Was beschäftigt die evangelische Landeskirche in Bayern – und in der Region? Gisela Bornowski (62), Regionalbischöfin des Kirchenkreises Ansbach-Würzburg, erläutert im Interview, welche Themen auf der vor wenigen Tagen zu Ende gegangenen Herbsttagung diskutiert wurden und welche sie generell bewegen. Und berichtet, was sie in ihrer Amtszeit bislang nie tun musste. Die verheiratete Theologin wurde im März 2014 in Würzburg in ihr Amt eingeführt. Eines ihrer zentralen Anliegen ist, der Kirche ein menschenfreundliches Gesicht zu geben.
Gisela Bornowski: Ich verstehe nicht, woher diese Ansicht kommt. Seit Jahrzehnten haben wir bayernweit Unterstützungsmaßnahmen für Betroffene etabliert. In München gibt es ein eigenes Referat, das sich ausschließlich mit diesem Thema beschäftigt und die Präventionsmaßnahmen in den Gemeinden weiter voranbringt. Jeder, der bei uns mitarbeitet, ehrenamtlich oder hauptamtlich, muss sich damit auseinandersetzen und schulen lassen. Und in jedem Dekanat gibt es Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner für Opfer sexualisierter Gewalt.
Bornowski: Erfreulicherweise nicht. Keinen einzigen Pfarrer musste ich wegen eines Vorwurfs suspendieren. In meiner Amtszeit wurde ein Erzieher in einem Kindergarten in Schweinfurt sofort aus dem Dienst genommen. Von größerem Ausmaß war der 2019 bekannt gewordene Missbrauch von Kindern in der Einrichtung in Würzburg-Heuchelhof. Der Logopäde war jedoch kein Mitarbeiter.
Bornowski: Auf das Ergebnis bin ich sehr gespannt. Für diese Studie haben sich alle Landeskirchen zusammengetan, um von unabhängiger Stelle Missbrauchsvorwürfe untersuchen zu lassen.
Bornowski: Der Reformprozess, den wir 2017 gestartet haben, heißt "Profil und Konzentration". Es geht darum, dass wir uns gemäß unserem Auftrag, die Liebe Gottes zu den Menschen zu bringen, profilieren wollen und uns konzentrieren auf das Wesentliche. Wir werden uns manches auch nicht mehr leisten können. Bis 2030 werden wir etwa 20 Prozent unseres jetzigen Haushalts einsparen. Für die Pfarrhäuser heißt das: 50 Prozent behalten, ein Viertel verkaufen, ein Viertel als Ertragsobjekt weiterführen. Auch muss überlegt werden, wie viele Tagungshäuser unser Haushalt noch verträgt.
Bornowski: Landeskirchlich wurden zwei Firmen beauftragt, Tagungshäuser auf ihre bauliche Substanz und ihre wirtschaftliche Situation hin zu beurteilen. Eine Arbeitsgruppe untersuchte die inhaltliche Konzeption. Das führte in unserem Kirchenkreis dazu, dass wir in zwei Jahren für den Unterhalt des Tagungsortes Wildbad-Rothenburg nicht mehr aufkommen können.
Bornowski: Das ist bei uns noch nicht im Blick. Wobei wir auch überlegen, in welcher Region eine Kirche noch aufwändig saniert wird. Oder ob wir jedes Gemeindezentrum noch benötigen.
Bornowski: Die Untersuchung hat gezeigt, wo wir Schwerpunkte setzen müssen: Wichtig ist die Gestaltung des Konfirmanden- und Religionsunterrichts, ebenso von niederschwelligen Angeboten, mit denen wir uns auf die Menschen hinbewegen. Am 23. März dieses Jahres gab es zum Beispiel an zwölf Orten in der Landeskirche die Möglichkeit, sich spontan und "einfach" segnen oder kirchlich trauen zu lassen. Das war ein tolles und berührendes Erlebnis. Weit über 100 Paare sind gekommen.
Bornowski: In der Landeskirche haben wir rund 146.000 Ehrenamtliche. Auf der Herbstsynode gab es einen Bericht. Für mich war die Quintessenz: Ehrenamtliche wollen wahrgenommen und wertgeschätzt werden. Oft wird es als viel zu selbstverständlich angesehen, dass Menschen ihre Kraft, Energie und Ideen und Kompetenzen einbringen. Obwohl wir zunehmend eine Kirche der Ehrenamtlichen werden, weil die Hauptamtlichen weniger werden.
Bornowski: Es gibt bereits qualifizierende Weiterbildungen, etwa im Gottesdienstbereich. Ehrenamtliche leiten Gottesdienste und können dafür auch eine Ehrenamtspauschale erhalten. Wir wollen zeigen, dass wir die Ehrenamtlichen ernstnehmen und ihnen Verantwortung geben. Das muss noch mehr gelebt werden.
Bornowski: Josef Schuster, der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, hat sich in einem Brief ausdrücklich bedankt. Unsere Solidaritätsbekundung wurde auch in andere Dekanate hineingetragen. Bisher gab es keine Kritik.
Bornowski: Ich habe den Eindruck, dass viele hinter den jüdischen Gemeinden und dem israelischen Staat stehen, das aber nicht ausdrücken. Und die, die besonders laut sind, die Gegner, werden gehört. Sicher passiert in Gaza auch viel Schreckliches. Aber das rechtfertigt nicht den Terrorangriff am 7. Oktober. Und diese Angriffe auf jüdische Menschen bei uns sind unsäglich.
Bornowski: Viele scheinen nicht zu wissen, wie der israelische Staat entstanden ist und was es bedeutet, sich als Staat behaupten zu müssen umgeben von arabischen Völkern. In unserer Schulzeit in den 1970er Jahren war das ein großes Thema.
Bornowski: Ja, drei Kernaussagen dazu: Jesus war Jude. Christen und Juden haben eine gemeinsame jüdische Wurzel. Das Christentum ist nicht ohne das Judentum denkbar. Zweitens: Wir sind als Institution in der NS-Zeit ebenfalls schuldig geworden, weil wir uns damals nicht zum jüdischen Volk bekannt haben. Auch Martin Luther war kein Held, auch er hat judenfeindliche Aussagen gemacht. Wir sind uns unserer Schuld in der Geschichte bewusst. Drittens: Aus dieser Einsicht heraus leiten wir Verantwortung ab und widerstehen jeder Judenfeindschaft. Gleichzeitig wurde formuliert, dass die Rechte der Palästinenser und eine Friedenslösung gewährleistet werden können, ohne dass die gebotene Solidarität für jüdische Menschen vernachlässigt wird. Vor 25 Jahren hat man allerdings gedacht, wir haben den Antisemitismus überwunden.