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Schwierige Spurensuche
Das ZobelarchivDas schriftliche Erbe einer der bedeutendsten fränkischen Familien ist verschwunden. Geht jetzt ein wichtiges Stück Geschichte verloren?
Von unserem Redaktionsmitglied Thomas Fritz
 |  aktualisiert: 15.12.2020 11:20 Uhr

Adel verpflichtet nicht immer. Stephan von Zobel hat offenbar bei seinem Auszug aus dem Giebelstadter Schloss auch das wertvolle Familienarchiv der bedeutenden fränkischen Adelsfamilie eingepackt und mitgenommen. Wohin die Urkunden und Aufzeichnungen gebracht wurden, weiß niemand so genau. Es beginnt eine spannende Suche nach wichtigen Relikten fränkischer Geschichte.

Die erste Spur führt ins Staatsarchiv Würzburg. Die Archivare hier müssten eigentlich wissen, wo das Zobel'sche Adelsarchiv ist. Denn ein Fideikommiss aus dem Jahre 1942 schützt das wertvolle Kulturgut der Zobels und stellt es unter Aufsicht. „Das Archiv ist weg“, sagt Archivdirektor Werner Wagenhöfer nüchtern. „Wir wissen nicht, wo es ist. Nur, dass es nicht mehr in Bayern sein soll.“ Wagenhöfer steht in unregelmäßigen Kontakt mit Zobel. Beim letzten Gespräch habe der Freiherr wohl angedeutet, dass er vorhabe, die historischen Unterlagen ins Schloss nach Darstadt zu bringen.

Hierhin führt die nächste Spur. Heiner von Zobel, mit dem Giebelstadter Stefan von Zobel sehr weitläufig verwandt, wohnt hier. Beide Linien haben sich 1597 getrennt. Heiner von Zobel hat sporadisch Kontakt mit Stefan von Zobel. Schon länger haben die beiden aber nicht miteinander gesprochen. Stefan von Zobel wohnt nach der Zwangsversteigerung des Familiensitzes in Giebelstadt mittlerweile in Tauberbischofsheim. Aber auch hier sei er selten anzutreffen, weiß Heiner von Zobel. Vor langer Zeit hätten die beiden mal über das Archiv gesprochen, aktuell sei es aber kein Thema. „Damals habe ich ihm einen Raum im Darstadter Schloss angeboten. Das Angebot gilt immer noch“, sagt Heiner von Zobel. Ihm wäre es am liebsten, wenn beide Familienarchiv – das der Darstädter Linie ist im Besitz der Kirchenstiftung Karlsruhe – irgendwann einmal im Darstädter Schloss aufbewahrt würden.

„Die bayerische Denkmalpflege zieht den Schwanz vor den Eigentümern ein.“

Klaus Graf, Historiker

Also wieder keine heiße Spur. Sollte Stefan von Zobel etwa vorhaben, das bedeutende Familienarchiv zu verkaufen? Der Gedanke kommt nicht von ungefähr. Im Herbst 2002 sorgte Zobel für Schlagzeilen, weil er Kunstwerke aus seinem Schloss versteigern ließ. Mehr als 50 wertvolle Stücke, darunter Möbel und Porträts der Freiherrn von Zobel, mussten kurzfristig von der Angebotsliste genommen werden. Sie sind Bestandteil des Schlosses und dürfen nicht veräußert werden, stellte die Untere Denkmalbehörde am Landratsamt Würzburg damals fest. Ein Teil der Kunstwerke ist im Depot des Mainfränkischen Museums auf der Feste Marienberg eingelagert.

Kenner der Szene, wie ein Kunstfahnder des Landeskriminalamtes München (LKA), glauben nicht, dass Zobel vorhat, das Archiv zu verkaufen. Denn es gebe kaum einen Markt dafür. Vereinzelt würden Sammler alter, verschnörkelter Handschriften zwar bei Internetversteigerungen auftreten, Erkenntnisse über kriminelle Handlungen habe das LKA aber keine. Auch Heiner von Zobel glaubt nicht, dass Stephan von Zobel vorhat, die historischen Dokumente zu verkaufen. „Er ist ja selbst studierter Historiker. Für ihn hat das Archiv viel mehr Wert als die Kunstschätze.“

Ein neuer Tipp aus Zobels Umfeld führt zur Gamburg ins Taubertal. Hier lebt Hans-Georg von Malinckrodt. Zobel soll hier nach seinem Auszug aus dem Giebelstadter Schloss untergekommen sein. „Nein. Das Archiv ist nicht hier“, sagt Malinckrodt. Zobel sei, als er noch in Giebelstadt gelebt hat, öfter zu Besuch auf der Burg gewesen. „Seit seinem Auszug habe ich ihn allerdings kaum gesehen“, so Malinckrodt.

