zurück
Ochsenfurt
Region Ochsenfurt: Warum ist so viel Amphetamin im Abwasser?
Eine Untersuchung der TU Dresden hat erstaunliche Daten geliefert: Im Abwasser aus Ochsenfurt und Umgebung fand sich überdurchschnittlich viel Amphetamin. Wie kommt das?
An der Kläranlage in Winterhausen wurden die Proben für die Untersuchung entnommen (Archivfoto).
Foto: Gerhard Meißner | An der Kläranlage in Winterhausen wurden die Proben für die Untersuchung entnommen (Archivfoto).
Claudia Schuhmann
 |  aktualisiert: 08.02.2024 11:34 Uhr

Was für eine Nachricht: Einer Untersuchung der Technischen Universität (TU) Dresden zufolge wird im Raum Ochsenfurt im bayernweiten Vergleich überdurchschnittlich viel von der synthetischen Droge Amphetamin konsumiert. Diesem Umstand auf die Spur kamen die Wissenschaftler durch Untersuchungen des Abwassers aus der Verbandskläranlage in Winterhausen. Die Untersuchung war von BR24 und der Sendung Kontrovers in Auftrag gegeben worden. Was lässt sich aus dem Ergebnis ableiten?

Björn Helm von der TU Dresden hat die Studie begleitet. Seine Aufgabe ist allein die wissenschaftliche Auswertung. Er kann erklären, wie solche Studien funktionieren. Im Abwasser enthaltene Informationen werden seit geraumer Zeit gesammelt und ausgewertet.

"Wenn bei einem Flächenstaat wie dem Freistaat Bayern nur an acht Orten solche Untersuchungen erfolgen, fühlen sich diese zu Unrecht an den Pranger gestellt."
Landtagsabgeordneter Volkmar Halbleib (SPD)

Die europäische Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht führe derartige Untersuchungen schon seit einigen Jahren europaweit durch, sagt Helm. Ziel ist es, langjährige Entwicklungen beim Drogenkonsum festzustellen - etwa, welche Drogen gerade besonders häufig konsumiert werden oder welche nicht mehr so hoch im Kurs stehen. Die TU Dresden ist an diesen Untersuchungen beteiligt.

Dabei ist sie auf die Unterstützung der Mitarbeiter der jeweiligen Kläranlagen angewiesen, im Fall der bayernweiten Untersuchung die der Verbandskläranlage in Winterhausen. An deren Zufluss wurde an sieben Trockenwettertagen im Spätsommer 2021 die Proben entnommen, eingefroren und dann nach Dresden geschickt. Die Abwässer von rund 32 000 Einwohnern kämen in Winterhausen zusammen, erklärt Betriebsleiter Martin Michel.

TU Dresden: Untersuchung liefert objektive Aussagen

Davon machen die rund 11 500 Ochsenfurter nur etwa ein Drittel aus. Mitglieder im Zweckverband sind neben Ochsenfurt zehn weitere Gemeinden: Marktbreit, Gaukönigshofen, Sonderhofen, Segnitz, Martinsheim, Sommerhausen, Frickenhausen, Gelchsheim, Giebelstadt, und Obernbreit; Winterhausen ist angeschlossen.

Helm zufolge hat die Abwasseruntersuchung einen entscheidenden Vorteil gegenüber den herkömmlichen Methoden zur Untersuchung des Drogenkonsums: Sie liefert objektive Aussagen sowohl zur Menge als auch zur Art der konsumierten Betäubungsmittel, während man etwa bei Befragungen von Konsumenten den Wahrheitsgehalt der Aussagen nicht kontrollieren kann oder weil Strafverfolgungsbehörden nur bei Verstößen gegen das Betäubungsmittelrecht tätig werden. Der unentdeckte Konsum kann also in diese Erhebungen nicht einfließen, das Bild bleibt unvollständig. "Ein Rückschluss auf den tatsächlichen Drogenkonsum ist auf der Basis dieser Daten kaum möglich", schreibt die TU Dresden.

