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Würzburg
Transparent an privatem Zufahrtstor in Würzburg: Gewaltaufruf oder Meinungsfreiheit?
Die öffentliche Aufforderung, "einen Grünen breitzuschlagen", fällt für die Justiz unter die freie  Meinungsäußerung. Warum sich ein Grünen-Stadtrat damit nicht abfinden will.
Das Transparent am Tor zu einem Grundstück in Würzburg wird kein Fall vor Gericht: Kein Gewaltaufruf, sagte die Staatsanwaltschaft Würzburg und stellte die Ermittlungen ein. 
Foto: Symbolbild: Silvia Gralla | Das Transparent am Tor zu einem Grundstück in Würzburg wird kein Fall vor Gericht: Kein Gewaltaufruf, sagte die Staatsanwaltschaft Würzburg und stellte die Ermittlungen ein. 
Michael Czygan
 |  aktualisiert: 08.02.2024 11:50 Uhr

Mehrere Monate lang - Zeugen sprechen von Mai bis Anfang Oktober - hing am Zufahrtstor zu einem Grundstück in einem Wohngebiet im Würzburger Steinbachtal ein etwa drei auf 0,5 Meter großes Transparent. Darauf zu lesen: "Stoppt die Verschandelung Würzburgs. ,Nimm Dir fünf Minuten Zeit - Schlage einen Grünen breit'". 

Aufkleber mit dem gleichen Wortlaut prangten Zeugen zufolge auch an Autos des Grundstückseigentümers. Konstantin Mack, Stadtrat der Würzburger Grünen, hatte das Banner im Mai gesehen - und bei der Polizei Anzeige wegen öffentlicher Aufforderung zu Straftaten erstattet.

Ermittlungen gegen mutmaßlichen Urheber

Nach längeren Ermittlungen gegen den Hausherrn und mutmaßlichen Urheber des Transparents stellte die Staatsanwaltschaft Würzburg das Verfahren Mitte September ein. Der Verdacht eines strafrechtlich relevanten Verhaltens habe sich nicht bestätigt, teilt die Justizbehörde auf Nachfrage dieser Redaktion mit. Mack hat gegen die Entscheidung der Staatsanwaltschaft jetzt Widerspruch eingelegt.

Konstantin Mack ist stellvertretender Fraktionsvorsitzender Grünen im Würzburger Stadtrat.
Foto: Johannes Kiefer | Konstantin Mack ist stellvertretender Fraktionsvorsitzender Grünen im Würzburger Stadtrat.

Für den Stadtrat ist klar, dass der Spruch die konkrete Aufforderung zu Gewalt gegen Mitglieder und Unterstützer der Partei Bündnis 90/Die Grünen bedeutet. Unterstrichen werde das durch einen zweiten Aufkleber an einem der Autos des Grundstücksbesitzers, auf dem von "rot-rot-grüner Pest" die Rede ist. Durch die Größe des Transparents und das Aufhängen an der Straße werde der "öffentliche Frieden" gestört. Dass der Grundstückseigentümer lediglich mit den Grünen politisch debattieren wolle, sei nicht glaubhaft, sagt Mack. 

Wie der Duden "breitschlagen" definiert

Die Staatsanwaltschaft Würzburg sieht dies anders. Ihr zufolge ist nicht auszuschließen, "dass der Beschuldigte den Begriff ,breitschlagen' im Sinne des Wörterbuchs ,Duden' in der Bedeutung ,überreden', ,beschwatzen' verwendet hat". Entsprechend habe sich der Mann auch in einem Gespräch mit dem ermittelnden Polizisten geäußert. Eine strafrechtliche Verfolgung sei nur bei einer eindeutigen Äußerung möglich. Ansonsten sei der Spruch durch das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung gedeckt, so die Staatsanwaltschaft. Der Beschuldigte selbst war für die Redaktion nicht zu erreichen.   

Dass die Justiz Doppeldeutigkeiten in der Sprache durchaus auch anders auslegt, zeigt die Debatte um die Plakate der Neonazi-Partei "Der III. Weg" vor der Bundestagswahl. Auf diesen stand in großen Buchstaben "Hängt die Grünen". Letztlich entschieden sowohl das Landgericht München I als auch das  Oberverwaltungsgericht (OVG) Bautzen, dass die Plakate abgehängt werden müssen. Die bayerischen Richter sahen das Persönlichkeitsrecht der Grünen verletzt, die sächsischen Richter entschieden, das Motiv sei ein Angriff auf die Menschenwürde der Mitglieder von Bündnis90/Die Grünen und erfülle damit den Straftatbestand der Volksverhetzung. Daran ändere auch ein zweiter Satz auf den Plakaten nichts. In sehr viel kleiner Schrift hieß es dort: "Macht unsere nationalrevolutionäre Bewegung durch Plakatwerbung in unseren Parteifarben in Stadt und Land bekannt."  

Grünen-Politiker legt Widerspruch ein

Grünen-Stadtrat Konstantin Mack erwähnt die Begründung des OVG Bautzen ausdrücklich in seiner Beschwerde gegen den Einstellungsbescheid der Staatsanwaltschaft Würzburg. Es könne nicht sein, dass Menschen, "die hetzen und verletzen" mit dem Verweis auf sprachliche Spitzfindigkeiten ungestraft davonkommen. 

