Zuwachs für den Forschungsstandort Würzburg: Für 30 Millionen Euro entsteht auf dem Hubland-Campus ein bundesweit einzigartiger Forschungsneubau. Für die „Polymere für das Leben“ gab der Landtag jetzt die Gelder des Freistaats frei. Bis 2024 soll der viergeschossige Bau, finanziert von Bund und Land, stehen. Professor Jürgen Groll, Lehrstuhlinhaber für Funktionswerkstoffe der Medizin und der Zahnheilkunde in Würzburg, ist stellvertretender Direktor des Bayerischen Polymerinstituts, in dem Wissenschaftler der Universitäten Bayreuth, Erlangen und Würzburg zusammenarbeiten. Er erklärt, wieso das neue Zentrum nach Würzburg kommt – und welche besondere Bedeutung das Projekt hat.
Frage: Was werden Sie im neuen Polymer-Zentrum an der Uni Würzburg erforschen?
Prof. Jürgen Groll: Dort werden viele klassische Disziplinen wie die Chemie, Medizin, Materialwissenschaft, Biologie und das Ingenieurswesen zusammenkommen. Ziel ist es, den 3D-Druck nicht nur für die Medizintechnik, sondern für den Aufbau von menschlichem Gewebe nutzbar zu machen.
Was sind Polymere eigentlich?
Groll: Das ist ein Oberbegriff für eine ganze Klasse an Materialien. Es sind lange Ketten von sich wiederholenden, sehr kleinen Einheiten. Auch wir Menschen bestehen zu einem großen Teil aus Polymeren – sogar in der DNA, unserer Erbsubstanz. Oder nehmen Sie Proteine und Eiweiße: Das sind lange Ketten von Aminosäuren. Im Alltag sind künstliche Polymere als Kunststoffe oder Plastik bekannt und weit verbreitet.
Wenn Sie von 3D-Druck sprechen: Wollen Sie den Menschen nachbauen?
Groll: Nein. Das Ziel ist, Materialien und Zellen so zu kombinieren, dass daraus funktionierende Gewebe entstehen – und irgendwann vielleicht tatsächlich auch Organe. Das ist die Vision. Wir wollen aber nicht primär nachahmen, sondern die Philosophie ist: Dem Körper dabei helfen, sich selber wiederherzustellen. Zum Beispiel bei Erkrankungen oder bei größeren Defekten, die der Körper selbst nicht heilen kann. Wir könnten hier ein Stück aus Zellen und Materialien anbieten, das dem Körper dabei hilft, wieder eigenes Gewebe herzustellen.
Sie wollen also kein Ersatzteillager schaffen, sondern den Köper unterstützen?
Groll: Genau. Wir bauen Brücken. Stellen Sie sich einen Knochenbruch vor: Der heilt von selbst wieder. Wenn Ärzte aber zum Beispiel bei einer Krebserkrankung ein größeres Stück des Knochens herausnehmen müssen – dann kann der Körper eine gewisse kritische Distanz nicht mehr allein überbrücken. Im Moment würde man einen Titannagel einbauen und die Funktion wiederherstellen. Aber Gewebe entsteht hier keines mehr. Der neue Ansatz ist: Dieses Loch im Knochen mit etwas aufzufüllen, das dem Körper das Zusammenwachsen auch über eine längere Distanz ermöglicht. Und danach baut sich das eingesetzte Material wieder komplett ab.
Nun war schon von Organen aus dem 3D-Drucker die Rede, in Israel soll ein Herz gedruckt worden sein. Wie konkret ist so was?
Groll: Im Moment ist das eine Vision. Die Komplexität von Organen und ihren Funktionen ist auf diese Weise noch nicht herzustellen. Fortschritte gibt es bei einfacheren Systemen wie Hohlorganen, zum Beispiel der Blase. Oder bei Haut und Knorpel.
Auch bei Herzklappen?
Groll: Tatsächlich gibt es Kollegen, die mit dem 3D-Druck an Herzklappen arbeiten, in dem sie die Mechanik verbessern oder für eine bessere Akzeptanz durch den Körper sorgen. Für uns ist das nicht die Hauptstoßrichtung.
Wie könnten Betroffene bei Erkrankungen noch profitieren?
Groll: Es gibt kaum ein Gewebe im menschlichen Körper, an dem sich nicht Arbeitsgruppen versuchen. Knorpel, Haut, Leber, Niere, Muskelgewebe, neuronale Strukturen – das wird alles erforscht. Aber vergessen Sie nicht: Alles ist neu, dieses Feld ist gerade einmal zehn Jahre alt. Wir haben in dieser Zeit große Fortschritte gemacht. Doch vieles ist noch nicht verstanden. Ich würde aus Patientensicht davor warnen, in den Kliniken zu früh zu viel zu erwarten. Ein Datum lässt sich hier noch nicht nennen. Ein erster Schritt Richtung Klinik wird es sein, dass die biologische Funktion der hergestellten Strukturen gesichert ist und damit dann beispielsweise Tierversuche ersetzt werden können.
Im neuen Forschungsgebäude sollen Mediziner, Chemiker, Ingenieure zusammenarbeiten – gibt das eine neue Wissenschaft?
Groll: Das junge Forschungsfeld der Biofabrikation ist in ganz besonderem Maße dadurch gekennzeichnet, dass es genannte klassische Disziplinen vereint und integriert. Auch ethische Aspekte gehören dazu. Das ist absolut spannend und eine große Herausforderung. Deshalb ist es so schön, in einem Forschungsbau dann zusammen an so einem Thema arbeiten zu können.
Im Bayerischen Polymerinstitut sind Forscher aus Bayreuth, Erlangen und Würzburg zusammengeschlossen. Warum haben Sie und die Uni Würzburg den Zuschlag für das neue Zentrum bekommen?
Groll: Wir haben hier seit 2010 wirklich einiges in der Polymerforschung und der Biofabrikation vorangebracht und konnten den Sonderforschungsbereich der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) zusammen mit den Universitäten Bayreuth und Erlangen einrichten. Das Bayerische Polymerinstitut haben wir hier angesiedelt, weil es das Ganze aus Materialsicht unterstützt. In Würzburg sind wir spezialisiert auf Polymere in der Medizin, Funktionswerkstoffe und Biofabrikation. Wir hatten mehrere große Forschungsprojekte, auch von der EU gefördert. Wir haben jahrelang darauf hingearbeitet und sind in Deutschland und europaweit führend auf diesem Gebiet. Deshalb ist der Forschungsbau hier sinnvoll.
Wieviele Leute werden hier einmal arbeiten?
Groll: Im Plan haben wir 68 feste Arbeitsplätze. Wenn man noch Master- und Bachelorarbeiten dazurechnet, werden es sogar deutlich mehr sein.