Ihre Geschichte hat ein starkes Medienecho gefunden: Die Würzburgerin Maria Herbst, die just an ihrem 100. Geburtstag den Grünen beigetreten ist – um ein Zeichen gegen aufkeimenden Rechtsextremismus zu setzen. Auch überregionale Medien berichteten über sie, manche erkannten sie plötzlich auf der Straße. "Das waren schon aufregende Wochen", lächelt die 100-Jährige.
Zahlreiche Partei-Eintritte aus allen Regionen und Altersschichten
Für die Partei ist Maria Herbst fraglos ein ganz besonderes Neumitglied. Deshalb haben sie die bayerischen Landesvorsitzenden Gisela Sengl und Eva Lettenbauer nun in Würzburg auf einen Kaffee getroffen – und nicht nur Maria Herbst. Denn so wie sie sind in ganz Unterfranken in den letzten Monaten verstärkt ältere Menschen den Grünen eingetreten.
"Vorbei die Zeit, als wir eine Partei für die Jungen waren", sagt die Bezirksvorsitzende Simone Artz. Man verzeichnet Neuzugänge in allen Regionen und aus allen Altersschichten, und zwar auf Rekordniveau: Allein in den ersten beiden Monaten kamen in Unterfranken so viele Parteimitglieder hinzu wie im kompletten Vorjahr – die meisten im Kreisverband Haßberge, also im ländlichen Raum.
Nach Information von Laura Heiser, Pressesprecherin der bayerischen Grünen, zählt der unterfränkische Bezirksverband derzeit 2147 Mitglieder, dies sei ein neuer Höchststand. Allein in diesem Jahr seien bereits 145 Mitglieder hinzugekommen – neben der 100-jährigen Maria Herbst auch die 88-jährige Waltraud Schumann-Anfang und die 81-jährige Helga Weßner. Was die drei eint: Sie wollen nicht nur wählen, sondern aktiv etwas bewegen.
An den Ständen zur Europawahl wird man sie freilich nicht antreffen, das wäre für die Seniorinnen körperlich zu anstrengend. Ansonsten präsentieren sich die drei im Gespräch mit den Grünen-Landesvorsitzenden und den Landtagsabgeordneten Kerstin Celina und Patrick Friedl durchaus kämpferisch: "Man muss doch etwas tun!", sagt die friedensbewegte Psychologin Weßner, die wegen all der Krisen und der Gefahren für die Demokratie in die Partei eingetreten ist.
Für Maria Herbst waren es vor allem die Demonstrationen gegen den Rechtsextremismus zu Beginn des Jahres. Die hätten ihr gezeigt, dass es Zeit sei aufzustehen gegen Ausgrenzung und Fremdenfeindlichkeit. Zuvor, das gibt sie offen zu, sei sie parteimüde geworden. Aber "der Rechtsextremismus hat mich wieder aufgerüttelt."
Erinnerungen an die Schrecken von NS-Diktatur und Krieg
Sie könne altersbedingt selbst nicht mehr auf Demonstrationen gehen, "aber ich will passiv mithelfen." In den 30er Jahren habe sie miterlebt, was die Nazi-Diktatur angerichtet hat, bis hin zur Zerstörung Würzburgs am 16. März 1945. Die Bombennacht erlebte sie auf der Flucht aus der Stadt. "Das waren harte Zeiten. Das kann sich heute keiner mehr vorstellen."
Deshalb sei es so wertvoll, ältere Zeitzeugen in der Partei zu haben, finden die Landtagsabgeordneten Celina und Friedl. Ihre Erfahrungen seien wichtig, um aus der Vergangenheit zu lernen. Die 88-jährige Waltraud Schumann-Anfang hat als Kind miterlebt, wie eine jüdische Frau aus der Wohnung gegenüber geschleppt wurde.
Sie ist besorgt über den Zuwachs der rechten AfD und das raue gesellschaftliche Klima. Die Verhältnisse seien "grauenvoll" geworden, deshalb müsse man gegen den Rechtsruck angehen. Die Demokratie, das wissen die Rentnerinnen noch aus der Vorkriegszeit, ist keine Selbstverständlichkeit. Deshalb müsse man sie immer wieder verteidigen.
Das Wahlrecht, findet Waltraud Schumann-Anfang, sei eine Errungenschaft. Deshalb hoffen die Seniorinnen auch, dass bei der Europawahl am 9. Juni möglichst viele Menschen davon Gebrauch machen.