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EßFELD
Traditionelles Handwerk wird digital
Keine Massenproduktion, sondern echte Handarbeit: Keramikerin Marion Wachter stellt in der Keramikwerkstatt Bösl in Essfeld Glasuren her.
Foto: Nadja Sieber | Keine Massenproduktion, sondern echte Handarbeit: Keramikerin Marion Wachter stellt in der Keramikwerkstatt Bösl in Essfeld Glasuren her.
Redaktion
 |  aktualisiert: 14.03.2018 03:02 Uhr

Heutzutage ist alles digital – von der mit Kunden vernetzten Bäckerei, dem Malermeister mit Roboter an der Seite und der Drohne auf der Baustelle – die Spannweite der Möglichkeiten ist groß. Angekommen ist die Digitalisierung längst auch im Handwerk. Obwohl das Handwerk als traditionsbewusste Branche gilt, sehen immer mehr Betriebe den digitalen Wandel als Chance. Laut einer Studie des Zentralverbands des Deutschen Handwerks und des Digitalbranchenverbandes haben 95 Prozent der Betriebe eine eigene Homepage, ein Drittel ist in Social Media aktiv. Doch wie gut digital aufgestellt muss ein traditioneller Handwerksbetrieb heute sein, um in Zeiten von Online-Handel und Social Media bestehen zu können?

„Ich sehe, dass immer mehr online bestellt wird, die Generation informiert sich im Internet. Da muss man sich schon umstellen, sonst gehen Umsätze verloren“, sagt Keramikmeisterin Sieglinde Bösl. Mit dem Tablet-PC macht Bösl Fotos einer Figur, sendet sie an einen Kunden aus Hamburg und verschickt Angebote per Mail. Die Waren werden auf Facebook präsentiert, Bestellungen gehen über den Webshop ein – vieles läuft heute in der Keramikwerkstatt Bösl in Essfeld digital. Das bringt Vorteile für den Betrieb, vor allem aber sei es praktisch für den Kunden. Seit über 35 Jahren führt die Keramikmeisterin gemeinsam mit ihrem Mann Lukas Bösl den traditionellen Handwerksbetrieb in Essfeld.

Kooperation mit zwei Bloggerinnen

Während sie früher nur auf Ausstellungen, Märkten und im eigenen Laden verkauften, gibt es seit rund einem Jahr für Keramikinteressierte die Möglichkeit, auf der Website zu bestellen. Auch auf Facebook, Instagram und Pinterest geben die Keramiker einen Einblick in die tägliche Arbeit. „Die Leute können sich die Designs anschauen und sehen, ob der Stil zu ihnen passt“, sagt Bösl. Seit Februar kooperiert der kleine Handwerksbetrieb außerdem mit zwei verschiedenen Bloggerinnen. Die Nürnberger Foodbloggerin Tina von lecker&co. teilt auf ihrem Blog Rezepte, dazu braucht sie schönes Geschirr. Dieses hat sie von den Bösls bekommen und stellt im Gegenzug dafür in Szene gesetzte Fotos ins Internet. Auch mit einer Tajine aus der Werkstatt kocht die Bloggerin marokkanische Gerichte, das würde bei ihren Lesern besonders gut ankommen.

Fast jeden Tag laufen zwei bis drei Bestellungen über den Webshop. Die große Chance in der Digitalisierung sieht die Keramikerin im erweiterten Kundenradius, denn Bestellungen aus Norddeutschland, Österreich und der Schweiz erreichen sie mittlerweile. Einige ihrer Kollegen aus dem Handwerk haben einen Online-Shop, viele hätten aber keine Möglichkeiten, einen Internetauftritt zu bewerkstelligen. Andere Keramiker, die mit Bloggern zusammen arbeiten, kennt Bösl nicht. „Wenn man eine solche Seite macht, muss man sie auch bedienen. Und schnell reagieren können, sonst ist der Kunde verärgert“, sagt Sieglinde Bösl.

Direkter Kundenaustausch unerlässlich

Dafür hätte nicht jeder die Zeit und auch der Aufbau eines Webshops sei nicht gerade billig. Für Sieglinde Bösl gibt es aber auch ganz klar Grenzen im Online-Verkauf. Nach wie vor sei der direkte Austausch mit den Kunden am wichtigsten, gerade bei größeren Objekten wie der Brunnen- oder Grabgestaltung wäre eine individuelle Beratung unerlässlich. Bösl will in nächster Zeit noch einen Schritt weiter gehen: Die Website soll suchmaschinenoptimiert werden, um besser bei Google und co. gefunden zu werden. Auch einen Newsletter plant sie und in Zukunft will die Werkstatt einen Lehrling ausbilden, der sich dann weiter mit der Digitalisierung beschäftigt.

Dass die Betriebe in Unterfranken dem Thema Digitalisierung offen gegenüber stehen, davon ist auch Nadine Heß von der Handwerkskammer Unterfranken überzeugt. Jede Branche des Handwerks würde die Digitalisierung dabei auf individuelle Weise angehen. Es gebe schon einige Handwerksbetriebe, die Online-Shops einsetzen. Andere setzen bei der Digitalisierung an anderen Stellen an, zum Beispiel um Produktionsabläufe zu beschleunigen, das Personalwesen oder die Bürokommunikation zu digitalisieren. Ungenutzt sollten die Chancen laut Heß jedoch nicht bleiben.

„Der digitale Wandel und seine erfolgreiche Umsetzung im Handwerk ist Voraussetzung, damit Handwerksbetriebe auch künftig wettbewerbsfähig sind“, meint Heß. Ein kostenfreies Beratungsangebot und Infoveranstaltungen zu Digitalisierungsthemen stehen den unterfränkischen Handwerksbetrieben bei der Handwerkskammer für Unterfranken zur Verfügung. Unter anderem können sich Betriebe auch hinsichtlich Fördermöglichkeiten für Digitalisierungsmaßnahmen beraten lassen.

Am 10. und 11. März, von 10 bis 18 Uhr, lädt die Keramikwerkstatt Bösl zur Ausstellung in Essfeld ein. Dort gibt es Keramik zum Anfassen und eine persönliche Beratung, die im digitalen Raum nicht umgesetzt werden kann.

Während die Keramik noch immer in feinster Handarbeit hergestellt wird, setzt Sieglinde Bösl beim Vertrieb ihrer Produkte auf die Chancen der Digitalisierung.
Foto: Nadja Sieber | Während die Keramik noch immer in feinster Handarbeit hergestellt wird, setzt Sieglinde Bösl beim Vertrieb ihrer Produkte auf die Chancen der Digitalisierung.
 
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