Die Beschwerde des Grünen-Stadtrats sei eingegangen, bestätigt Thorsten Seebach, der Sprecher der Staatsanwaltschaft. Sie werde nun geprüft.

 
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  • H. H.
    Aufrufe zur Gewaltanwendung

    haben - egal wen es betreffen soll - mMn nichts mit dem Recht auf freie Meinungsäußerung zu tun, sondern sind Anstiftung zur Begehung von Straftaten und gehören entsprechend geahndet. Und zwar spürbar - bevor wir (wieder) Zustände wie in den 1930-er Jahren bekommen.
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  • I. G.
    Erkennbar die gleiche Taktik wie die der Nazis vom III. Weg: Man ruft für jedermann erkennbar (!) zur Gewaltanwendung auf, baut aber - wohl mit juristischer Beratung - eine Hintertür ein, dass es sich unter Vergewaltigung der deutschen Sprache auch evtl anders interpretieren lässt. Und dann funktioniert das auch noch? Es gibt Vorgänge, da schämt man sich dafür, Jurist zu sein. Hoffen wir auf gesunden Menschenverstand im Klageerzwingungsverfahren.
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  • D. P.
    Die Ähnlichkeit zum III. Weg sind mit Sicherheit kein Zufall. Im Bayrischen Landtag haben im Mai die Grünen die Regierung aufgerufen, sich für ein Verbotsverfahren einzusetzen. Im September folgte die FDP auf Bundesebene, zuletzt die SPD. Natürlich haben diese Provokationen nichts mit einem möglichen Verbotsverfahren zu tun - sind ja nur harmlose Meinungsäußerungen und Scherze. Währenddessen strebt der III. Weg einen Umsturz an. Sicherlich ist das aber auch nur ein sprachliches Missverständnis.
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  • E. R.
    Ich hatte bisher vom Steinbachtal immer den Eindruck, dass dort gehobene Persönlichkeiten wohnen. Da hatte ich wohl ein etwas falsches Bild.

    Jemanden "breitschlagen" sagt für meine Begriffe jemand über eine/ n mehr oder weniger gute/ n Bekannte, der mal zum Umzug helfen bewegt werden soll o. ä. .

    "Schlage jemanden breit" ist da schon deutlich feindseliger.

    Zum Breitschlagen kommunikativer Natur brauchts eweng mehr wie 5 Minuten - auch das für mich ein Hinweis, dass der Steinbachtaler (mMn kann das keine Dame sein) eher die physische Auslegung von "breitschlagen" bemüht.

    Bemerkenswerte Geschichte - Herr Mack sollte an der Sache dranbleiben und die Mainpost gerne auch.
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  • P. K.
    Das scheint ja ein ganz besonders sympathischer Anlieger zu sein. Bei den Kommentatoren hier könnte er vielleicht Freunde finden.
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  • P. K.
    Nicht bei allen Kommentatoren.
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  • D. P.
    Jaja, nur harmlose doppeldeutige Meinungsäußerungen aus der Ecke rechts außen. Muss erst ein Grüner hingerichtet werden, bevor die Staatsanwaltschaft reagiert? Hat man aus den Fällen wie Lübcke, Halle und Hanau nichts gelernt? Oder den laut AAS über 200 anderen Todesfällen aufgrund rechter Gewalt seit 1990? Glaubt die Staatsanwaltschaft, das waren alles Zufallsopfer von Einzeltätern? Es fängt immer mit „harmlosen“ Sprüchen an und am Ende liegt einer tot am Boden.
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  • A. D.
    Geht gar nicht sowas.👎☹
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  • R. A.
    Quark, ich lass mich dreimal am Tag von meiner Frau breitschlagen.
    Man muss nur den Sinn verstehen (wollen)
    Eine harmlose Geschichte, aufgebauscht von einem politischen Emporkömmling ohne Sinn und Verstand. Garniert mit Polizei und Staatsanwaltschaft, was die Grünen doch niemals präferiert haben…
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  • R. A.
    Die Grünen sollten sich mal etwas zurücknehmen und akzeptieren, dass nicht alles nach ihrem Gusto laufen wird. Klare Definitionen des Deutschen Sprachgebrauchs kann man ad eins googlen und auch studieren. Dafür gibts sogar Professuren. Das sollte das Grünenmännchen mal akzeptieren lernen. Auch das ist bzw kann Demokratie sein!
    Das ist einer der wenigen Augenblicke, bei denen ich mit der Würzburger Justiz konform gehe.
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  • P. K.
    Wenn ich schreiben würde "Schlagt die AfDler platt denn ich hab die ehrlich satt", würden Sie das auch gut finden?
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  • R. A.
    Ne , denn das ist auf fränkisch schlicht ein Gedepp.
    Der Sinn der Sache wurde nicht verstanden. Muss man auch nicht voraussetzen…
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  • P. K.
    Wohnt im Steinbachtal nicht ein AfD Stadrat?
    Falls der nichts mit dem Plakat und den Aufklebern zu tun hat bitte ich die MP das zu bestätigen.
    Ich will ja nicht, dass ein falscher Verdacht aufkommt.
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  • M. C.
    Vorsicht mit falschen Verdächtigungen. Der Mann ist kein AfD-Stadtrat.
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