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Ochsenfurt
Ochsenfurter Reisebüro: "2020 ist gelaufen"
Stornierungen, Rückzahlungen, Kunden besänftigen. Für lokale Reisebüros, wie Tilman Touristic, ist Corona der blanke Horror. Doch in Ochsenfurt bleibt man optimistisch.
Sabine Würzburger sitzt am Arbeitsplatz in ihrem Reisebüro in der Ochsenfurter Innenstadt. Die Reisebranche leidet stark unter den Folgen der Corona-Pandemie.
Foto: Daniel Peter | Sabine Würzburger sitzt am Arbeitsplatz in ihrem Reisebüro in der Ochsenfurter Innenstadt. Die Reisebranche leidet stark unter den Folgen der Corona-Pandemie.
Maria Lisa Schiavone
 |  aktualisiert: 10.05.2023 10:24 Uhr

Die Corona-Pandemie hat das Reisen zum Erliegen gebracht. Viele kleine Reisebüros stehen vor dem Aus oder kurz davor, auch in Unterfranken. Sabine Würzburger ist eine, die durchhält. Seit 37 Jahren betreibt sie das Reisebüro "Tilman Touristic" in der Ochensfurter Innenstadt und das soll auch so bleiben.

"Ich bin seit fast 40 Jahren im Beruf und habe schon vieles mitgemacht. Aber sowas wie Corona habe ich noch nie erlebt", sagt Sabine Würzburger im Gespräch. Seit dem Lockdown im Frühjahr gleicht ihr Tagesablauf einer Dauerschleife: Reisen buchen, Lockdown kommt, Reisen stornieren. "Seit Anfang März habe ich drei Monate lang nichts anderes gemacht, als rund um die Uhr Kunden zu betreuen, Reisen zu stornieren und Rückerstattungen abzuwickeln." Für das Reisebüro bedeutet dies vor allem eins: viel unbezahlte Arbeit.

Viel Service für wenig Umsatz  

Eigentlich ist Sabine Würzburger nur Vermittlerin, doch in Zeiten von Corona ist sie auch Anwältin und Seelsorgerin: "Ich habe Familien, die jahrelang für ihren Urlaub gespart haben. Dann wurde ihre Reise abgesagt, sie kriegen ihr Geld nicht mehr zurück und kommen zu mir. Da klemme ich mich natürlich dahinter und mache Druck beim Reiseveranstalter. Das geht mir auch nahe."

Von morgens um 9 bis abends um 20 Uhr ist die 58-Jährige am Telefon: "Viele Kunden sind verzweifelt und frustriert. Reiseveranstalter zögern Rückzahlungen hinaus und sind nur im Call Center oder gar nicht zu erreichen. Da muss ich erklären und besänftigen. Das ist wahnsinnig viel Arbeit und Aufwand." 

Geld verdient das Reisebüro damit nicht. Im Gegenteil. Gearbeitet wird fürs Minus: "Wir zahlen unsere Einnahmen aus 2019 zurück. In diesem Jahr haben wir überhaupt nichts verdient. Das bringt uns in wahnsinnige wirtschaftliche Schwierigkeiten. Wir leben von der Vermittlungsprovision. Im günstigsten Fall sind das zehn Prozent vom Reisepreis, mit denen ich alle Kosten decken muss: Miete, Personal und Computerausstattung. Da ist der Liquiditätsengpass schnell erreicht. Für mich ist das Jahr 2020 gelaufen", sagt die Fachfrau. 

"Für mich ist das Jahr 2020 gelaufen."
Sabine Würzburger, Reisebüro-Leiterin über ihre wirtschaftliche Lage

Finanzspritzen vom Staat helfen  

"Das ganze Jahr ist eine Katastrophe. Gäbe es keine staatlichen Hilfen, hätten wir nach 37 Jahren hinschmeißen müssen", sagt die Reisebürochefin. Seit März sind auch die fünf langjährigen Mitarbeiter in Kurzarbeit. Kündigen sind für sie keine Option. Eine erste Soforthilfe gab es im Frühjahr, die hätte über den ersten Schock hinweggeholfen. Von April bis einschließlich August folgte die "Überbrückungshilfe 1". Der Staat übernimmt dabei einen Großteil der Umsatzeinbußen und Fixkosten. Bis Dezember erhält das Reisebüro die "Überbrückungshilfe 2".

"Gäbe es keine staatlichen Hilfen, hätten wir hinschmeißen müssen."
Sabine Würzburger, Reisebüro-Leiterin in Ochsenfurt 

Doch ausfallende Gewinne kompensiert das nicht: "Wir decken damit die Provisionsrückzahlungen der Reiseanbieter. Zum Überleben reicht es nicht, aber wir können ruhig schlafen", sagt Würzburger. Die restlichen Kosten muss das Reisebüro aus der eigenen Tasche zahlen.

Sabine Würzburger ist "Berufsoptimistin". Trotz aller Einbußen und etlicher unbezahlter Arbeitsstunden sitzt sie an drei Tagen in der Woche im Reisebüro und im Homeoffice: "Damit die Leute sehen, dass es uns noch gibt." Auch wenn seit einigen Wochen keiner mehr durch die Tür komme.

Die Stammkunden bleiben ihr treu

Ihre Kunden sind treu, halten zu ihr. Manche Stammkunden haben ihr Plätzchen ins Reisebüro gebracht. Wie eng die Bindung zu den Kunden ist, zeigte sich während des Lockdowns: "Wir haben den Kunden unsere wirtschaftliche Situation erklärt und gefragt, ob wir einen Solidaritätsbeitrag von ihrer Rückerstattung einbehalten könnten. Die Resonanz war überwältigend", sagt sie gerührt. Rund 30 Prozent der Kunden haben ihre Reisen umgebucht statt zu stornieren. Das gebe ihr Hoffnung. 

Die Reiseveranstalter haben sich mittlerweile auf die Pandemie eingestellt, bieten günstige Preise, Ermäßigungen und kostenlose Stornierungen, das komme den Reisenden zu Gute. Denn mit dem Lockdown schwanken auch die Preise, sagt die Reisefachfrau: "Sobald ein Land wieder freigegeben wird, steigen die Preise innerhalb weniger Stunden und die Verfügbarkeiten werden knapp. Das war im Sommer bei den Kanarischen Inseln der Fall." Doch viele Kunden bleiben zaghaft. Sie befürchten, auf die Rückerstattung ihrer Reisekosten lange warten zu müssen. 

Die Hoffnung stirbt zuletzt

Für Reisebüros, wie Tilman Touristic, sind die Aussichten alles andere als rosig: "In der ganzen Branche sieht es schlecht aus. Wir gehen davon aus, dass wir im nächsten Jahr maximal 40 Prozent des Umsatzes von 2019 erreichen – wenn überhaupt." Für das Ochsenfurter Reisebüro bedeutet das "Kosten zurückschrauben und die Liquiditätsplanung so aufstellen, dass wir ganz kleine Brötchen backen."

Mit über 90 Prozent Verlust ist das Jahr 2020 für Sabine Würzburger gelaufen, wie sie sagt. Doch den Optimismus lässt sie sich nicht nehmen: "Wir sind ein gesundes Unternehmen und weit entfernt von einer Insolvenz. Der Zuspruch unserer Kunden lässt mich nicht verzweifeln. Ich bin nach wie vor überzeugt, dass wir das irgendwie in den Griff kriegen. Die Aufträge für 2021 lassen uns hoffen."

 
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