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Gerbrunn
Ratsbegehren Gerbrunn: Vereine sind sauer auf Freie Wähler
Eine Anzeige der Freien Wähler sorgt für Unmut. Die Partei wirbt für das Ratsbegehren mit der Unterstützung der "großen Gerbrunner Vereine". Was steckt dahinter?
Am 8. November sind die Bürger Gerbrunns dazu aufgerufen, über die Zukunft des Biotops am Kirschberg zu entscheiden.
Foto: Thomas Obermeier | Am 8. November sind die Bürger Gerbrunns dazu aufgerufen, über die Zukunft des Biotops am Kirschberg zu entscheiden.
Maria Lisa Schiavone
 |  aktualisiert: 10.05.2023 10:24 Uhr

Ein kleiner Satz schlägt gerade große Wellen im Gerbrunner Vereinsleben. Im aktuellen Mitteilungsblatt der Gemeinde "Der kleine Anzeiger" wirbt die Gemeinderatsfraktion der Freien Wahlgemeinschaft Gerbrunn (FWG) mit einer Anzeige für das bevorstehende Ratsbegehren. Am 8. November können die Gerbrunner abstimmen: für das Ratsbegehren (Bürgerentscheid 1) und die Erweiterung des Industriegebietes, auf dem das Transport- und Erdbau-Unternehmen Riegel ein neues Betriebsgelände bauen würde, oder für das Bürgerbegehren (Bürgerentscheid 2) und somit für den Erhalt des Biotops Am Kirschberg. 

Der Werbetext der Freien Wähler hat allerdings eine Besonderheit. Laut der Anzeige werde die Partei dabei von den "großen Gerbrunner Vereinen" unterstützt. Entscheidend ist dieser Satz am Ende der Anzeige: "Mit den großen Gerbrunner Vereinen bitten wir Sie deshalb: Unterstützen Sie das Ratsbegehren, stimmen Sie für den Bürgerentscheid 1". 

Welche Vereine sind gemeint?

Das wirft die Frage auf, um welche Gerbrunner Vereine es sich eigentlich handelt, von denen in der Anzeige die Rede ist. Nach Ansicht des FWG-Sprechers und zweiten Bürgermeisters Reinhard Kies sprechen sich die Vereine zu Gunsten des Ratsbegehrens und damit für die Bebauung des Biotops aus: "Das Echo bei den Vereinen zeigt Wohlwollen", sagt er gegenüber dieser Redaktion. Welche Vereine das genau sind, wollte Kies nicht sagen. Damit bleibt auch unklar, ob tatsächlich Vereine zum Ratsbegehren Stellung beziehen oder ob die Unterstützung nur von Einzelpersonen ausgeht. 

"Das Echo bei den Vereinen zeigt Wohlwollen."
Zweiter Bürgermeister und FWG-Sprecher Reinhard Kies

Vereine sind verärgert über das Vorgehen

Einige Gerbrunner Vereine wurden bereits auf die Anzeige angesprochen, so wie der Ortsverband der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG). Dieser distanziert sich von der Anzeige der Freien Wähler : "Wir wurden von keinem kontaktiert und haben dazu auch nie ein offizielles Statement abgegeben, das würde auch gegen unsere Satzung verstoßen. Die DLRG verhält sich hier neutral. Wir freuen uns, wenn Bürger zur Wahl gehen, aber wir nehmen weder eine Position für den Bürgerentscheid noch für das Ratsbegehren ein", sagt Ortsverband-Vorstand Tobias Elswick.

Auch der Gerbrunner Tennisclub TC Rot-Weiß distanziert sich: "Als gemeinnütziger Sportverein sind wir in politischen Fragen, die keine Berührungspunkte zu unseren satzungsgemäßen Zwecken haben, ausdrücklich neutral. Es gab daher auch keinerlei entsprechende Abstimmung mit den Freien Wählern Gerbrunn", teilt Vorsitzender Christian Borchers dieser Redaktion mit. 

Die Redaktion hat bei zwei weiteren großen Vereinen angefragt. Diese wollten sich jedoch nicht zu der Anzeige äußern. 

Ein Verein bezieht tatsächlich Stellung

Von einem Verein kommt indes tatsächlich eine öffentliche Stellungnahme zum Bürgerentscheid. In derselben Ausgabe veröffentlichte der TSV 1877 Gerbrunn unter der Rubrik "Mitteilungen örtlicher Vereine" einen Beitrag mit dem Titel "Demokratie 2020 – Überlegungen zum Bürger- und Ratsbegehren". Geschehnisse aus dem Vereinsleben finden sich darin nicht, stattdessen äußert sich Steffen Seifert vom Vereinsvorstand zu der Wahl am 8. November:

"Wenn mir jemand die Frage stellt, ob ich die Zerstörung oder Bebauung eines Biotops unterstütze, würde ich dies wahrscheinlich grundsätzlich verneinen" schreibt er und ergänzt, dass auch für die Wohngebiete am Kirschberg Biotopflächen zerstört worden sind. "Die Bevölkerung und ihre Ansprüche entwickeln sich und damit auch unser Bedarf an Bebauung", heißt es dort.

