zurück
Würzburg
Prozess gegen 77-Jährigen in Würzburg: Anklage plädiert auf Totschlag statt Mord
Dass er seine Ehefrau stranguliert und erwürgt hat, hatte der Rentner bereits gestanden.  Staatsanwaltschaft wie Verteidigung plädierten nun auf Verurteilung wegen Totschlags.
Mordprozess am Justizzentrum in Würzburg. Angeklagt ist ein 77-Jähriger. 
Foto: Daniel Peter | Mordprozess am Justizzentrum in Würzburg. Angeklagt ist ein 77-Jähriger. 
Patrick Wötzel
 |  aktualisiert: 08.02.2024 14:04 Uhr

Der Mordvorwurf gegen einen 77-jährigen Würzburger ist vom Tisch: Am Ende des zweiten Verhandlungstags vor dem Würzburger Landgericht haben sowohl Oberstaatsanwalt Thorsten Seebach als auch Verteidiger Martin Reitmaier eine Verurteilung des angeklagten Rentners wegen Totschlags beantragt. Er hatte gestanden, seine 75 Jahre alte Ehefrau am Abend des 15. März im Ehebett erwürgt und mit einem Gürtel stranguliert zu haben.

Durch die Beweisaufnahme lässt sich nicht mit ausreichender Sicherheit nachweisen, dass die Ehefrau geschlafen hatte, als ihr der 77-Jährige die Hände um den Hals legte - darin waren sich Anklagevertreter und Verteidiger einig. Das Mordmerkmal der Heimtücke fällt deshalb weg - und damit auch die Möglichkeit einer lebenslangen Freiheitsstrafe. Uneinigkeit gab es in den Plädoyers bei der Höhe der Strafe: Der Oberstaatsanwalt beantragte sieben Jahre Gefängnis, der Verteidiger hält fünf Jahre für ausreichend.

Nachbarn widersprechen Aussagen des Angeklagten 

Der Angeklagte hatte am zweiten Verhandlungstag erneut erklärt, er habe seiner Frau durch seine Tat Leiden ersparen wollen. Er sprach nun von einer beginnenden Demenz- oder Alzheimer-Erkrankung, die er bei ihr festgestellt haben will. Zeugen aus dem Umfeld des Ehepaares berichteten indes, davon hätten sie nichts bemerkt: "Sie war immer gut drauf, geistig fit und mir eine große Hilfe", sagte eine Bekannte und Nachbarin des Ehepaares vor Gericht. 

Einen wirklichen Streit der Eheleute habe sie nie mitbekommen, so die 70-jährige Zeugin. Der Angeklagte selbst hatte seine Frau als zänkisch und streitsüchtig bezeichnet. "Sie haben sich nur gekabbelt wie ein altes Ehepaar", schilderte die Nichte der Getöteten. Und wenn es um Streitigkeiten  und Prozesse gegen Nachbarn aus dem eigenen Wohnhaus ging, dann waren sich die Eheleute offenbar auch bis zuletzt einig: "Sie haben beide oft darüber gesprochen und sich dabei fast überboten", schilderte ein Parteigenosse des Angeklagten.

"Sie sind ein eiskalter Typ. Ich habe den Eindruck, dass alles an ihnen abprallt."
Der Vorsitzende Hans Brückner zum Angeklagten

Bei den Richtern der 1. Strafkammer kam das Verhalten des Rentners  auch am zweiten Verhandlungstag nicht gut an. "Sie sind ein eiskalter Typ. Ich habe den Eindruck, dass alles an ihnen abprallt", sagte der Vorsitzende Hans Brückner. Im Sitzungssaal sprachen Zuhörer, offenbar aus dem Umfeld des Angeklagten, von "Schauspieler". Eine Frau sagte vor dem Gerichtsgebäude am Ende des Verhandlungstages: "Er hat alle verarscht."

Psychiatrischer Sachverständiger: Angeklagter leidet unter schizoider Persönlichkeitsstörung 

Gründe dafür erläuterte Anatoli Abramovic, Leiter der psychiatrischen Abteilung der JVA Würzburg: Der 77-Jährige leide aufgrund einer organischen Erkrankung des Gehirns an einer schizoiden Persönlichkeitsstörung. Dadurch versuche er nicht nur, sich selbst in einem möglichst guten Licht darzustellen, sondern könne auch keine Reue oder Trauer zeigen, so der Sachverständige. Dass der Angeklagte kurz vor der Tat Stimmen in seinem Kopf gehört haben will, wie er vor Gericht sagte, hält Abramovic für äußerst unwahrscheinlich.

Das Urteil soll am Freitagvormittag verkündet werden. In seinem letzten Wort bedankte sich der Angeklagte für die faire Behandlung und bat das Gericht um ein gerechtes Urteil: "Ich hoffe, dass ich noch ein Stück meines Lebens erleben kann."

 
Themen & Autoren / Autorinnen
Würzburg
Patrick Wötzel
Angeklagte
Ehefrauen
Getötete
Heimtücke
Justizvollzugsanstalt Würzburg
Oberstaatsanwälte
Psychische Erkrankungen
Richter (Beruf)
Staatsanwaltschaft
Strafkammern
Zeugen
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen
Kommentare
Aktuellste
Älteste
Top
  • flyarcus@gmx.de
    ich bringe jemandem um, der wach ist und dann ist es nur Totschlag....kein Mord? ....is klar!
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • ra.kellermann@gmx.de
    das müssen Sie sich mal näher mit dem Begriff der Heimtücke beschäftigen....
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • flyarcus@gmx.de
    ...muss ich nicht! Mein menschlicher Verstand sagt mir dass es Mord ist, diese advokatischen Rechtsverdrehereien sind ein riesiges Übel!
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • ra.kellermann@gmx.de
    Das hat nichts mit "advokatischen Rechtsverdrehereien" oder Ihrem "menschlichen Verstand" zu tun, sondern mit den Strafgesetzen und der höchstrichterlichen Rechtsprechung. Ich halte vorliegend übrigens auch einen Mord für äußerst wahrscheinlich, aber das Mordmerkmal der Heimtücke war halt nicht nachweisbar, daher: in dubio pro reo...
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • ra.kellermann@gmx.de
    5 Jahre für eine immerhin vorsätzliche Tötung? Das soll wohl ein schlechter Witz sein...
    Immerhin gut, dass sich der Richter von den fadenscheinigen Erklärungsversuchen des Angeklagten nicht beeindrucken lässt...
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten