
Der Brexit macht den Briten Durst – sogar auf französisches Bier. Aber wenn ein Unterfranke dabei hilft, für 77 Millionen Flaschen Bier etwa 35 Millionen Euro an Steuern zu hinterziehen, versteht das Landgericht Würzburg keinen Spaß: Heute beginnt der Prozess gegen einen fränkischen Komplizen französischer Bierschmuggler.
Der Mann aus Waldbrunn (Lkr. Würzburg) ist nicht der erste Franke, der auf diese Art zuerst Millionen machte – und dann Bekanntschaft mit dem Gefängnis. In einem vergleichbar großen Fall hatten sich die Bierschmuggler bis 2016 Komplizen aus Hof gesucht, die ihnen die tarnende Fassade lieferten. Jetzt landeten auf dem Papier binnen zwei Jahren über dreitausend Lkw-Ladungen Bier in Eisingen und Waldbrunn (Lkr. Würzburg) – tatsächlich aber wohl auf dem Schwarzmarkt in Großbritannien.
77 Millionen Flaschen
Der Unterfranke soll damit fünf Millionen Euro gemacht haben. Er lieferte wohl die tarnende Fassade für ein Bierschmuggler-Kartell in Frankreich, das die unterschiedlich hohen Steuern in der EU gewinnbringend nutzte. Mit ihm wurde am 12. März ein 56-jähriger französischer Hintermann und "Organisator einer international agierenden Gruppierung" (so der Zoll) verhaftet, der gegen Jahresende vor Gericht muss. Die Ermittlungen von Zoll und Staatsanwaltschaft Würzburg erstreckten sich auf acht Tatverdächtige mit unterschiedlichen Staatsbürgerschaften.
Untersuchungen zeigten, dass hierher statt der angeblich 3300 Lkw-Ladungen höchstens 20 zur Tarnung angeliefert worden waren - um den Schein zu wahren. Die geschmuggelte Biermenge würde zehnmal fürs Münchner Oktoberfest reichen. "Die Bestände trugen teilweise ein abgelaufenes Haltbarkeitsdatum und dürften nur gelagert worden sein, um bei Kontrollen einen ordnungsgemäßen Betriebsablauf vorzutäuschen", vermuten die Ermittler beim Zoll.
Biersteuer in England: zehnmal so hoch wie hier
In Frankreich ist die Biersteuer 3,7 mal so hoch wie in Deutschland, in Großbritannien zehnmal so hoch. "Der Gesamtbetrag der hinterzogenen Biersteuer beläuft sich auf 35,7 Millionen Euro", sagt Oberstaatsanwalt Raufeisen.
Pech für den Würzburger Bierschmuggler: Als die Zöllner zur Durchsuchung kamen, fanden sie bei ihm auch andere verbotene Genußmittel: Ein Heroingemisch, Marihuana und/oder Kokain wurden sichergestellt, deren Besitz jetzt Teil der Anklage ist.
Haftstrafen drohen
Im Würzburger Fall waren Zöllner bei einer unangemeldeten Routinekontrolle misstrauisch geworden. Sie beobachteten das Betriebsgelände in Eisingen, zählten die ankommenden Bierlaster und fanden heraus: Offenbar kam nur ein Bruchteil der Bierlieferungen, die angeblich in Frankreich auf die Reise gingen, auch in Franken an – obwohl die Papiere etwas ganz anderes sagten.
Vor zwei Jahren hatte die Fährte nach Hof geführt – und auch dort wurde der Schaden auf rund 30 Millionen Euro geschätzt.
Nur eine Briefkastenfirma
Aus Sicht des Zolls diente die hiesige Firma nur dazu, einen ordnungsgemäßen Betriebsablauf vorzutäuschen und Steuerfahnder hinters Licht zu führen. "Unterm Strich war das Lager in Eisingen nur eine riesige Briefkastenfirma", betont Schüttenkopf.
Die Biersteuer ist in Großbritannien noch höher als in Frankreich - und etwa zehn Mal so hoch wie in Deutschland. "Als Verbraucher bekommt man davon nichts mit", sagen Zollbeamte. Die Flaschen würden in Großbritannien meist zu handelsüblichen Preisen an Straßenkiosks vertrieben. Damit machen die Täter noch ein zweites Mal einen satten Gewinn.
Spuren im Schnee
Der Schmuggel boomt. Manchmal melden sich Zeugen beim Zoll – so wie 2015: Der Bierschmuggel nach Hof flog auf, weil ein Fahrer aus Bulgarien sich mit seinem deutschen Arbeitgeber überworfen hatte. Der Fahrer kontaktierte die Behörden.
In anderen Situationen verhilft der Zufall zum Ermittlungserfolg. "Vor einiger Zeit hatten wir einen Fall, bei dem es am Zielort einer Lieferung frisch geschneit hatte", berichtet Zollfahnder Christian Schüttenkopf. Der Kontrolleur wollte wissen, ob die Lieferung tatsächlich ihren Bestimmungsort erreicht hatte. Doch er fand keine Reifenspuren.