Bedeutende Dokumente mainfränkischer Geschichte sind beim schweren Unwetter in der Nacht auf den 30. Mai 2016 im Schlamm versunken. Seitdem liegt das private Archiv der fränkischen Adelsfamilie von Zobel auf Eis in einem Kühlhaus bei Würzburg. In wenigen Tagen werden die tiefgefrorenen Zeugnisse fränkischer Geschichte in einem Kühltransporter nach Leipzig transportiert, um zu retten, was noch zu retten ist.
Die Zobels stellten zwei Bischöfe
Über acht Jahrhunderte hinweg galten die Zobels als eine der bedeutendsten und einflussreichsten Familien im mainfränkischen Adel. Sie stellten zwei Bischöfe und konnten wichtigste Positionen im Domkapitel besetzen. Das mächtige Stammschloss der Freiherren von Zobel steht in Giebelstadt (Lkr. Würzburg). Bis 2008 war das Schloss in Familienbesitz. Dann wurde es zwangsversteigert und Stephan von Zobel, der letzte Angehörige des Adelsgeschlechts zog aus. Das Schloss wird derzeit zu einem Hotel umgebaut.
Das Archiv war zeitweise verschwunden
Bei seinem Auszug nahm Zobel auch das Archiv der Adelsfamilie mit. Darunter Urkundenabschriften ab 1308 bis zum Ende der Monarchie, Gemeinde- und Gotteshausrechnungen, diverse Gerichtsprotokolle. Lange Zeit wusste das Staatsarchiv Würzburg, dem nach einen Fideikommiss die Aufsicht über das Zobel'sche Archiv übertragen ist, nicht wo sich die Dokumente befanden. Selbst das Oberlandesgericht Bamberg wurde bemüht. Erst dann stellte sich heraus, dass Stephan von Zobel die Dokumente ins Schloss nach Darstadt (Lkr. Würzburg) brachte. Hier wohnt Heiner von Zobel, ein weitläufiger Verwandter aus der Darstadter Linie des Adelsgeschlechts.
Zwei Drittel der Regale standen unter Wasser
„Eine Flutwelle wie in der Nacht auf den 30. Mai hat das Schlösschen noch nicht erlebt“, sagt Heiner von Zobel. Seit 550 Jahren steht der Bau – und weder Bauernkrieg noch der Dreißigjährige Krieg haben dem Schloss zugesetzt. „Wer ahnt denn, dass dort eine Matschlawine reinrollt“, sagt Stephan von Zobel wenige Tage nach dem sein Archiv untergegangen ist.
Fachleute der Staatsarchive Würzburg und Bamberg sowie eine Restauratorin aus München haben die historischen Dokumente wenige Tage nach dem Unwetter aus dem Schlamm geholt und sie erst einmal tiefgekühlt. Etwa zwei Drittel der Regale standen unter Wasser.
In Leipzig werden die Archivalien gefriergetrocknet
„Alles richtig gemacht“, sagen die Restauratoren vom Zentrum für Bucherhaltung in Leipzig. Bei einem Wasserschaden komme es darauf an, die Papiere so schnell wie möglich einzufrieren, um Schimmelwachstum und weitere Schäden zu vermeiden. Fast zehn Monate sind seitdem vergangen. Noch immer ist das Archiv auf Eis gelegt.
Erst vor kurzem hat sich Stephan von Zobel entschieden, seine historische Sammlung dem Freistadt Bayern zu überlassen. Die Generaldirektion der Staatlichen Archive Bayerns hat daraufhin die Experten in Leipzig damit beauftragt, die historischen Dokumente zu restaurieren. Mitte Februar werden die sechs Paletten dann aus dem Kühlhaus geholt und nach Leipzig gebracht. Hier werden sie zunächst gefriergetrocknet. Das heißt, das Eis geht sofort in den gasförmigen Zustand über, ohne, dass die Dokumente weiterer Feuchtigkeit ausgesetzt sind.
So wird verhindert, dass Schriften verlaufen können, das Papier zusätzlich quillt, Bindungen und Einbände weiter geschädigt werden.
Archiv soll wieder benutzbar sein
„Wenn es trocken ist, zeigen sich die Schäden. Auch, ob sich Schimmel gebildet hat“, sagt Restauratorin Jana Moczarski. Sie hat reichlich Erfahrung mit der Rettung historischer Dokumente. Die Archivalien des Kölner Stadtarchivs oder die teils verbrannten Bücher der Anna-Amalia-Bibliothek in Weimar wurden in Leipzig restauriert.
Wenn das Adelsarchiv wieder hergestellt ist, soll es im Staatsarchiv Würzburg, später in Kitzingen, wieder benutzbar sein. „Unser Ziel ist es nicht, den ursprünglichen Erhaltungszustand des Archivs wieder herzustellen. Wir wollen einen benutzbaren Zustand“, sagt Julian Holzapfel von der Generaldirektion der staatlichen Archive Bayerns in München.
Stephan von Zobel lebt mittlerweile in Greding und ist froh über diese Lösung: „Das ist doch gut so. Ich kanns nicht zahlen, also zahlt's der Freistaat Bayern“, sagt er kurz und knapp am Telefon.