Vielleicht wissen ja die Denkmalschützer im Landratsamt Würzburg etwas? Sachgebietsleiter Armin Stumpf gibt sofort an seinen Mitarbeiter Günter Führich weiter. „Ich weiß von dem Archiv überhaupt nichts“, sagt dieser lapidar. „Das Familienarchiv ist nicht Teil des Schlosses, es unterliegt folglich auch nicht dem Schutz des Denkmalschutzgesetzes“, heißt es dazu offiziell vom Landesamt für Denkmalpflege.

Klaus Graf – der Historiker ist Geschäftsführer des Hochschularchives der Technischen Universität Aachen – tritt entschieden für den freien Zugang zu Adelsarchiven ein. „Die bayerische Denkmalpflege zieht den Schwanz vor den Eigentümern ein und schützt lieber alte Gemäuer als alte Dokumente“, kritisiert er. Graf hat damals die Zobel'schen Kunstgegenstände im Auktionskatalog entdeckt und den Fall im Internet öffentlich gemacht.

Über den Wert des Zobel'schen Archives gibt es unterschiedliche Ansichten. Materiell kann er kaum veranschlagt werden. So sieht Archivdirektor Wagenhöfer die Zobel'sche Dokumentensammlung als ein „normales Archiv“ mit einem relativ niedrigen Wert an. Professor Helmut Flachenecker, der an der Würzburger Universität einen Lehrstuhl für Fränkische Geschichte hat, sieht die Zobels auf einer Linie mit anderen bedeutenden fränkischen Adelsgeschlechtern – wie beispielsweise den Familien Wolffskeel, Hutten oder Thüngen. „Die Zobels stellten zwei Bischöfe und schafften es ins Domkapitel. Das ist ein Indikator dafür, wie bedeutsam sie sind“, sagt Flachenecker. Grundsätzlich sei es wichtig, dass solche lokalen Adelsarchive im Land bleiben.

Kreisarchivpfleger Peter Wamsler kennt das Zobel-Archiv. „Es ist die wichtigste und einzige Quelle für die Giebelstadter Geschichte vor Beginn des 19. Jahrhunderts.“ Die Aufzeichnungen würden auch viele Ortschaften in der Umgebung betreffen. „Sollte das Archiv nicht wieder auftauchen, geht ein großes Stück Giebelstadter Ortsgeschichte verloren“, so Wamsler weiter. Bürgermeister Helmut Krämer würde das Zobel'sche Familienarchiv am liebsten im Dachgeschoss des Friesenhäuser Schlosses – Zobel verkaufte das Anwesen in den 70er Jahren an die Gemeinde – sehen. „Zuerst hatte der Baron durchaus Interesse, sein Archiv im Rathaus unterzubringen“, sagt Krämer. „Dann aber wieder nicht mehr.“ Dass das Archiv weg ist, hält auch Krämer für „keine schöne Situation“. Er habe Zobel vor einigen Wochen getroffen und ihn darauf angesprochen. Es sei in sicheren Händen, habe er als Antwort bekommen. Wo es ist, weiß aber auch Krämer nicht.

Also bleibt nur der Weg, Stefan von Zobel selbst danach zu fragen. Es ist schwer, Kontakt zu ihm zu bekommen. Über seinen Würzburger Anwalt Hannes Kaschkat gelingt es schließlich. „Mein Mandant möchte dazu keine Stellungnahme abgeben“, teilt Kaschkat mit. Er lässt aber durchklingen, dass sich das Archiv wohl in Richtung Darstadt bewegen wird. „Vielleicht ist es sogar schon dort“, deutet er an.

Bernhard Grau, zuständig für die Archivpflege in der Generaldirektion bayerischer Archive in München, liegt das Archiv der Zobels am Herzen. Die Verhandlungen seien schwierig, auch weil Zobel schlecht zu erreichen sei. Zu Zwangsmaßnahmen wollen die obersten bayerischen Archivare aber erst einmal nicht greifen. „Wir hoffen auf eine gütliche Einigung“, so Grau.

Einen Tag nach dem Telefonat meldet sich Grau erneut. „Es gibt gute Nachrichten“, teilt er mit. „Das Archiv ist in Darstadt und die Urkunden sind sogar schon ausgepackt“, sagt er. Und in wenigen Wochen, wenn Stefan von Zobel wieder in Tauberbischofsheim ist, soll es einen Ortstermin mit dem Mitarbeitern des Würzburger Staatsarchivs in Darstadt geben.

Diese Spur scheint heiß zu sein. Ist das Adelsarchiv also doch bei Heiner von Zobel in Darstadt? Der windet sich, sagt weder Ja noch Nein. „Es ist immer gut, wenn man nichts weiß“, sagt er nebulös. Von einem Ortstermin mit dem Staatsarchiv wüsste er noch nichts. Und was ist mit dem Raum, den er für das Archiv zur Verfügung stellen will? „Der ist noch leer“, sagt er. Das Archiv bleibt vorerst also spurlos verschwunden.

 
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