Die Abwasseruntersuchung hingegen zeigt schlicht an, wie viel von den untersuchten Substanzen sich im Abwasser einer bestimmten Region befindet, was ein Zurückrechnen auf die Menge der konsumierten Substanzen je Einwohner erlaubt. Dabei, erklärt Björn Helm, wird eine durch Konsumentenbefragungen ermittelte durchschnittliche Dosis zugrunde gelegt: die Konsumeinheit. Für die Berechnung wird ein formalisiertes Verfahren angewandt, das unter anderem berücksichtigt, wie viel von der Substanz ein Mensch ausscheidet.

Menschliche Ausscheidungen enthalten jede Menge Informationen.
Foto: Martin Gerten, dpa | Menschliche Ausscheidungen enthalten jede Menge Informationen.

Während die Region Ochsenfurt bei Kokain, Ecstasy, Crystal Meth und Nikotin im Vergleich mit den anderen untersuchten Kommunen Aschaffenburg, Freyung, Hof, München, Nürnberg, Rosenheim und Traunstein unauffällig blieb, ergab sich für Amphetamin oder Speed ein ganz anderes Bild: Auf drei bis 13 Konsumeinheiten je 1000 Einwohner kommt die Untersuchung für die Kläranlage in Winterhausen. Gleich hinter Aschaffenburg nimmt sie damit einen der beiden Spitzenplätze ein. 60 bis 400 Einwohner nehmen folglich täglich eine Dosis Amphetamin zu sich.

Diese Spannbreite, erklärt Björn Helm, entsteht aus den Unsicherheiten bei der Ausscheidungsrate und der Konsummenge pro Konsument. Die ermittelten Werte könnten als Hinweis für einen überdurchschnittlichen Konsum gewertet werden, so die TU Dresden zu ihrer Untersuchung. In den gemessenen Amphetamin-Werten enthalten sind übrigens auch die Reste legaler Amphetaminderivate, etwa aus verschreibungspflichtigen Medikamenten. Den Berechnungen der TU Dresden zufolge dürften diese aber nur etwa zehn Prozent der gefundenen Gesamtmenge ausmachen.

Amphetamin wirkt wie ein Adrenalinschub

Gibt es jenseits der Abwasseruntersuchung Beobachtungen, die die Vermutung eines überdurchschnittlichen Konsums stützen? Holger Faust leitet die Jugend- und Drogenberatungfür Würzburg und Umgebung. Er sagt, dass detaillierte zahlenmäßige Erhebungen dazu nicht vorliegen. Die Klientel der Drogenberatung komme zu 30 Prozent aus dem Landkreis Würzburg, weiter aufgedröselt werden die Zahlen nicht. Faust hat aber allgemeine Erkenntnisse aus seinem Berufsalltag. Demzufolge machen den größten Anteil der Klientel Cannabis-Konsumenten aus, dann folgen die Nutzer von Opiaten und Opioiden. Die drittgrößte Gruppe sind Konsumenten von Stimulanzien, zu denen auch Amphetamine zählen.

"Die Wirkung ist gar nicht so sehr psychoaktiv, sondern mehr wie ein Adrenalinschub", sagt Faust. Die Substanz mache körperlich wach und steigere die Konzentrationsfähigkeit. Die Bewältigung des Alltags falle manchen Konsumenten dadurch leichter. Zwar erfolge der erste Kontakt mit Amphetaminen zumeist in der Freizeit, etwa wenn Freunde etwas davon bei einem Party-Wochenende anbieten, weiß der Drogenberater. Für manche Konsumenten bleibe es dabei, andere entdeckten den "Nutzen" der Droge aber auch für andere Situationen. Vom klassischen Wochenend-Probierkonsum verschiebt sich der Konsum in den Alltag: Man braucht die Droge, um zu "funktionieren", es entsteht eine Sucht.

Amphetamin ist ein synthetisches Rauschgift (Archivfoto).
Foto: Thomas Frey, dpa | Amphetamin ist ein synthetisches Rauschgift (Archivfoto).

Den "typischen" Amphetamin-Konsumenten gebe es nicht, meint Faust. Die Klientel sei breit gefächert und gehe quer durch alle Gruppierungen: Gestresste Arbeitnehmer, die durchhalten wollen, Studenten, Schüler, Hausfrauen, Manager - ganz unterschiedliche Menschen hat Faust in diesem Zusammenhang schon beraten. "Man darf dabei keine einzelnen Gruppen anprangern", stellt er klar.

Vermutung: Kleine Gruppe harter Konsumenten kann zum Anstieg führen

Wieso das Konsumverhalten im Raum Ochsenfurt anders sein sollte als im übrigen Zuständigkeitsgebiet seiner Beratungsstelle, dafür kennt Faust keine plausiblen Gründe. Er kann sich aber vorstellen, dass schon eine kleine Gruppe harter Konsumenten, die täglich Amphetamine nehmen, zu einem solchen Anstieg an Drogenrückständen im Abwasser führen kann. In Unterfranken gebe es jedenfalls keine offene Szene wie in manchen Großstädten, wo man auf der Straße Amphetamin bekommt. "Der Verkauf findet meistens in Privatwohnungen statt", weiß Faust.

Nicht gänzlich ausgeschlossen ist auch, dass eine zeitlich begrenzte Situation solche Ergebnisse beeinflussen kann. So berichtet Björn Helm, dass während des Lockdowns entnommene Abwasserproben in Sachsen auffällig hohe Werte an Speed und Crystal Meth ergeben hatten. Der Wissenschaftler hält es für denkbar, dass die Substanzen damals vermehrt genommen wurden, um den belastenden Alltag im Lockdown besser ertragen zu können. Holger Faust glaubt, dass einmalig zu einem bestimmten Zeitpunkt ermittelte Werte schwer zu beurteilen seien. Unter anderem, weil eine bestimmte äußere Situation wie etwa Corona sie beeinflussen kann.

Polizei wertet Studie als ergänzenden Erkenntnisgewinn

Dass eine zuverlässige Interpretation der Studie schwierig sei, findet auch die unterfränkische Polizei. Dazu fehlten weitergehende Informationen zur Methodik, heißt es aus der Pressestelle des Präsidiums. Die Studie könne aber als ergänzender Erkenntnisgewinn gewertet werden. Es gebe hierzu einen engen Austausch mit dem bayerischen Landeskriminalamt, dem Landratsamt Würzburg und der Stadt Ochsenfurt.

Die Pressestelle bestätigt, dass es in Ochsenfurt keine offene Drogenszene gebe. Zwar stiegen im Bereich der dortigen Polizeiinspektion die Fallzahlen im Bezug zu Drogenkriminalität an, das sei aber auch anderswo im Regierungsbezirk so. Zum einen liege das daran, dass über digitale Vertriebswege illegale Substanzen heute leichter verfügbar seien, zum anderen aber auch an der aktiven Bekämpfungsstrategie der Polizei etwa durch intensivierte Kontrollen, die zu höheren Fallzahlen führe. Daneben liege der Polizei auch die Prävention am Herzen, so die Pressestelle. Es gebe eine Kooperation mit den Jugend- und Gesundheitsämtern an den Schulen, so auch für Ochsenfurt.

Staatsregierung antwortet auf parlamentarische Anfrage

Die Abwasseruntersuchung hat auch den Ochsenfurter Landtagsabgeordneten Volkmar Halbleib (SPD) auf den Plan gerufen. Eine parlamentarische Anfrage seinerseits sei von der Staatsregierung beantwortet worden, lässt Halbleib in einer Pressemitteilung verlauten. Aus der Antwort lasse sich eine gewisse Skepsis des Bayerischen Innenministeriums gegenüber der Aussagekraft der Untersuchung ablesen. Wichtiger für die Bekämpfung illegaler Drogen sei demnach eine differenzierte Datenanalyse aus der Arbeit der Polizei und Drogenpräventionsstellen.

