Unzählige Stunden hat Wolfgang Meding im Archiv der Stadt Ochsenfurt gesessen, oft gemeinsam mit seiner Frau, und in alten Ausgaben der Ochsenfurter Zeitung gestöbert. Oder im Bezirksamtsblatt. Immer auf der Suche nach Details über dieses und jenes Thema aus seiner Wahlheimat, die er in etwa 50 Leitz-Ordnern zusammengetragen hat. So viel Zeit hatte der mittlerweile 90-Jährige nicht immer. In seinem Berufsleben war er Gastwirt, und zwar einer mit Leib und Seele. Daraus resultierte auch sein Interesse für beinahe jeden Aspekt des Gemeindelebens. "Der liebe Gott und die Gastwirte wissen alles", zitiert Sohn Walter eine Redensart aus der Branche. Jetzt hat Wolfgang Meding seine Sammlung dem Ochsenfurter Stadtarchiv überlassen.
Besonderes Steckenpferd sind die Gaststätten
Altbürgermeister Peter Wesselowsky, der Archivar der Stadt, nimmt die 50 Ordner mit Handkuss. So viele gut aufbereitete Einzelheiten seien ein wahrer Schatz, sagt er. Das Besondere an der Sammlung Meding: Die Informationen sind nicht nach Jahreszahlen, sondern nach Themen geordnet. Ob Schulleben oder Sportstätten, Familien, Straßennamen, Berufszweige oder die Geschichte der Ortsteile: Es gibt kaum ein Thema, dem sich Wolfgang Meding nicht mit Interesse und Genauigkeit gewidmet hätte.
Sein besonderes Steckenpferd: die Gaststätten in Ochsenfurt, natürlich. Über jede einzelne von ihnen hat er ein Dossier angelegt. Dort ist nachzulesen, wann ein Eigentümer- oder Pächterwechsel stattfand, wer in der Küche am Herd stand, welche Gäste einkehrten, ob neues Personal gesucht wurde oder eine bauliche Veränderung vorgenommen wurde. "Eine phantastische Chronik", staunt Peter Wesselowsky.
Um auch ja keine Meldung, keine Annonce zu übersehen, hat Wolfgang Meding sich die gebundenen Ausgaben der Ochsenfurter Zeitung zur Brust genommen, die bis ins Jahr 1913 zurückreichen. Das Bezirksamtsblatt für den Bereich Ochsenfurt umfasst sogar die Zeit ab 1864. Weil der Ruheständler dem Stadtarchivar als zuverlässiger Nutzer bekannt war, durfte Wolfgang Meding sogar den einen oder anderen Band mit nach Hause nehmen, um ihn besser sichten zu können. Und mehr als einmal kam ein Exemplar in deutlich weniger ramponiertem Zustand zurück als zuvor, weil Meding den Buchrücken kurzerhand repariert hatte.
Als Koch nach Rothenburg
Die Leidenschaft für Gedrucktes dürfte dem 90-Jährigen schon in die Wiege gelegt worden sein: 1931 kam er im thüringischen Ilmenau als Sohn eines Buchhändlers zur Welt. Der hätte es gar zu gern gesehen, wenn sein Sohn das Gymnasium besucht hätte. Doch der Drill der höheren Lehranstalt lag ihm nicht, verrät Meding verschmitzt lächelnd. Viel lieber wollte er eine Lehre machen, und zwar als Koch. Für die beabsichtigte Auswanderung nach Amerika reichte das magere Lehrlingssalär zwar nicht, aber ein Besuch bei der Tante in Hamburg war 1955 immerhin drin.
Dort fiel dem jungen Mann auf, dass die Speisekarten westdeutscher Wirtshäuser sehr viel reichhaltiger waren als die daheim. Meding ging also als Koch zunächst nach Pforzheim und dann nach Rothenburg ob der Tauber, wo er seine spätere Frau kennenlernte. Dort erfuhr er, dass das Rothenburger Brauhaus einen Pächter für seine Gaststätte in Ochsenfurt suchte, und so kamen Wolfgang Meding und seine frisch angetraute Gattin 1957 in die Stadt am Maindreieck.
Bis 1985 betrieb Meding die Gaststätte in der Marktbreiter Straße, die bald zur zentralen Anlaufstelle vor allem der hungrigen Zuckerrübenfahrer wurde. Just 1985 ergab sich die Gelegenheit, in Herchsheim ein Wirtshaus zu eröffnen, und Familie Meding ergriff die Chance. In der "Dorfschänke" wurden die gegrillten Hähnchen alsbald zum Verkaufsschlager. Durch die am Flugplatz Giebelstadt stationierten US-Soldaten sprach sich die Qualität des Grillgeflügels bis nach Amerika herum. Man müsse unbedingt den "Chicken-Man" in Herchsheim besuchen, hatten zwei Amerikanerinnen vor ihrer Reise nach Deutschland gesagt bekommen, und kehrten pflichtschuldig bei Wolfgang Meding ein.
Optisch ansprechende Sammlung
Seit 1995 ist Meding Ruheständler. In seinem Haus in der Badgasse hat er sich ganz seinen Recherchen und der Aufbereitung der Ergebnisse gewidmet. Denn seine Sammlung sollte ja auch optisch ansprechend sein. Die Zeitungsausschnitte hat er kopiert und eingeklebt, mit Datum und Hinweisen versehen, in seiner schönen Handschrift. Jedes einzelne Blatt hat seine Klarsichthülle, damit die Seiten vor äußeren Einflüssen geschützt sind.
Mit dem Beginn der Corona-Pandemie hat das Chronisten-Dasein für Wolfgang Meding seinen Reiz verloren, weil alles geschlossen war. Und als er dann noch in ein Seniorenheim umzog, suchte er für seine Sammlung ein neues Zuhause. Im Stadtarchiv wurde ein solches gefunden. Peter Wesselowsky muss jetzt nur noch einen Schrank für die 50 Ordner finden.