Drei junge Männer müssen sich vor dem Jugendschöffengericht in Würzburg dafür verantworten, am 24. Juli 2019 im Dallenbergbad aus einer größeren Gruppe heraus Polizisten bedrängt und bedroht zu haben, um ihren verhafteten Freund zu befreien. Im Raum steht eine Verurteilung wegen Landfriedensbruch, Beleidigung, Bedrohung und versuchte Gefangenenbefreiung. Fünf Polizeibeamte, die der Gruppe gewaltbereiter Jugendlicher gegenüberstanden, waren am zweiten Verhandlungstag als Zeugen geladen.
"Wir wollten nur noch unsere Haut retten", sagt einer der Polizisten. Einen derart "aggressiven Mob" habe er in 13 Dienstjahren noch nicht erlebt, erklärt ein anderer. Jugendliche seien "mit erhobenen Fäusten" auf ihn zugerannt und blockierten auf der Straße vor dem Bad die Abfahrt der Polizeiautos.
Andere Beamte schildern die Situation nicht ganz so bedrohlich. Einig sind sich alle darüber, dass man knapp vor dem Einsatz von Schlagstock und Pfefferspray und einer Eskalation war. "Zum Glück haben sie den Festgenommenen im falschen Auto vermutet", beschreibt ein Beamter, wie es schließlich glückte, mit M. weg zu fahren.
M. ist einer der Haupttäter aus einer rund 40-köpfigen Gruppe krimineller Jugendlichen, die im vergangenen Jahr in Würzburg zahlreiche Körperverletzungen und Raubüberfälle begangen haben. Im Juli 2019 wurde gegen den 18-Jährigen ein Haftbefehl wegen eines gemeinschaftlichen Einbruchdiebstahls erlassen. Zivilbeamte, die in dieser Zeit die Gruppe im "Dalle" beschatteten, erkannten ihn auf der Liegewiese, wo er mit Freunden einen Joint rauchte und Bier trank.
Warum wurde M. im Dallenbergbad und nicht zuhause verhaftet?
"Als die übrige Gruppe im Wasser war, schien die Gelegenheit günstig, ihn zu verhaften", erklärt ein Beamter der zivilen Einsatzgruppe vor Gericht. Er lag in Badehose auf der Liegewiese in der Nähe von M. und dessen Freundin. Also wurden bereit stehende Zivilbeamte geholt, die M. - ohne Gegenwehr - auf den Boden legten und mit Handschellen fixierten.
Weil "man damit rechnen konnte, dass es zu Solidarisierungssituationen kommt", wie ein Beamter schildert, wollte man M. dann möglichst schnell und ohne Aufsehen aus dem größten Freibad Mainfrankens bringen. Das gelang nicht.
Warum wurde M. nicht in der Familienwohnung verhaftet? Auf die Nachfrage des Würzburger Strafverteidigers Norman Jacob jun. antwortet ein Beamter im Gerichtssaal: "Teilweise sucht man jemanden wochenlang. Da nutzt man die Chance zur Festnahme, wenn man sie hat." Inzwischen ist der Würzburger verurteilt worden und verbüßt eine 19-monatige Jugendstrafe.
Einer der Hauptbeteiligten gesteht
Eine andere Frage ist, warum die Polizei die Beteiligten des durch die Festnahme ausgelösten Tumults nicht unmittelbar identifiziert hat. Oberstaatsanwalt Boris Raufeisen erklärt das gegenüber dieser Redaktion mit der aggressiven Stimmung im Dallenbergbad, die man durch weiteres Einschreiten nicht weiter aufheizen wollte. Diese "Deeskalation" sei vernünftig gewesen, zumal die "Hauptbeteiligten durch eingesetzte Beamte erkannt und als Täter überführt werden konnten".
Einer der vier Hauptbeteiligten ist vor dem Jugendschöffengericht geständig. Die Beweislage zur Mittäterschaft der anderen ist allerdings verworren. Denn die Jugendlichen im Zeugenstand können sich zwar gut daran erinnern, welcher ihrer Freunde am Tag des Geschehens nicht im Dallenbergbad war. Wer aber dort war, wissen sie nicht mehr. Auch die Polizisten machen unterschiedliche Aussagen zu den Beteiligten.
Oberstaatsanwalt Raufeisen erklärt gegenüber der Redaktion "etwaige Ermittlungsdefizite hinsichtlich etwaiger weiterer Zeugen und oder Täter" mit der "Dynamik des Einsatzes". Warum die Polizei keine weitere Verstärkung angefordert hat, erklärt das nicht.
Klar wird in der Verhandlung, dass die Polizei für einige Jugendliche prinzipiell ein Feindbild ist. Zwei der drei Angeklagten haben vor und nach dem Vorfall im Dallenbergbad Polizisten beleidigt. Eine Polizeianwärterin schilderte mit Tränen in den Augen das "herablassende Verhalten" eines Angeklagten bei einem Vorfall am Bahnhof. Dieser entschuldigt sich vor Gericht bei ihr. "Ich habe nichts gegen Sie persönlich”, sagt der 16-Jährige, der zuletzt im Februar Polizisten den Mittelfinger zeigte. "Ich mag nur keine Menschen in Uniform."
Woher kommt das? Ein Zivilpolizist, der die Gruppe im Dalle immer wieder beobachtete, erzählt, wie sich die Jugendlichen gegenseitig aufstachelten, von Machtgehabe, Erniedrigungen und "Joints, wie am Fließband". Ein Kollege schildert, wie Jugendliche vor Freunden durch "Aggression gegen uns den starken Mann markieren". Und eine 16-jährige Zeugin sagt über die Haupttäter: "In der Gruppe waren sie die ganz Großen, die alle krass fanden."
Die Verhandlung wird am Mittwoch fortgesetzt.