Der Mordvorwurf gegen einen 77-jährigen Würzburger ist vom Tisch: Am Ende des zweiten Verhandlungstags vor dem Würzburger Landgericht haben sowohl Oberstaatsanwalt Thorsten Seebach als auch Verteidiger Martin Reitmaier eine Verurteilung des angeklagten Rentners wegen Totschlags beantragt. Er hatte gestanden, seine 75 Jahre alte Ehefrau am Abend des 15. März im Ehebett erwürgt und mit einem Gürtel stranguliert zu haben.
Durch die Beweisaufnahme lässt sich nicht mit ausreichender Sicherheit nachweisen, dass die Ehefrau geschlafen hatte, als ihr der 77-Jährige die Hände um den Hals legte - darin waren sich Anklagevertreter und Verteidiger einig. Das Mordmerkmal der Heimtücke fällt deshalb weg - und damit auch die Möglichkeit einer lebenslangen Freiheitsstrafe. Uneinigkeit gab es in den Plädoyers bei der Höhe der Strafe: Der Oberstaatsanwalt beantragte sieben Jahre Gefängnis, der Verteidiger hält fünf Jahre für ausreichend.
Nachbarn widersprechen Aussagen des Angeklagten
Der Angeklagte hatte am zweiten Verhandlungstag erneut erklärt, er habe seiner Frau durch seine Tat Leiden ersparen wollen. Er sprach nun von einer beginnenden Demenz- oder Alzheimer-Erkrankung, die er bei ihr festgestellt haben will. Zeugen aus dem Umfeld des Ehepaares berichteten indes, davon hätten sie nichts bemerkt: "Sie war immer gut drauf, geistig fit und mir eine große Hilfe", sagte eine Bekannte und Nachbarin des Ehepaares vor Gericht.
Einen wirklichen Streit der Eheleute habe sie nie mitbekommen, so die 70-jährige Zeugin. Der Angeklagte selbst hatte seine Frau als zänkisch und streitsüchtig bezeichnet. "Sie haben sich nur gekabbelt wie ein altes Ehepaar", schilderte die Nichte der Getöteten. Und wenn es um Streitigkeiten und Prozesse gegen Nachbarn aus dem eigenen Wohnhaus ging, dann waren sich die Eheleute offenbar auch bis zuletzt einig: "Sie haben beide oft darüber gesprochen und sich dabei fast überboten", schilderte ein Parteigenosse des Angeklagten.
Bei den Richtern der 1. Strafkammer kam das Verhalten des Rentners auch am zweiten Verhandlungstag nicht gut an. "Sie sind ein eiskalter Typ. Ich habe den Eindruck, dass alles an ihnen abprallt", sagte der Vorsitzende Hans Brückner. Im Sitzungssaal sprachen Zuhörer, offenbar aus dem Umfeld des Angeklagten, von "Schauspieler". Eine Frau sagte vor dem Gerichtsgebäude am Ende des Verhandlungstages: "Er hat alle verarscht."
Psychiatrischer Sachverständiger: Angeklagter leidet unter schizoider Persönlichkeitsstörung
Gründe dafür erläuterte Anatoli Abramovic, Leiter der psychiatrischen Abteilung der JVA Würzburg: Der 77-Jährige leide aufgrund einer organischen Erkrankung des Gehirns an einer schizoiden Persönlichkeitsstörung. Dadurch versuche er nicht nur, sich selbst in einem möglichst guten Licht darzustellen, sondern könne auch keine Reue oder Trauer zeigen, so der Sachverständige. Dass der Angeklagte kurz vor der Tat Stimmen in seinem Kopf gehört haben will, wie er vor Gericht sagte, hält Abramovic für äußerst unwahrscheinlich.
Das Urteil soll am Freitagvormittag verkündet werden. In seinem letzten Wort bedankte sich der Angeklagte für die faire Behandlung und bat das Gericht um ein gerechtes Urteil: "Ich hoffe, dass ich noch ein Stück meines Lebens erleben kann."
Immerhin gut, dass sich der Richter von den fadenscheinigen Erklärungsversuchen des Angeklagten nicht beeindrucken lässt...