Die Staatsregierung wolle nicht auf regelmäßige Abwasseruntersuchungen setzen, sondern auf gezielte Präventionsmaßnahmen. Hierfür spricht sich auch Halbleib selbst aus und ergänzt: „Wenn bei einem Flächenstaat wie dem Freistaat Bayern nur an acht Orten solche Untersuchungen erfolgen, fühlen sich diese zu Unrecht an den Pranger gestellt." Es bleibe aber das Verdienst der Studie, das Augenmerk wieder auf dieses Thema zu richten.

 
Themen & Autoren / Autorinnen
Ochsenfurt
Claudia Schuhmann
Amphetamin
Drogenszene
Kläranlagen
Martin Michel
Opiate
Polizei
SPD
Stadt Ochsenfurt
Technische Universität Dresden
Volkmar Halbleib
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen
Kommentare
Aktuellste
Älteste
Top
  • Veraltete Benutzerkennung
    „ Daneben liege der Polizei auch die Prävention am Herzen, so die Pressestelle. Es gebe eine Kooperation mit den Jugend- und Gesundheitsämtern an den Schulen, so auch für Ochsenfurt.“
    An solche Art von Prävention kann ich mich noch gut erinnern. Wir Jugendlich wurden damals zur Drogenprävention ins Gasthaus eingeladen. Bei Boer und Wein wurden wir dann über die Gefährlichkeit von Drogen aufgeklärt. Dass Alkohol, an dem jährlich zig tausenden Menschen alleine in der Bundesrepublik sterben, eine der gefährlichsten Drogen überhaupt ist, wurde noch nicht mal am Rand gesprochen.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • K. K.
    kommen die untersuchten Flüssigkeiten

    von Menschen oder von Tieren ?
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • K. K.
    Geht Ihr Hund oder Katze aufs Klo?
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • K. K.
    re @ 1958kosb"... na klar grinsen

    aufs " Katzekloo.... !

    Ich dachte eigentlich mehr an Tiere aus der Landwirtschaft. zB aus Zucht- und Mastanlagen. Da wird oftmals mancher Dreck... in den Kanal " gekärchert und läuft
    nicht in eine Stalleigene Grube. Zudem liest man ja des öfteren, dass bei der Masse
    an Grossställen LEIDER auch viel Tiermedizin in den Ställen verabreicht wird. In den angeschlossenen Kanalgemeinden gibt es sicher entsprechende Grossställe. Wo das
    Zeug nun herkommt weiss man nicht. Die Proben wurden lang nach den Zusammen-
    lauf im Sammler Winterhausen entnommen. ( Können Sie nun folgen ?? )
    Danke....
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • K. H.
    Tipp an alle Junkies: In den Garten pinkeln, dann ist es im Abwasser nicht mehr nachweisbar. Bis es im Trinkwasser ist, dauert es 10 Jahre. Dann haben aber wenigstens alle was davon...
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • R. E.
    Vielleicht spielt da ja auch Ritalin eine Rolle?
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • H. S.
    vielleicht wird wegen vieler Polizeikontrollen das Zeug ins WC geworfen?
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • Veraltete Benutzerkennung
    Der hohe Drogenkonsum im Bereich Ochsenfurt wundert mich nicht. Die Leute sind doch schon lange drogenabhängig. Bier, Wein und Schnapskonsum wird auf Bier und Weinfesten schon früh antrainert. Die selben Politiker, die die relativ harmlose Droge Cannabis verteufeln, sind jene, die den deutlich gefährlicheren Alkohol bei jeder Gelegenheit hochleben lassen.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • F. B.
    Amphetamin im Abwasser

    Ich würde mich nicht wundern, wenn nach dem Beitrag verstärkt bei Nacht Leute gesehen werden, die bei Winterhausen mit einem Kanister oder auch zwei über den Zaun der Kläranlage klettern, um sich den kostenlosen Amphetamin-Drink zu besorgen.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten