
Nur auf den ersten Blick ist alles wie immer bei der ersten Werkstatt-Ausstellung seit zwei Jahren. Sieglinde und Lukas Bösl sind auf dem Sprung zu "Höherem".
Eher praktisch als schön muss die Präsentation sein. Das viele Geschirr wurde deshalb zum Tag der offenen Töpfereien diesmal zu einem Großteil in der Scheune präsentiert. Abstand halten ist da kein Problem. Aber Gedränge gibt es eh nicht. Die Besucher kommen wie von Geisterhand dirigiert über den Tag verteilt. "Ich bin sehr zufrieden", sagt Sieglinde Bösl.
Die Stammkundschaft hat in der Coronazeit gut unterstützt
Übervoll sind die Rabatten im alten Bauernanwesen mit Gartenkeramik, mit Brunnen und Tischen arrangiert. Die Regale mit dem Gebrauchsgeschirr sind gut gefüllt – aber es ist nicht so, dass während der Pandemie gar kein Geschäft zu machen gewesen wäre, wie Sieglinde Bösl berichtet. Der Werkstatt-Verkauf hat weiter funktioniert, darüber hinaus ist der Umsatz über den Internet-Shop gewachsen, den Tochter Anna Bösl, von Beruf Kommunikationsmanagerin, vor gut fünf Jahren aufgebaut hatte.

Der Verkauf dort bedeute zwar in der Beratung und im Versand erheblichen Mehraufwand, so die Keramikmeisterin, aber die Stammkundschaft habe sie gut unterstützt. Sie sei sehr glücklich über diese Beziehungen. Kurzarbeit habe es nicht gegeben und in der Werkstatt arbeiten weiterhin ein Keramikmeister, eine Gesellin und eine Auszubildende mit.
Es habe sich über die 40 Jahre Werkstattarbeit gezeigt: Wer einmal Bösl-Keramik kauft, kommt immer wieder. Genau das bestätigt Besucher Albrecht Wolf aus Rottenbauer, der frisch dorthin gezogen ist und jetzt im Garten wieder von vorne anfängt. "Bösl ist ja Kunst", schwärmt er. Das mache Freude. "Wenn man hierher kommt, geht man glücklich nach Hause." Der "Bösl-Virus" sei das, lacht er und wird von der Keramikerin auf "Bösl-Freude" verbessert, weil sich keiner mehr mit Viren abgeben will.
Fasziniert von den Arbeitsschritten an der Drehscheibe
Glücklich ist auch Edeltrud Möhler aus Forchtenberg, die seit zwei Jahren "das erste Mal wieder raus kommt". Weil das Wetter so schön ist, habe sie sich vom Schwiegersohn überreden lassen, diesen Ausflug mitzumachen. Die Familie kaufe seit Jahren immer wieder Bösl-Keramik. Nur sie selbst sei noch nie da gewesen. Jetzt sieht sie der Auszubildenden Gina Reß an der Drehscheibe bei den ersten Arbeitsschritten zu. "Ich bin so dankbar", sagt sie fasziniert, "man kann sich das gar nicht so vorstellen. Jetzt kann ich mal zugucken."
Künzelsau, Fulda, Stuttgart – nach Eßfeld kommen an diesem Tag wieder jede Menge Besucher. Ein Radius von 150 Kilometern sei so ungefähr der Bereich, aus dem die Leute gefahren kommen, so Sieglinde Bösl. "Wir sind ja auch weit und breit die einzigen mit Baukeramik. Brunnen und Gartenkeramik sind auch ein ganz wichtiges Thema." Es gebe kaum eine andere Werkstatt, die Brunnen in der Größe und Qualität herstellen könne. Und Qualität meint: bei 1300 Grad Celsius gebrannt, frostfest, säure- und laugenbeständig.

Neue Seminarräume in Planung
Die Baukeramik ist ein Alleinstellungsmerkmal. Grundöfen, die sonst immer zu sehen waren, fallen allerdings langsam aus dem Sortiment. Nicht, weil Heizen mit Holz zunehmend kritisch gesehen wird, sondern weil Bösls rein vom Alter her mit ihrer Kraft zu haushalten anfangen müssen. Längst schon könnten sie sich in den Ruhestand begeben. Das allerdings wird nicht geschehen, solange sie arbeiten kann, sagt Sieglinde Bösl voller Tatendrang. Erstens will sie einfach weiter schöne Sachen machen. Zum anderen ist die Baugenehmigung da.
Das Dach über der Werkstatt wird zu Seminarräumen ausgebaut. Seit sie vor zwei Jahren begonnen hat, Lehramtsstudenten an der Universität Würzburg die Arbeit mit Keramik für den Kunstunterricht näher zu bringen, hat sie großen Spaß daran entwickelt, ihr Wissen weiterzugeben – auch in Kursen in Eßfeld. Sie hat ein wenig Hoffnung, dass das eher aussterbende Töpferhandwerk vielleicht gerade wieder Aufschwung bekommt. Immerhin haben zuletzt sogar Restaurants Geschirr und Weinkühler beauftragt, was sonst nie vorkam. Und es gibt inzwischen Enkel, die Omas Bösl-Geschirr lieben und nachkaufen.