
Friedrich-Bergius-Ring Nr. 27: Der Würzburger Maler Reinhold Müller stellt einen Ausschnitt seines künstlerischen Schaffens aus, abstrakte Acryl-Bilder. Aber anschauen kann die Werke diesmal nicht jeder: Voraussetzung ist, dass ein Familienangehöriger, Freund oder Bekannter in der Justizvollzugsanstalt (JVA ) einsitzt und dass man eine Besuchs-Erlaubnis hat.
Und dann muss man auch erst noch Handy, Autoschlüssel und Papiere in ein Schließfach legen und außerdem alles, was für einen Inhaftierten "interessant" sein könnte. Dann geht's noch durch einen Metall-Detektor. Müllers Bilder hängen in der "Einflugschneise" der JVA, zwischen Torwache und Besucher-Trakt, bunte, rechteckige Tupfer an sonst tristen Betonwänden.
Bis zu 1200 Besucher gehen im Monat an den ausgestellten Bildern vorbei
Der Ausstellungsraum, ein langer Flur, verspricht von der Statistik her guten Besuch: Durchschnittlich 1200 Gäste von draußen sind pro Monat auf diesem Flur unterwegs. Vor der Begegnung mit dem Gefangenen sind die Besucher aber meist aufgeregt und nicht unbedingt an Müllers Bildern interessiert. Und nach dem Besuchstermin sind viele einfach "fertig". Wenn sie Richtung Torwache gehen, wollen sie möglichst schnell hier raus.
Aber genau deswegen, so der Leitende Regierungsdirektor Robert Hutter, Chef der JVA, bei der Ausstellungseröffnung, sei der Ort günstig, weil bei den unterschiedlichen Stimmungslagen der Besucher manches Bild mit seinen Farben doch als Mut machender Lichtblick ankommen könne. An Müllers Ausstellung müssen außerdem natürlich Anwälte vorbei, die einen Gesprächstermin mit Mandanten haben, für einen Maler ein interessantes Publikum. Vielleicht hängt manches Bild demnächst in einer Anwaltskanzlei.
Für die meisten Insassen der JVA ist die Ausstellung allerdings nicht besuchbar
Für die meisten Insassen der JVA ist die Ausstellung allerdings nicht besuchbar. Nur Gefangene aus dem Arbeitsbereich Gebäudereinigung kommen beim Bodenwischen vorbei und Gefangene am Entlassungstag, auf dem Weg in die Freiheit. Merkwürdig, meint man, aber JVA-Chef Hutter kann es begründen. Das sei eine Ausstellung für die Öffentlichkeit mit JVA- Bezug, sagt er. Ein Zellenbau mit ganz unterschiedlich strukturierten Gefangenen wäre dafür ungeeignet: Die Bilder könnten den einen oder anderen Gefangenen anregen, der zu Vandalismus und Zerstören neige. Und die Ausstellung so sicher zu präsentieren, dass Reinhold Müller sie demnächst unbeschädigt von der Wand nehmen und einpacken kann, wäre zu aufwändig.
Maler Müller ist seit über zehn Jahren Stammgast in der Justizvollzugsanstalt
Reinhold Müller kennt man dennoch im Knast. Seit über zehn Jahren geht er, als einer von über 40 ehrenamtlichen Mitarbeitern, einmal in der Woche freiwillig in die JVA, zu einem Malkurs für Untersuchungsgefangene. Jahrzehntelang hatte er als Verwaltungsangestellter in der Flurbereinigungsdirektion sein künstlerisches Talent unterdrücken müssen. Da waren gerade Linien gefordert, für Pläne zur Dorferneuerung und Weinbergsbereinigung, für Sportplätze und Feldwege. Der Maler in Müller kam erst danach richtig zum Zug und auf die Visitenkarte. Inzwischen ist er gefragt, bei großer Bandbreite: Festung, Käppele oder Gardasee für Leute, die etwas "konkretes" im Rahmen haben wollen, er bringt Donald Duck in Kinderzimmer, den Heiligen Florian auf Feuerwehrhäuser, gestaltet Garagentore und Hauswände, Weinstuben, Hotelzimmer und Shisha-Bars.
Nur Dienstagvormittag ist er nicht zu erreichen. Da geht Müller in den Knast mit dem beruhigenden Gefühl, dass er im Gegensatz zu den meist um die 600 Untersuchungs- und Strafgefangenen am Mittag wieder in Freiheit ist und vorher Handy, Pkw-Schlüssel und Geldbeutel wieder aus dem Schließfach holen kann.