In dem Beitrag werden auch die Verdienste der Firma Riegel als Sponsor des Vereins angeführt.
So habe das Unternehmen beim Bau des Vereinsheims "tatkräftig unterstützt". Außerdem heißt es: "Wir brauchen in der Gemeinde solche Unternehmer, die die sozialen und kulturellen Traditionen in Gerbrunn unterstützen." Sollte das Ratsbegehren Erfolg haben, würde das Unternehmen ein neues Betriebsgelände auf dem Biotop bauen. 

TSV: Thema sollte "farbenfroher" beleuchtet werden

Mit ihrer Stellungnahme im Gemeindeblatt wolle der TSV-Vorstand ihrer satzungsgemäßen Aufgabe nachkommen: der "Erziehung zu fairer Haltung und sportlicher Kameradschaft sowie die Vertiefung des Zusammengehörigkeitsgefühls", wie Vorstand Steffen Seifert gegenüber dieser Redaktion mitteilt. Der Artikel im Anzeiger habe "aufzeigen sollen, dass die anstehenden Entscheide nur schwierig in ein Schwarz-Weiß-Schema gepresst werden können. Das Thema wird sehr polarisierend dargestellt und wir haben versucht, dies etwas 'farbenfroher' zu beleuchten."

Dem TSV-Vorstand sei es zudem wichtig, dass sich die Bürger in der Diskussion "nicht so sehr entzweien": "In unseren Sportgruppen treiben aktuell Befürworter und Gegner der Bebauung Kirschberg IV gemeinsam Sport und dies wollen wir auch in den nächsten Jahren noch in dieser Form machen können", so der Vorstand.

Wo sonst immer Vereinsnachrichten stehen, steht nun auf knapp zwei Seiten eine Stellungnahme zu einer politisch strittigen Frage. Dürfen Vereine das im redaktionellen Teil des Gemeindeblattes? Laut Bürgermeister Stefan Wolfshörndl gebe es dazu "keine genauen Festsetzungen in Form von Richtlinien der Gemeinde", demnach könnten auch Statements der Vereine abgedruckt werden. 

Der Bürgermeister hält die Stellungnahme des Vereins für unproblematisch: "Der TSV ist ein unbeteiligter Dritter, insofern sehe ich hier keinen Zusammenhang. Wenn sich der Vorsitzende des größten Vereins der Gemeinde dazu äußert und dies relativ wertneutral darstellt und die Leute auffordert, zur Wahl zu gehen und Pro und Contra zu prüfen, dann sehe ich darin weder eine Beeinträchtigung der Demokratie, noch dass sich jemand auf eine Seite stellt." 

Problematisch empfand Bürgermeister Wolfshörndl hingegen eine Anfrage der Vertreter des Bürgerbegehrens "Biotop am Kirschberg erhalten". Diese wollten im Sommer einen Beitrag über den Ausgang des Bürgerbegehrens im Gemeindeblatt veröffentlichen.

Damals schienen die redaktionellen Richtlinien noch klarer definiert zu sein. So antwortete der Bürgermeister den Vertretern des Bürgerbegehrens mit den Worten: "Mit redaktionellen Berichten sind wir sehr zurückhaltend, da 'Der kleine Anzeiger' keine klassische Zeitung ist. Es gibt die interne Richtlinie, dass bei politisch strittigen Fragen keine Pro- beziehungsweise Contra-Pressemitteilungen abgedruckt werden, Anzeigenschaltungen sind möglich. Insofern gerne eine gestaltete Anzeige."

 
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Kommentare
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  • Mainheini
    Was passiert denn, wenn das Biotop erhalten werden muss? Bürgerbegehren haben nur eine begrenzte Lebensdauer. Wartet Riegel, bis diese Frist vorbei ist oder zieht er mit seinem Betrieb ganz aus Gerbrunn weg? Andere Gemeinden würden ihn sicher gerne begrüßen.
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  • georg-ries@web.de
    Gibt es in Gerbrunn nur diese Fläche? Kaum zu glauben!!!!
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  • Bezirksrat Gerhard Müller
    "Das Echo zeigt Wohlwollen", blumiger geht es nicht (ansonsten sehr) geschätzter Herr Bürgermeister Kies? Ich höre auch viel "wohlwollendes Echo", natürlich zugunsten des Biotops, mit hoffentlich weniger Staub und vielen echten Blumen grinsen
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