Rückwirkend betrachtet sei sein Weg von vielen Zufällen bestimmt worden, sagt Gerd Bayer, als er im Rahmen einer Vernetzungsveranstaltung des BNMW (Bundesverband mittelständischer Wirtschaft) eine kleine Lesung zu seinem Buch "Tausche Kamera gegen Kuh" im Ochsenfurter Flockenwerk hält. Obwohl er schöne Erinnerungen an seine Kindheit auf dem Bauernhof in Rüsselhausen hat, habe er ursprünglich nicht Landwirt werden wollen.
Nach der Schule machte Gerd Bayer zunächst eine Ausbildung zum Koch und absolvierte anschließend seinen Zivildienst. Während dieser Zeit habe er bemerkt, dass er nicht genug Leidenschaft als Koch entwickeln würde, um dem Beruf nachzugehen. "Ich wollte dann erst einmal für ein Jahr ins Ausland gehen. Aber ich wusste nicht wohin", erzählt er.
Work and Travel in Neuseeland
Zufällig habe seine Mutter damals einen Bericht über "Work and Travel" in Neuseeland entdeckt und ihn auf die Idee gebracht, dorthin zu reisen. Es sei die malerische Landschaft Neuseelands gewesen, die sein Interesse an der Fotografie weckte: "Da dachte ich, ich könnte für Zeitschriften wie National Geographic als Fotograf um die Welt reisen." Er holte sein Abitur nach und bewarb sich an der Kunsthochschule Düsseldorf, wo er allerdings eine Absage erhielt. Man habe ihm geraten, erst einmal Erfahrungen als Fotoassistent zu sammeln, erzählt Bayer.
Nach nur einem halben Jahr Praktikum als Fotoassistent in Hamburg folgten mehrere Aufträge für Modezeitschriften: "Ich wusste gleich, dass ich für große Zeitschriften arbeiten will. Dafür musste ich ins Ausland", so Bayer. Bei einer Produktion in Hamburg lernte er eine Stylistin aus New York kennen. Wie der Zufall es wollte, lud sie ihn ein, für drei Monate in ihrer Wohnung zu leben, die damals freistand. Er habe das Angebot angenommen, sagt Bayer. Das sei der Beginn seiner Karriere als Modefotograf gewesen.
Karriere in der Modebranche
Während er von 2009 bis 2011 in New York lebte, sich in der Modebranche etablierte und um die Welt reiste, veränderte sich nicht nur sein Leben rasant. Auch der elterliche Bauernhof entwickelte sich weiter. Damals sei man in der konventionellen Landwirtschaft davon ausgegangen, dass Betriebe nur dann wirtschaftlich seien, wenn Produktionsflächen stetig erhöht werden: "Zwar werfen mehr Kühe mehr Erträge ab. Aber sie zu halten, verursacht auch mehr Kosten und Aufwand", so Bayer. Er habe bemerkt, dass seine Familie in einer Arbeitsfalle steckte. Seine Kritik richte sich nicht an die Landwirte, sondern an das System, in dem sie sich befinden, fügt er an.
In New York habe er realisiert, dass er an einer Praktik beteiligt sei, "die Menschen dazu animiert, Dinge zu kaufen, die sie in dem Ausmaß gar nicht brauchen". Dies sei der Anstoß dafür gewesen, sich mit dem Thema Nachhaltigkeit auseinanderzusetzen. Zur gleichen Zeit brauchte seine Familie zunehmend Unterstützung auf dem Hof. Deshalb fuhr Bayer immer öfter nach Rüsselhausen. Damals pendelte er zwischen beiden Welten hin und her – zwischen der Extravaganz der Modewelt und der Bodenständigkeit des Bauernhofs: "Durch den Kontrast ist mir klar geworden, was ich will."
Ein Wendepunkt in seinem Leben. Denn einerseits hätte er eine Karriere in der Beauty- und Modewelt machen können. Andererseits habe er gemerkt, "dass ich mich nicht mehr an der verschwenderischen Konsumwelt der Modebranche beteiligen will und auf dem Bauernhof meiner Eltern etwas zur Nachhaltigkeit beitragen kann".
Schließlich teilte er seiner Familie mit, dass er den Hof mittragen werde. Jedoch unter der Bedingung, dass dieser künftig biologisch geführt werde. Die Familie sei dem Thema gegenüber voreingenommen gewesen und sei es heute noch, sagt Bayer. Aber er habe sich durchsetzen können. Denn heute ist der Martinshof zu 100 Prozent ein Bioland-Betrieb. Gerade in der jetzigen Situation zeige sich, dass "wir umdenken müssen". Beispielsweise sollten regionale und nachhaltige Futterproduzenten unterstützt werden anstatt Futter aus dem Ausland zu kaufen: "Es ist teurer, aber es sollte uns das wert sein", so der Landwirt. Auch Ausgleichsflächen könne er nur dann schaffen, wenn der Kunde das mitträgt.
Innovation: Japanische Wagyurinder
Eine der Innovationen auf dem Hof sei die Anschaffung von Wagyurindern gewesen. Die japanischen Rinder seien leichter und kleiner als die deutschen. Ihr Fleisch sei sehr gesund, vergleichbar mit dem von Thunfisch. Mit den Rindern wolle Bayer nicht nur ein Alleinstellungsmerkmal haben, sondern auch zu einem Umdenken beitragen. Es gehe nicht darum, kein Fleisch zu konsumieren, sondern gutes und nachhaltiges zu fördern. Jede Kaufentscheidung sei eine richtungsweisende Entscheidung: "Ich kann als Landwirt nur so gut sein, wie der Verbraucher es zulässt", so Bayer.
Von seiner Arbeit als Modefotograf könne er auch als Landwirt profitieren: "Ich kann das hier nur so machen, weil ich viele Jahre weg war." Ohne seine Erfahrungen außerhalb des Hofes hätte er den Betrieb vielleicht genauso weitergeführt wie seine Eltern zuvor: "Manchmal ist es gut, wenn man ein bisschen in die Welt geht, sich etwas Neues anschaut, um dann Fortschritt mitzubringen."
Nachhaltig erzeugen und dies auch leben, mutiger Schritt...nur so kann Zukunft lebenswert sein.
Good luck.