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Würzburg
Peter Bofinger hält nichts vom ständigen Blick aufs Negative
Beim dritten Kongress für Kunst und Kultur ging es um den gesellschaftlichen Umbruch durch das digitale Zeitalter. Ex-Wirtschaftsweise sprach sich für mehr Mut aus.
In der Galerie Michel hat Professor Peter Bofinger beim '3. Kunst.Kultur.Kongress' über den gewaltigen gesellschaftlichen Umbruch durch das digitale Zeitalter gesprochen.
Foto: Dita Vollmond | In der Galerie Michel hat Professor Peter Bofinger beim "3. Kunst.Kultur.Kongress" über den gewaltigen gesellschaftlichen Umbruch durch das digitale Zeitalter gesprochen.
Joachim Fildhaut
 |  aktualisiert: 07.04.2020 12:40 Uhr

Ein "Kunst.Kultur.Kongress" startete im Kunsthaus Michel. Beim dritten Treffen dieser Art wehte eine familiäre Atmosphäre durch den Saal, in dem die Gastgeber Mara und Gerd Michel die acht Veranstaltungen bis zum Samstagabend vorstellten. Die Designerin trieben dabei besonders einige Zukunftsentwicklungen um.

Mara Michel denkt das Globale und das ganz Persönlich-Emotionale zusammen, wenn sie fragt: "Wie finden wir mehr Zeit für Handarbeit und Toleranz? Bleibt vor dem Web 4.0 nur die Flucht in die Einsamkeit? Kommen wir wieder zurück zum Du oder lassen wir uns zu einer Zahlenkombination algorithmisieren?" Die Hoffnung der Kongress-Veranstalterin richtet sich auf "Lernhäuser, in die man mitten auf dem Marktplatz hineinstolpert" und "Kommunikative Haltestellen". Zu den Letzteren zählt auf jeden Fall der 3. Würzburger Kunst.Kultur.Kongress mit seinem Titel "Personalisé" und seiner Frage nach dem Glück.

Bofinger: Noch nie so viele Erwebstätige

Das sei nicht unbedingt sein zentrales Thema als Ökonom, stellte sich der Gesprächspartner des Eröffnungsabends, der Ex-Wirtschaftsweise Professor Peter Bofinger, vor. Dennoch fand er prägnante Worte, zumal die Einladung auch nach "dem gewaltigen gesellschaftlichen Umbruch durch das digitale Zeitalter und wie wir alle uns darauf einstellen müssen" fragte.

Auch das Publikum diskutierte bei den verschiedenen Fragestellungen kräftig mit.
Foto: Dita Vollmond | Auch das Publikum diskutierte bei den verschiedenen Fragestellungen kräftig mit.

Auch wenn er keine Aussage über die Lage in zehn Jahren machen könne, beobachte er die Digitalisierung doch schon seit drei Jahrzehnten und stelle fest, dass es in Deutschland noch nie so viele Erwerbstätige wie heute gegeben habe. Statt eine nahende Digitalisierungswelle und Massenentlassungen zu Gunsten von Robotern zu befürchten, erlebe man "wahrscheinlich eher einen graduellen und kontinuierlichen Prozess". Überhaupt hält der gelassene Ökonom wenig vom ständigen Blick auf das Negative. Das gelte auch für den Sonntagabend und für Zuschauer, die millionenfach vor Krimi-Sendungen zu sitzen: "Ich habe keine Lust, die Woche zu beginnen, indem ich erstmal Leichen wegräumen muss."

"Die Chinesen haben nichts, was wir nicht haben, nur mehr Mut und Initiative."
Professor Peter Bofinger, Ex-Wirtschaftsweise

Überhaupt – die deutsche Mentalität und das Glück: "Die Chinesen haben nichts, was wir nicht haben, nur mehr Mut und Initiative. Vielleicht liegt der andere Umgang mit Krediten daran, dass im Deutschen das Wort Schulden so nahe an der moralischen Schuld liegt und dadurch eine negative Bedeutung hat." Jedenfalls gebe es zum Erlangen und Sichern von Wohlstand und Zufriedenheit keinen Grund für die ewige "schwarze Null" in der Wirtschaftspolitik: "Warum soll man langfristige Investitionen etwa in den Klimaschutz ausgerechnet aus laufenden Einnahmen finanzieren", fragte Bofinger in die Runde, die sich anschließend rege an der Publikumsdiskussion beteiligte.

Einfache Glücksformel im Norden

Ist mehr Optimismus in der Gesellschaft nötig? Darum ging es beim '3. Kunst.Kultur.Kongress'. Mara Michel und Peter Bofinger haben auch darüber diskutiert.
Foto: Dita Vollmond | Ist mehr Optimismus in der Gesellschaft nötig? Darum ging es beim "3. Kunst.Kultur.Kongress". Mara Michel und Peter Bofinger haben auch darüber diskutiert.

Der Podiumsgast kann auch mit einfachen Zahlen gut umgehen. Warum die Skandinavier die glücklichsten Menschen sind, liegt führ ihn an der hohen sozialen und Einkommenssicherheit in Nordeuropa und daran, dass die Einkommensunterschiede unter den Bewohnern eher gering sind. Während bei solchen Befunden im Hintergrund komplexe Berechnungen stehen, hielt Bofinger aber auch noch eine einfache Glücksformel der weiten Nordländer parat: "In einem Land mit bloß acht Millionen Einwohnern fühlt man sich schneller als eine Einheit als in einem zehnmal so stark bevölkerten Land." Da kann man denn als Deutscher nichts machen – außer den Rat des früheren amtlichen Wirtschaftsweisen beachten: "Wir müssen besser zwischen dem halbvollen und dem halbleeren Glas unterscheiden."

Am Samstag, 11. Mai, bildet eine Performance mit Live-Musik den Abschluss des Kongresses: Lilo Emmerling präsentiert Papier.Kleider.Kunst „Gott. Weiblich“, musikalisch untermalt von Florian Meierott, Violine (Kulturbeitrag 10 Euro). Zum anschließenden Gespräch sind eingeladen Lisa Dartmann (Moderedaktion Textilmitteilung), Rüdiger Oberschür (Redakteur FashionNetwork),Dominik Röding (Redakteur Main-Post), René Lang (langdesign und Präsident VDMD), Susan Wrschka (Designerin und Vizepräsidentin VDMD) und Mara Michel (GF des VDMD, Vizepräsidentin des Deutschen DesignTags DT und Sprecherin im Kulturrat Berlin).

 
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  • info@softrie.de
    Was für ein Schwachsinn, Herr Ökonom Bofinger. Es gibt so viele Erwerbstätige und Stellen nur einfach deshalb, weil die Löhne seit Jahrzehnten nicht steigen. Viele Menschen haben schlicht nicht die Wahl, ob sie einen Zweitjob annehmen. Aber was sage ich, sie halten ja mehrfach die gleichen Vorlesungen vor den gleichen Studenten und bemerken das nicht mal.
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