Die Szene entbehrte nicht einer gewissen Ironie: In der Festscheune des Wöllrieder Hofs am Würzburger Stadtrand saß am Mittwoch die Wirtschaftsstrafkammer über vier mutmaßliche Millionenbetrüger zu Gericht. Coronabedingt wurde nicht in einem der kleinen Sitzungsräume des Würzburger Landgerichts verhandelt. Draußen im Hof wurde gerade für den Auftritt des Liedermachers Konstantin Wecker am Abend aufgebaut. Sein Lied "Ansprache an Millionäre" passt auch für die Prozess-Beteiligten - die Angeklagten wie ihre leichtgläubigen Opfer.
Die vier Männer aus Unterfranken haben gestanden, ihren Kunden traumhafte Investitionen in Entwicklungshilfe-Projekte schmackhaft gemacht zu haben. Das Problem: die Projekte gab es gar nicht. Das Quartett mit der angeblichen "Kongo-Connection" muss mit einer Haftstrafe rechnen.
Kundenberater mit ganz besonderer Überredungskunst
Die Richter der fünften Wirtschaftsstrafkammer am Landgericht Würzburg sind es gewohnt von Hochstaplern abenteuerliche Geschichten zu hören. Aber das Geschäftsmodell, über das sie jetzt urteilen müssen, klingt besondern hanebüchen: Ein früherer Kundenberater der Apotheker- und Ärztebank hat seine alten Kontakte zu vermögenden Kunden genutzt, um auf eigene Faust Kasse zu machen. Geschädigte berichten, dass der Mann über eine ganz besondere Überredungskunst verfügte und es so schaffte, seine Pläne im schönsten Licht darzustellen und alle Zweifel zu zerstreuen.
Dabei ging es angeblich um die Finanzierung von Flaschen, die sauberes Trinkwasser filtern können - für 290 Millionen Euro in Vietnam, 270 Millionen in Kambodscha, eine Milliarde in Indien. Oder um ein Forschungsprojekt für Neutronen-Strahlung für 17 europäische Länder. Oder um den Bau einer Anlage zur Aufbereitung von Klärschlamm im Kongo. Die vier Angeklagten rühmten sich bester Kontakte zur Familie des kongolesischen Ex-Präsidenten Joseph Kabila. Dass das Info-Material falsch war und die Unterschriften gefälscht, ahnten die leichtgläubigen Anleger nicht.
Sie sprachen von der "Kongo-Connection" und Kontakten zu Erdogan
Der Finanzberater und seine drei Partner erzählten potenziellen Geldgebern von ihren guten Kontakten. Dabei war von der "Kongo-Connection" die Rede oder von "Drähten" zur Familie des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan. Für diese Kontakte soll sich sogar der Bundesnachrichtendienst (BND) interessiert haben, wenn man einem der Angeklagten glauben will. Ob das stimmt oder nur in seiner Einbildung existierte, soll eine psychiatrische Gutachterin im Auftrag des Gerichts prüfen.
"Tatsächlich verfügten die Angeklagten aber zu keinem Zeitpunkt über marktreife Konzepte für Projekte, in die man im zwei- oder dreistelligen Millionenbereich hätte investieren müssen", heißt es in der Anklageschrift. Das geliehene Geld wurde nicht investiert, sondern verwendet, um Schulden zu bezahlen, zu reisen, Geliebte zu finanzieren und Häuser zu kaufen.
Angebot für die Kunden "100 Prozent Zinsen"
Weil er in dem Schneeball-System das fremde Geld schneller ausgab als hereinholte, geriet einer der mutmaßlichen Betrüger 2019 in immer größere Schwierigkeiten: Anleger verlangten vehement versprochene Zinsen. Sein Auftreten als Sponsor eines Handballvereins war kostspielig. Und er wollte zwei Immobilen erwerben.
Also bot er seinen Kunden ein "Private Placement" auf einem Schweizer Konto an, für das er sogar 100 Prozent Zinsen für zwölf Monate anbot. "Wie naiv - oder gierig - muss man sein, um solchen Unfug zu glauben?" wunderte sich ein Ermittler. Doch zehn Anleger glaubten dem Versprechen und stellten allein dafür knapp eine Million Euro zur Verfügung.
Die vier Angeklagten verfügten zur Tatzeit laut Anklage "über keine weiteren Einkünfte". Die Männer sind wegen bandenmäßigen Betrugs, Urkundenfälschung und unerlaubtem Betreiben von Bankgeschäften angeklagt. Der Prozess wird am Freitag fortgesetzt.