Die Nachrichten, die über Gerd Müller zu lesen sind, stimmen traurig. "Vom Glück, mit ihm spielen zu dürfen", schreibt die "Süddeutsche Zeitung". "Der größte aller Torjäger", so betitelt der "Spiegel" seinen Nachruf. Gerd Müller ist im Alter von 75 Jahren gestorben. Er war nicht weniger als ein deutsches Sport-Idol.
Vor einem dreiviertel Jahr hatte seine Frau Uschi anlässlich des runden Geburtstags über ihren Mann gesagt, dass er mittlerweile im Pflegeheim auf der Intensivstation liege: "Er schläft seinem Ende entgegen." Es war ein trauriger Satz, der mich bewegte. Denn bei meinem Vater war es exakt so. Auch er musste aufgrund einer unheilbaren Krankheit viele Jahre in einem Heim gepflegt werden. 2015 starb er. Er war ein großer FC-Bayern-Fan und die gleiche Generation wie die Maiers, Beckenbauers und Müllers. Umso schöner, dass ich neulich wieder diesen Super-8-Film in seinem Nachlass gefunden habe, der meine erste Begegnung mit dem Profifußball in einem Video dokumentierte.
Gerd Müller besucht einen kleinen Ferienort in Tirol
Das Filmen war ein Hobby meines Vaters: Familienfeiern, Urlaube, Feste in meinem Heimatort Erlabrunn, dies alles hielt er mit seiner Kamera fest. Im August 1974 machten wir mit Freunden Urlaub in Tirol, ich war gerade sieben Jahre alt geworden. Irgendwann entdeckte mein Vater ein Plakat, das den Besuch von Gerd Müller in St. Johann am Wilden Kaiser ankündigte.
Der Stürmer, der nur wenige Wochen davor das WM-Finale in München gegen Holland mit einem seiner legendären Tore entschieden hatte, sollte am 17. August 1974 zum "Freund der Marktgemeinde St. Johann in Tirol" ernannt werden. Und Müller kam tatsächlich: Zunächst in einem Mercedes-Cabrio, dann in einem Oldtimer, wurde der schüchterne Weltmeister durch den Ort gefahren. Begleitet von unzähligen Menschen, einer Blaskapelle – und meinem Vater mit seiner Super-8-Kamera. Ich bin mir nicht sicher, aber die blonde Frau am Ende des kurzen Films muss Müllers Frau Uschi sein.
Eine Autogrammkarte, die alles bedeutet
Der Stürmerstar erhielt nach der Ansprache vom Bürgermeister irgendeine Glastrophäe als "Freund der Marktgemeinde", die er hochhielt wie den goldenen Weltpokal wenige Wochen zuvor. Die Autogrammkarte, die mir Gerd Müller damals in die Hand drückte, hüte ich noch heute wie einen Schatz – auch wenn die Unterschrift langsam verblichen ist. So wie das Leben von Gerd Müller langsam verblichen ist.
Später, als Journalist, durfte ich Gerd Müller dann noch ein paar Mal begegnen – zuletzt 2010 in der südafrikanischen Hochebene zwischen Johannesburg und Pretoria. Die deutsche Nationalmannschaft war dort im WM-Quartier, und Gerd Müller war vom Sponsor zusammen mit Uwe Seeler und Rudi Völler eingeflogen worden, um den neuen Ball der Bundesliga vorzustellen: "Torfabrik". Einer seiner Nachfolger im Dress des FC Bayern und der Nationalmannschaft, war auch dabei: Thomas Müller. Müller und Müller, das war ein schöner Termin für die Fotografen. Wir wussten damals noch nichts von seiner Alzheimer-Erkrankung, sie wurde erst 2015 öffentlich. Mir tat Müller an diesem Tag einfach nur leid, wie er der Weltpresse im afrikanischen Hinterland vorgeführt wurde.
In einer Kolumne für die Main-Post habe ich damals geschrieben: "Nun stand er hier in Afrika, zusammen mit Uwe Seeler und Rudi Völler, neben einem überdimensionalen Ball, und nur seine Unsicherheit war noch größer. Gerd Müller war nie ein großer Redner. Er umklammerte das Mikrofon, als sei es ein Geländer. Aber es gab keinen Halt. Gerd Müller versuchte, die Fragen zu beantworten. Es gelang ihm nicht, er sprach irgendetwas. Deshalb die Bitte: Erspart ihm solche entwürdigenden Auftritte. Seine Geschichten sind doch alle erzählt."