Seinen Namen hat Muchtar Al Ghusain von seinem jordanischen Vater. Seine Mutter ist in Würzburg aufgewachsen. Mit zwei jüngeren Schwestern verbringt Al Ghusain die ersten Lebensjahre in Kuwait. Als er sieben Jahre alt ist, zieht die Familie nach Gerbrunn ins Haus seiner Großeltern. Geld ist knapp bei den Al Ghusains. Der Vater arbeitet als Fernsehtechniker, die Mutter ist gelernte Fotografin, führt den Haushalt und verdient gelegentlich etwas dazu.
Al Ghusain jobbt in den Ferien und gibt Musikunterricht. Klavier, Gitarre und Flöte spielt er mit Leidenschaft – eine andere ist das Tischtennisspielen. Der Jugendliche wird früh selbstständig und geht eigene Wege: zur evangelischen Jugendarbeit in Gerbrunn oder in die Teestube am Friedrich-Ebert-Ring. Er spielt Gitarre in Schülerbands und Theater bei der Werkstattbühne. Im Friedrich-Koenig-Gymnasium ist er phasenweise ein guter und phasenweise ein weniger guter Schüler, aber immer Klassensprecher.
Sein Weg
Vier Wochen nach dem Abitur (Schnitt 2,1) zieht der 19-Jährige in eine Wohngemeinschaft in Würzburg. Als Zivildienstleistender betreut er in der Christophorus-Schule behinderte Kinder. Danach studiert er an der Musikhochschule, Hauptfach Klavier. Am Ende des Studiums wird ihm immer klarer, dass er nicht Berufsmusiker werden und mehr auf andere Stärken setzten will: Mit 27 Jahren beginnt er in Hamburg ein Aufbaustudium. Drei Jahre später leitet der diplomierte Kulturmanager die Musikschule Schwäbisch Gmünd in Baden Württemberg. Dort sind alle Mitarbeiter älter als der 30-Jährige. Seine Aufgaben: Konsolidierung und Neuaufstellung der Schule.
1998 wird er Leiter des Kulturbüros der 60 000-Einwohnerstadt und verbessert Organisation und Inhalte des Kulturkonzeptes. Die „Gmünder Tagespost“ nennt ihn einen „umtriebigen Kulturmanager“. Als Musikreferent kümmert er sich ab 2000 im niedersächsischen Kulturministerium in Hannover um Planung und Förderung von Projekten und arbeitet der Politik zu. 2006 kehrt Al Ghusain als Kulturreferent nach 15 Jahren zurück nach Würzburg.
Das hat ihn geprägt
Der im Krieg erblindete Großvater ist wichtig in Al Ghusains Leben: Er verbringt viel Zeit mit ihm und lernt schon als Kind, sich in gehandicapte Menschen einzufühlen. Außerdem beeindruckt ihn die Willensstärke des Großvaters, der an sich glaubt und seinen Weg geht. Wenig wichtig ist Al Ghusains Migrationshintergrund. Da sich sein Zuhause und sein Aussehen nicht groß von dem der Spielkameraden unterscheiden, nimmt er ihn als Kind kaum wahr.
Wichtig sind andere Erfahrungen. Der Zusammenhalt unter den Jugendlichen in der evangelischen Gemeinde Gerbrunn. Das Erlebnis andere mitreißen zu können. Die Freude daran, Menschen zu helfen. Aber auch: Das Gefühl des Ausgeliefertseins bei der Gewissensprüfung für die Kriegsdienstverweigerung. Als 19-Jähriger demonstriert er im Hofgarten in Bonn bei der großen Friedenskundgebung. Ein Schock und weiteres Schlüsselerlebnis ist die Reaktorkatastrophe von Tschernobyl. So wird er zum mal Rot- mal Grün-Wähler – je nachdem, wer ihn gerade am meisten überzeugt. Willy Brandt bewundert er.
Stärken und Schwächen
Effizientes Arbeiten und die Fähigkeit in Streitigkeiten moderierend einzugreifen, bescheinigte die CSU-Stadtratsfraktion dem Kultur-, Schul- und Sportreferenten bei dessen Wiederwahl 2011. Kulturschaffende wie auch Schulleiter schätzen an ihm, dass er unangenehmen Gesprächen nicht aus dem Weg geht und seinem Gegenüber wirklich zuhört.
Mitarbeitern im Rathaus gefällt, dass Al Ghusain fundiert lobt und Ideen aufnimmt, anstößt und weiter führt - nicht bis zum Ende, bemängeln manche. Kritiker in der Verwaltung meinen, dass die Arbeit in seinem Referat teilweise besser organisiert sein könnte. Gelegentlich verzettele sich der 50-Jährige. Al Ghusain gilt als Intellektueller. Seine Stärke sind die leisen Töne, die lauten sind es weniger. Insofern sind seine Wahlkampfreden nicht wirklich mitreißend. Wenig überzeugend wirkt der Versuch, das mit Würzburger Dialekt und zuletzt auch etwas polternd auszugleichen.
Bei persönlichen Begegnungen ist er authentisch, offen und eloquent. Als Musiker hat er gelernt, dass es viel Üben und harte Arbeit braucht, um seine Ziele zu erreichen, aber auch Lust und Leidenschaft dazu gehören. Letztere springt über: Ihm gelingt es, Menschen emotional zu berühren und zu motivieren.
Die Frau an seiner Seite
Anfang der 90er Jahre lernen sich Astrid Sommer und Muchtar Al Ghusain in Hamburg kennen, wo beide Kulturmanagement studieren. Sie heiraten 1994, sechs Jahre später kommt die erste von zwei Töchtern zur Welt. Astrid Sommer übersetzt englische Literatur und engagiert sich ehrenamtlich. Zum Beispiel für die Waldorfschule oder die Flüchtlingshilfe. Zurzeit managt sie den Umbau des Familienhauses. Im Wahlkampf begleitet die 48-Jährige ihren Mann gelegentlich. „Natürlich hole ich mir bei wichtigen Entscheidungen ihren Rat“, sagt der auf die Frage, inwieweit sie ihn berät. Und: „Sie hat ein feines Gespür und ist blitzgescheit.“
Da will er hin
„Ich habe alle überrascht.“ So beginnt seine Kandidatur. Er habe sich SPD und Grünen als gemeinsamer Kandidat angeboten, als Ende 2012 fest stand, dass Georg Rosenthal nicht mehr antreten kann. In den Wochen danach haben die Parteien Inhalte abgeklopft und nach vielen Diskussionen im Frühjahr genügend Schnittmengen gefunden. In die SPD eingetreten ist Al Ghusain „aus formalen Gründen“, die Mitgliedschaft ist Voraussetzung für die Kandidatur. Er fühlt sich bei den Sozialdemokraten wohl und bei den Grünen gut aufgehoben.
„So viel Unterstützung zu spüren tut gut.“ Er sagt aber auch: „Der puren Parteiräson folgen zu müssen, würde mir schwer fallen.“ Im Wahlkampfteam Al Ghusains arbeiten zehn Leute mit und ohne Parteibuch.
Der Kandidat wirbt seit Wochen im Internet, auf der Straße und an Haustüren um Stimmen. Seine Motivation: Er meint, dass er das Engagement, die Kompetenz und die Leidenschaft mitbringt, die Würzburgs Stadtoberhaupt braucht. Er will Oberbürgermeister aller Menschen der Stadt werden. Die will er weltoffen, lebenswert und attraktiv gestalten.