerische Tor schießen darf. Und das passiert reichlich: Stramme Fernschüsse, geschickte Heber über den Gegenspieler kennzeichnen das Spiel. Langwieriges Ballgeschiebe passt nicht zu Tipp-Kick.
Auch die Wahl der passenden Spielerfigur ist wichtig. Jede der fünf Figuren, die einem Spieler zur Verfügung stehen, hat eine eigene Spezialität. Die unterschiedlich geformten Schussbeine ermöglichen unterschiedliche Spielmanöver wie das "Farbenlegen". Eine echte Spielerlegende hat diesen Spielzug entwickelt. Norman Koch hatte in den frühen 1980er Jahren herausgefunden, dass sich der Ball mit etwas Geschick und vor allem viel Übung so vorlegen lässt, dass er die eigenen Farbe anzeigt. Aus guter Schussposition lässt sich dann das Tor ins Visier nehmen.
In den 1980er Jahren hat Koch regelrecht Meistertitel gesammelt. Auch Renninger beherrscht das Farbenlegen. Das demonstriert er in der Vorderrunde eindrucksvoll: Im Spiel gegen einen deutlich jüngeren Gegner, der auch schon deutscher Meister war, liegt er rasch vorne: Tipp-Kick und Tor. Am Ende hat er fünf Treffer. Sein Gegner nur einen.