
Das erste Telefonat war überzeugend: Single, kein Job, vier Kinder, ein fünftes unterwegs und die Pflege der krebskranken Mutter. Eine Frau aus Mainz konnte mit dieser Märchengeschichte einen Pfarrer aus dem Landkreis Würzburg überzeugen. Er glaubte der ihm unbekannten Frau und überwies erst einmal 100 Euro. Darauf, dass diese Geschichte erfunden sein könnte, kam er nicht.
Die Frau ließ nicht locker und baute eine emotionale Beziehung zu dem Geistlichen auf. "Mit bis zu 20 Anrufen am Tag", erinnerte sich der 66 Jahre alte Pfarrer im Gerichtssaal. Er war als Zeuge geladen und kann bis heute nicht verstehen, wieso bei ihm alle Alarmsignale versagt hatten.
Bis zu 8.000 Euro bar auf die Hand
Wie kam die Frau aus Mainz, seit Jahren ohne Job, auf den Pfarrer in der Nähe von Würzburg? Sie behauptet, auf einem Handy, das sie geschenkt bekam, seien gespeicherte Rufnummern nicht gelöscht worden. Diese habe sie der Reihe nach "durchprobiert" und sei dann bei einem Pfarrer "hängen geblieben". Gezieltes Nachfragen des Pfarrers hat die Frau meist damit beantwortet, dass sie in einem "Zeugenschutzprogramm der Polizei" sei und deswegen nichts oder nicht viel über sich sagen dürfe.
In 19 von 61 Fällen erfolgte die Zuwendung nicht per Überweisung, sondern bar auf die Hand, mit Beträgen von bis zu 8.000 Euro. Dafür reiste die Frau jeweils mit dem Zug an und traf im Würzburger Hauptbahnhof den Pfarrer, teilweise auch noch spät in der Nacht.
Die Frau band dem Pfarrer immer wieder den gleichen Bären auf. Der Grund für die kurzen Gespräche, ihr Ausweichen bei gezielten Fragen habe mit Auflagen des Zeugenschutzprogramms zutun, erklärte sie auf die Nachfragen des Pfarrers. Sie habe auch einen neuen Namen bekommen. Die Bitte des Pastors, sie möge doch wenigstens mal einen telefonischen Kontakt zu den Verantwortlichen herstellen, stieß ins Leere. 13 Monate ging das so. 61
Von den 124.000 Euro ist angeblich nicht übrig geblieben
Richter und Schöffen fragten wiederholt, was denn aus den meist vierstelligen Beträgen geworden ist. Denn die Beschuldigte bat bereits eine Woche später, um eine neue Zahlung, weil sich ihre Notlage verschlimmert habe. Von den über 124.000 Euro, um die der 66-Jährige insgesamt betrogen wurde, war nach der Festnahme angeblich nichts mehr da.
Sie habe beispielsweise für ihre krebskranke Mutter Lebensmittel aus dem Reformhaus besorgt. Die seien teuer. Und dann habe sie ihrer Mutter, die nicht mehr lange zu leben hatte, mit Geschenken eine Freude machen wollen. Bedürftige Verwandte habe sie auch unterstützt, zum Beispiel einer Nichte den Kinderwagen finanziert. Doch das erkläre nicht, warum so viel Geld in so kurzer Zeit weg war, so das Gericht.
Wer hat das Drehbuch für diese Betrugsmasche geschrieben?
War das Geld geschenkt oder geliehen? Da waren die Beschuldigte und der Pfarrer unterschiedlicher Meinung. Er sagte, er habe Rückzahlungstermine genannt. Sie behauptet, es sei klar gewesen, dass sie nichts zurückzahlen könne. Und woher nahm der Pfarrer das Geld? Erst eigenes von seinem Konto, später bat er Freunde und Bekannte um ein Darlehen. Er löste auch ein Wertpapier-Konto auf, das er Altersabsicherung hatte. Auch habe er eigens einen Kredit bei der Bank aufgenommen. Die Folgen seiner Hilfsbereitschaft waren über das finanzielle hinaus heftig: Familiäre Beziehungen wurden belastet und er geriet in die Privat-Insolvenz.
Festgenommen worden ist die Frau bei einer von der Polizei überwachten Geldübergabe. Zur Verhandlung wurde die Frau mit Hand- und Fußfesseln vorgeführt. Im Prozess und auch schon vorher hat die Angeklagte sich beim Pfarrer entschuldigt und versichert, dass ihr alles sehr leid tue. Der 66-Jährige hat die Entschuldigung angenommen.
Die Urteilsberatung dauerte zehn Minuten, das Urteil ist nicht rechtskräftig. Das Schöffengericht hat die 34-Jährige, die 17 Einträgen im Strafregister hat, wegen Betrugs zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt.
Der Vorsitzende Richter äußerte dabei Zweifel am Versprechen der Frau, sich nach Verbüßen ihrer Strafe durch Arbeit um eine Wiedergutmachung des Schadens zu bemühen. Offen bleibt auch, ob die Angeklagte oder andere für sie das "Drehbuch" zu dem Krimi entworfen hatten.